Produktdetails
  • insel taschenbuch
  • Verlag: Insel Verlag
  • Abmessung: 176mm x 107mm x 23mm
  • Gewicht: 304g
  • ISBN-13: 9783458336518
  • ISBN-10: 3458336516
  • Artikelnr.: 24584591
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2001

Lesetipp zum Wochenende
Jahrelang kein Schatz
Liebe – auf den Hund gekommen, bei Elizabeth von Arnim
Eine reife Dame wird zum Objekt der Begierde eines jungen Mannes. Was kann es Schöneres geben? Die Frau in den Vierzigern verjüngt sich durch die neue Liebe, und das ganz ohne kosmetische oder gar chirurgische Hilfsmittel. „Etwas geschieht mit einer Frau, wenn sie nicht geliebt wird”, hat Joan Crawford in einem Film von Curtis Bernhardt einmal drohend gesagt – und mit Sicherheit dieser Satz gilt auch andersherum.
Wenn sie geliebt wird, kann die Geschichte sich trotzdem zum Albtraum entwickeln, man kennt das in verschiedenen Versionen aus dem Kino – in den meisten Fällen ist dort die Rollenverteilung anders als bei Elizabeth von Armin, ein alter Mann und ein junges Mädchen. In diesem Roman aus den Zwanzigerjahren hat die Heldin mit dem Leben als erotisch aktive Frau früh abgeschlossen. Wobei abgeschlossen nicht das richtige Wort ist, denn es gab nie eine Öffnung. Sie war jahrzehntelang die treu sorgende Gattin eines älteren reichen Mannes gewesen, der sich wenig Gedanken über das Gefühls- und Sexualleben seiner jungen Frau machte. Ihm war allein die Vorstellung grässlich, sie könnte als reiche Witwe einem Mitgiftjäger anheim fallen. Um das zu verhindern, hat er ihr ein sehr kärgliches Erbe ausgesetzt. Mit geringen finanziellen Mitteln, einer mietfreien Altherrenwohnung und einer treuen Haushälterin hat sie sich trotzdem in London behaglich eingerichtet, mit ihrer erwachsenen Tochter. Dass ihr Schwiegersohn ebenso alt ist wie sie, kommt ihr ganz selbstverständlich vor.
Die begeisterte Theatergängerin wird aus ihrem ruhigen Leben durch die Leidenschaft eines jungen Mannes gerissen, der nicht nur wie sie immer wieder in die gleiche Aufführung eines Stücks geht, sondern dort bald nur noch Augen für sie hat. Ihm wird sie ein „kostbarer Schatz”, den er besitzen will wie nichts sonst auf der Welt. Seinem leidenschaftlichen Ansturm kann sie nicht lange widerstehen, denn „jahrelang war sie kein Schatz gewesen, kein wirklicher, für den verliebte Männer alles tun, was in ihrer Macht steht – eigentlich niemals, denn George hatte sich von Anfang an wie ein Ehemann benommen, selbst als er noch keiner war.”
Aus dem wunderbaren, alle Sinne belebenden Spiel wird jedoch bald bitterer Ernst. Weil sie die Konventionen bricht und sogar in den Beifahrerwagen seines Motorrads steigt, weil sie auf einem solchen Ausflug mitten in der Einöde eine (ganz und gar schickliche) Nacht im Freien an der Seite des jungen Verehrers verbringen muss, schreitet die Gesellschaft in Gestalt des aufrechten Schwiegersohns ein. Es muss geheiratet werden.
Nach den heiteren Flitterwochen kommt bald ein bitteres (und äußerst geld- und kräftezehrendes) Eheleben. Eine junge Rivalin wird sie für seine Mutter halten, und seine Bedürfnisse nach nächtlichen Tanzvergnügen decken sich selten mit ihren nach beschaulicher Nähe. Und der kosmetische Aufwand, den sie betreibt, um jugendlichen Schmelz vorzutäuschen, wird auch immer größer. Das Ende bleibt offen. Er erschrickt vor ihrem ungeschminkten Gesicht und den ungefärbten Haaren, will sie aber trotzdem nicht lassen. Sie propagiert den klugen Verzicht. Ohne Schmerzen geht es nicht in dieser ironischen Gesellschaftsstudie.
Die Autorin wusste, wovon sie schrieb, denn sie war lange in einer ähnlichen Verbindung gefangen, die sie ebenso glücklich wie unglücklich machte und lange an ihr zerrte. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung dieses Romans war der junge Liebhaber jedoch verheiratet, und die berühmte Bestsellerautorin schrieb Lebenserinnerungen („Alle meine Hunde”), in denen sie dem Auf und Ab in der Liebe endgültig abschwor und allein auf Hunde setzte, denn „Hunde sind diesen Schwankungen nicht unterworfen. Wenn sie einmal lieben, dann tun sie es beständig, unwandelbar bis zu ihrem letzten Atemzug. So möchte ich gern geliebt werden ...”
MANUELA REICHART
ELIZABETH VON ARNIM: Liebe. Aus dem Englischen von Anna Keller. List Taschenbuch Verlag, München 2001. 367 Seiten, 16,90 Mark.
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