Der Filmemacher, der sein Drehbuch veröffentlicht, gibt seinem Publikum mehr als einen Schlüssel in die Hand. Er lädt es in einen inneren Raum seiner Arbeit ein. Worin besteht die Arbeit eines Filmemachers wie Michael Haneke? Inmitten digitaler Bilderstürme und medialer Auflösung der Wirklichkeit schuf er ein Kino, das etwas zu sagen hat. Über den Menschen und die Welt, in der er lebt. Und über das, was ihr fehlt. Die Liebe möglicherweise. Neben dem Drehbuch zum Film "Liebe" enthält dieser Band Teile des Storyboards, Filmstills mit den Schauspielern Emmanuelle Riva, Jean-Louis Trintignant und Isabelle Huppert sowie einen Werkessay von Georg Seeßlen. So entstehen Zugänge zu einem Oeuvre, dessen Ziel man nur mit einem Wort beschreiben kann: Wahrheit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2012Die Geliebten
Michael Haneke ist nicht nur einer der besten, sondern auch einer der genauesten Regisseure des europäischen Kinos, das hat sein jüngster Film "Liebe" (F.A.Z. vom 19. September) wieder einmal bewiesen. Das zum Kinostart veröffentlichte Drehbuch, das neben Szenenfotos auch faksimilierte Seiten aus der Skriptfassung enthält, die den Dreharbeiten zugrunde lag, zeigt nun, wie dieser genaue Blick auch vor den eigenen filmischen Ideen nicht haltmacht, wie er sie verwandelt und weitertreibt. Etwa bei dem Traum, den Jean-Louis Trintignant ungefähr in der Mitte des Films träumt und der so etwas wie ein Scharnier zwischen der helleren und der dunkleren Hälfte der Geschichte bildet: Wo die frühe Version durch eine Folge fensterloser Räume führt, an deren Ende sich ein Lichtspalt nach oben öffnet, mündet die spätere in einem Flur voll dunklem Wasser, in dem aus dem Nichts eine Hand erscheint und sich über Trintignants Gesicht legt. Genauigkeit, schreibt Georg Seeßlen in einem klugen Essay am Schluss des Bandes, sei "eine Form der Liebe, die sich als Handwerk ausdrückt". So muss man das sehen.
kil.
Michael Haneke: "Liebe. Das Buch".
Hanser Berlin, 2012. 206 S., Abb., br., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Haneke ist nicht nur einer der besten, sondern auch einer der genauesten Regisseure des europäischen Kinos, das hat sein jüngster Film "Liebe" (F.A.Z. vom 19. September) wieder einmal bewiesen. Das zum Kinostart veröffentlichte Drehbuch, das neben Szenenfotos auch faksimilierte Seiten aus der Skriptfassung enthält, die den Dreharbeiten zugrunde lag, zeigt nun, wie dieser genaue Blick auch vor den eigenen filmischen Ideen nicht haltmacht, wie er sie verwandelt und weitertreibt. Etwa bei dem Traum, den Jean-Louis Trintignant ungefähr in der Mitte des Films träumt und der so etwas wie ein Scharnier zwischen der helleren und der dunkleren Hälfte der Geschichte bildet: Wo die frühe Version durch eine Folge fensterloser Räume führt, an deren Ende sich ein Lichtspalt nach oben öffnet, mündet die spätere in einem Flur voll dunklem Wasser, in dem aus dem Nichts eine Hand erscheint und sich über Trintignants Gesicht legt. Genauigkeit, schreibt Georg Seeßlen in einem klugen Essay am Schluss des Bandes, sei "eine Form der Liebe, die sich als Handwerk ausdrückt". So muss man das sehen.
kil.
Michael Haneke: "Liebe. Das Buch".
Hanser Berlin, 2012. 206 S., Abb., br., 19,90 [Euro].
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