'Er gilt als Shooting Star. Mit gerade mal 27 wird er Theaterregisseur am Hamburger Schauspielhaus. Doch der Höhenflug endet abrupt: Sebastian Schlösser leidet an einer bipolaren Störung. In den manischen Phasen ist er größenwahnsinnig, arbeitet Tag und Nacht und ist durch nichts zu bremsen. In den depressiven Phasen ist er so in sich gefangen, dass er nichts mehr fühlt und an Selbstmord denkt. Schließlich bricht er zusammen und erkennt: So kann es nicht weitergehen. Was mit einem Menschen passiert, der in die Irrenanstalt eingeliefert wird; was es bedeutet, psychisch krank zu sein; und wie schwierig es ist, seine Meise zu bezwingen das alles beschreibt Schlösser auf wunderbare Weise seinem kleinen Sohn.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2011Aus der Psychiatrie
Sebastian Schlösser leidet unter einer bipolaren Störung, Phasen hyperaktiver Euphorie und lähmender Depression. Er nennt sie seine "Meise". Die Klinik, in der er behandelt wird, heißt "Meisenzoo" oder "Wolkenkuckucksheim". Die flapsige Metaphorik hat zwei Gründe: Zum einen schreibt Schlösser formal an seinen erst acht Jahre alten Sohn. Zum anderen markiert er sein Überlegenheitsgefühl gegenüber den Spielregeln der Psychiatrie und dem Konformismus von "Kleingeistern". Der Bericht "Lieber Matz, Dein Papa hat 'ne Meise" schildert, wie der Autor einen Höhenflug als junger Theaterregisseur erlebt und währenddessen die Kontrolle über sein Verhalten verliert: "Ich berauschte mich an meinen eigenen Gedanken. Dazu kam ein Gefühl von Unverwundbarkeit und Größe - ich kannte keine Zweifel mehr. Schamlosigkeit würde es wohl eher treffen." Schließlich vagabundiert er im Bademantel durch Berlin. Polizisten führen ihn von der eigenen Premiere ab. Die beklemmende Innensicht der manisch-depressiven Erkrankung geht auf mögliche tiefere seelische Ursachen wenig ein, zeigt aber Faktoren, die den Ausbruch begünstigen: Bei Schlösser waren es der Druck zur kreativen Selbstentblößung am Theater, Spannungen im Ensemble, die emotionalen Achterbahnfahrten zwischen berauschendem Applaus und demütigender Kritik. Im Zuge der Therapie hat der Autor den Beruf gewechselt und studiert nun Jura. (Sebastian Schlösser: "Lieber Matz, Dein Papa hat 'ne Meise". Ein Vater schreibt Briefe über seine Zeit in der Psychiatrie. Ullstein Verlag, Berlin 2011. 240 S., geb., 18,- [Euro].)
fxe
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sebastian Schlösser leidet unter einer bipolaren Störung, Phasen hyperaktiver Euphorie und lähmender Depression. Er nennt sie seine "Meise". Die Klinik, in der er behandelt wird, heißt "Meisenzoo" oder "Wolkenkuckucksheim". Die flapsige Metaphorik hat zwei Gründe: Zum einen schreibt Schlösser formal an seinen erst acht Jahre alten Sohn. Zum anderen markiert er sein Überlegenheitsgefühl gegenüber den Spielregeln der Psychiatrie und dem Konformismus von "Kleingeistern". Der Bericht "Lieber Matz, Dein Papa hat 'ne Meise" schildert, wie der Autor einen Höhenflug als junger Theaterregisseur erlebt und währenddessen die Kontrolle über sein Verhalten verliert: "Ich berauschte mich an meinen eigenen Gedanken. Dazu kam ein Gefühl von Unverwundbarkeit und Größe - ich kannte keine Zweifel mehr. Schamlosigkeit würde es wohl eher treffen." Schließlich vagabundiert er im Bademantel durch Berlin. Polizisten führen ihn von der eigenen Premiere ab. Die beklemmende Innensicht der manisch-depressiven Erkrankung geht auf mögliche tiefere seelische Ursachen wenig ein, zeigt aber Faktoren, die den Ausbruch begünstigen: Bei Schlösser waren es der Druck zur kreativen Selbstentblößung am Theater, Spannungen im Ensemble, die emotionalen Achterbahnfahrten zwischen berauschendem Applaus und demütigender Kritik. Im Zuge der Therapie hat der Autor den Beruf gewechselt und studiert nun Jura. (Sebastian Schlösser: "Lieber Matz, Dein Papa hat 'ne Meise". Ein Vater schreibt Briefe über seine Zeit in der Psychiatrie. Ullstein Verlag, Berlin 2011. 240 S., geb., 18,- [Euro].)
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