Die Begegnung mit Arie, einem alten Freund ihres Vaters, wirft das Leben der Ich-Erzählerin Ja'ara aus der Bahn. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft des ebenso rätselhaften wie tyrannischen Egozentrikers. Ja'ara erlebt eine bedingungslose, obsessive und demütigende Liebesbeziehung, die sie dazu bringt, auf alles zu verzichten, was ihr Leben bisher ausgemacht hat: ihre Ehe, ihre Karriere, ihre Vorstellungen von Treue und Anstand.
"Das ist vermutlich die Wurzel der Liebe, allen möglichen Blödsinn zu erzählen, der einem passiert ist, in der Hoffnung, daß auf dem gewundenen Weg vom Mund des einen zum Ohr des anderen die Geschichte ihre Bedeutung bekommen wird, ihre Berechtigung." So zumindest die Hoffnung von Ja`ara, der Erzählerin dieses erotischen Romans. Ja`ara ist Dozentin an der Universität von Jerusalem. Ihr scheinbar geregeltes Leben kommt nach der Begegnung mit Arie, einem nach langen Jahren im Ausland nach Israeal zurückgekehrten Freund ihres Vaters, vollkommen durcheinander. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft des ebenso rätselhaften wie tyrannischen Egozentrikers. Die bedingungslose Liebe zu Arie bringt sie dazu, auf alles zu verzichten, was ihr Leben bisher ausgemacht hat: die Zukunft mit einem liebevollen, doch harmlos-langweiligen Ehemann, ihre wissenschaftliche Karriere, selbst ihre Vorstellung von Treue und Anstand.Auf der Suche nach dem Sinn ihrer Geschichte, ihres "Liebeslebens", nimmt Ja`ara eine lange Kette von Demütigungen auf sich, erträgt standhaft Situationen von zum Teil grotesker Komik. Erst ganz zum Schluß eröffnet sich ihr ein überraschender, doch folgerichtiger Ausweg.
"Das ist vermutlich die Wurzel der Liebe, allen möglichen Blödsinn zu erzählen, der einem passiert ist, in der Hoffnung, daß auf dem gewundenen Weg vom Mund des einen zum Ohr des anderen die Geschichte ihre Bedeutung bekommen wird, ihre Berechtigung." So zumindest die Hoffnung von Ja`ara, der Erzählerin dieses erotischen Romans. Ja`ara ist Dozentin an der Universität von Jerusalem. Ihr scheinbar geregeltes Leben kommt nach der Begegnung mit Arie, einem nach langen Jahren im Ausland nach Israeal zurückgekehrten Freund ihres Vaters, vollkommen durcheinander. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft des ebenso rätselhaften wie tyrannischen Egozentrikers. Die bedingungslose Liebe zu Arie bringt sie dazu, auf alles zu verzichten, was ihr Leben bisher ausgemacht hat: die Zukunft mit einem liebevollen, doch harmlos-langweiligen Ehemann, ihre wissenschaftliche Karriere, selbst ihre Vorstellung von Treue und Anstand.Auf der Suche nach dem Sinn ihrer Geschichte, ihres "Liebeslebens", nimmt Ja`ara eine lange Kette von Demütigungen auf sich, erträgt standhaft Situationen von zum Teil grotesker Komik. Erst ganz zum Schluß eröffnet sich ihr ein überraschender, doch folgerichtiger Ausweg.
Zeruya Shalevs Roman "Liebesleben" · Von Eberhard Rathgeb
Man müsse, bemerkt der dem Katholizismus stark zugeneigte Schriftsteller Julien Green in seinem Tagebuch, streng zwischen dem Begehren und der Liebe unterscheiden. Wirkliche Erfüllung bringe dem Menschen nur die Liebe. Man schaue doch bitte einmal in die kalten und erloschenen Augen eines dieser hochgerühmten Lebemänner, dann werde man sich rasch von der Illusion, die sich hartnäckig am Leben im Illustriertenschein erhalte, kurieren, dass dem Begehren vor der Liebe der erste Platz gebühre. Julien Green wird zu dieser im katholischen Geiste getroffenen Unterscheidung durch eigene Erfahrungen gelangt sein. Wer in diesem Dilemma nicht nur einen, sondern seinen Weg gefunden hat, der kann auf ein erfülltes Liebesleben zurückblicken. Da Wörter manchmal Realitäten schaffen, führen die Liebe und das Begehren landauf, landab ein getrenntes Dasein, werden entweder miteinander verbunden oder zeigen sich die kalte Schulter. In Jerusalem ist das nicht anders als an anderen Orten.
Von diesen Schwierigkeiten eines Gefühls, erwachsen zu werden, handelt der Roman der hierzulande noch unbekannten Zeruya Shalev, die 1959 im Kibbutz Kinneret geboren wurde. Es ist, um das vorweg zu sagen, ein flirrender, freimütiger, intelligenter und anrührender Roman. Erzählt wird die Geschichte einer jungen, hübschen Dozentin für Theologie an der Jerusalemer Universität. Sie ist nicht übermäßig glücklich, aber auch nicht deprimierend unglücklich verheiratet mit einem nicht gerade aufregenden Computerfachmann, der vor allem eine Stupsnase hat und gerne Tennis spielt. Die Liebe der beiden ist mehr geschwisterlich als leidenschaftlich. Händchenhaltend schlafen sie ein. Sie heißt Ja'ara, er Joni. Sie plagt sich mit einem Thema für ihre Abschlussarbeit, er kümmert sich nebenbei um den Haushalt. Der Segen der Eltern schwebt über ihnen. Kann da noch etwas schiefgehen?
Es kann. Seit Albert Camus muss ein Mensch damit rechnen, dass etwas um die Ecke biegt, wenn er mit Einkaufstüten in der Hand die Straße entlangschlendert. Bei Camus hieß dieses Etwas "das Absurde". In Shalevs Roman ist es "das Begehren". Die landläufige Vorstellung schwelgt darin, dass das Begehren entzündet wird, wie man einen Gasherd anmacht, durch einen kessen Blick, eine Berührung, eine klasse Geste, ein Lachen, den James-Dean-Gang oder was es auch sein mag. Wie das Camus'sche Absurde einen Menschen eckenhart umhaut, so entriegelt ihn das Begehren und lässt ihn einen Blick in die reine Sinnlichkeit werfen. Das vergisst er nicht so leicht. Auch Ja'ara kommt darüber nicht hinweg, als sie ihn, den anderen, den Mann, erblickt. Das Begehren, erst einmal zum Rotieren gebracht, beginnt zu zerren und zu ziehen, es duldet keinen Aufschub.
Und dabei hatte Ja'ara doch geglaubt, die Liebe - und zwar nicht irgendeine, sondern die große Liebe - gefunden zu haben! Joni hatte sie über eine Freundin kennen gelernt, sie wusste von den Männern nicht viel, im Grunde genommen nichts. Joni war nett. Kann man noch mehr sagen? Er schien zuverlässig. Er versprach, sie bis zum Ende aller Tage zu lieben. Konnte etwas in ihren mädchenhaften Ohren schöner klingen und säuseln? Die landläufige Vorstellung drängelt sich vor, verbeugt sich und spricht: Hallo, ihr beiden. Ihr sollt zusammen alt werden, denn ihr habt einander und die Liebe gefunden. Und prompt wären sie auch, wenn nichts dazwischen gerasselt wäre, ein Herd und eine Gemeinschaft geblieben. Sie hätten eine Ehe geführt, ohne Trara, mit den üblichen Streitereien über den Abwasch und den Müll, und sie hätten ihre Träume in einen Topf geworfen, sich aneinandergelehnt und es sich noch einmal geflüstert, dass man gut zueinander passe. Ja'ara bemühte sich um ihre Studien, Joni um seine Programme. Kinder sollten irgendwann kommen. Die beiden hatten sich einander versprochen, über alles weitere hätte man immer miteinander reden können.
Wenn da nicht das Begehren gerufen hätte. Ja'ara rieselte ein schöner Schrecken über die Haut, als sie eines Tages ihre Eltern besuchte und statt ihres Vaters unvermutet ein fremder, schon älterer Mann - ein Mann in den Sechzigern - ihr die Tür öffnete, sie hereinließ und dabei leicht am Arm berührte. Leicht! Ist das nun das Salz auf der Haut? Dieser Männerarm war etwas Besonderes, er wies ihrem Leben noch an der elterlichen Haustür eine entschieden andere Richtung. Arie hieß der Alte und war ein Studienfreund des Vaters. Warum gerade der Türöffner die Flamme entfachte? So sah das Ja'ara: Hier stand auf der Schwelle eine männlich derbe Erscheinung, einnehmend, mit bestimmendem Tonfall, undurchsichtigem Blick, noch recht fest gebaut, mit groben Gesichtszügen und erregend schlanken Fingern. Begehren soll blind machen. Die junge Frau möchte den Alten haben. Warum? Weil sie Bruder Joni daheim sitzen hat, während sie sich einen Mann wünscht.
Das klingt ja schrecklich, und es wird daraus ein guter Roman. Das ist das Glück dieser Geschichte, dass Ja'ara an der Unmittelbarkeit der Liebe zweifeln muss, dass sie nicht einmal weiß, was das Begehren ist und dass daraus dann, als sie endlich etwas verstanden hat, als sie endlich davon erzählen kann, ihre "education sentimentale", ihr Liebesleben wird. Für Ja'ara stellt sich das so dar: Die geschwisterliche Liebe hier, das Begehren zwischen Mann und Frau dort. Das sind die Gefühle, in denen sich Ja'ara abwechselnd verheddert. Wäre nicht Arie aufgetaucht, sie wäre bei Joni geblieben. Hätte sie bei Joni nicht einen Mangel zugedeckt, sie hätte von Arie nicht die Erfüllung erhofft. Schicksal ist die Notwendigkeit, in Tautologien zu denken und zu handeln, in Begriffen und Gefühlen, die sich gegenseitig bedingen. Wer da nicht herauskommt, der kann sein Schicksal nur dann zurückweisen, wenn er sich selbst ablehnt. Mit beiden Händen aber greift sich Ja'ara das Schicksal von der Türschwelle, stiehlt sich aus ihrem gewohnten Dasein auf Stunden und Nächte weg, was nicht ohne Tränen und Vorwürfe einerseits, ohne Freuden und Jauchzern andererseits abläuft. Sie hat, wie der Camus'sche Mensch vor dem Absurden, etwas erfahren, was sich nicht mehr annullieren lässt. Halb zog er sie, halb sank sie hin: Auf jeden Fall fiel sie aus dem Rahmen.
Die Liebe und das Begehren, wenn man einmal diese nicht nur katholisch inspirierte Trennung aufrechterhalten möchte, sind ohne ihre Geschichte nicht zu haben. Davon erzählt Shalev, deswegen hat sie diesen Roman geschrieben. Die Liebe und das Begehren sind nicht einfach da, sondern sie werden. Und zwar dort, wo alles beginnt: in der Familie, dem Minenfeld der Beziehungen, auf dem man das Laufen lernen muss. Keiner weiß vorneweg, was seine Familie ist und was sie für ihn werden kann. Man kommt aus der Familie heil heraus, wenn man auf eigenen Füßen, unter dem Dach der eigenen Gedanken, hinter dem Schild der eigenen Seele steht. Und man bleibt - das kann Ja'ara, zwischen Joni und Arie, Jung und Alt, Bruder und Vater, ergänzen - ein Kind, solange man kein, solange man nicht sein ganz persönliches Liebesleben durchgemacht hat. Die Familie ist ein Netz, das einen auffangen, aber auch gefangenhalten kann. Vor allem ist sie, so zeigt es Zeruya Shalev, ein Muster aus erfüllten oder unerfüllten Lieben und also aus erlöstem oder unerlöstem Begehren, das sich einem von Kindesbeinen an auf die Haut - von wegen Salz! - und in die Seele drückt. Und das gilt auch für die Familie Ja'aras.
Die psychologisch interessante Geschichte dieser Familie muss hier nicht erzählt werden. Nur so viel: Arie ist darin stärker verwickelt, als es auf den ersten Blick erschien. Er kann wegen einer Kriegsverletzung aus jungen Jahren keine Kinder zeugen. Seine Frau, die schwanger von einem anderen Mann war, als sie ihn kennen lernte, trieb ihm zuliebe ab und zog ein kinderloses einem kinderreichen Leben vor. Er nimmt das Opfer an und geht, als Beweis seiner so genannten Männlichkeit, immer wieder zu anderen Frauen. Während Ja'ara mit Arie ins Bett steigt, liegt Aries Frau im Krankenhaus und starrt den Tod an. Macht denn Begehren egoistisch? Ja'ara kennt keine wirkliche Scheu, Arie lügt sich Treue in die Tasche. Die alte Liebe dämmert, das junge Begehren japst. Wer möchte Zurückhaltung üben, Mitleid, Nachsicht? Ja'ara, Arie? Beineschwingend triumphiert die matte Lust über die lahme Alte, der Trieb zu zweit über den Tod allein. Die sterbensstarke Frau hat vor den beiden keine Rechte mehr, am wenigsten offensichtlich auf ein wenig Wahrheit und auf das, was Julien Green, christlich umweht, die Liebe nannte, und sei es nur für die letzten ein, zwei Monate. Dass Ja'ara von dem Kerl endlich loskommt, hat sie auch dem Kerl zu verdanken, der sich keine Mühe macht, sie zu halten. Zu Joni rennt sie nicht mehr zurück. Sie lässt beide stehen. Sie wird sich selbst an der Hand nehmen, statt sich an Väterchen Aries schlanken Fingern geduckt durchs Leben ziehen zu lassen. Die Erlösung winkt: Bloß weg von der fraulich-schwesterlichen Neigung zu Joni und dem weiblich-kindlichen Begehren nach Arie.
Ja'ara lässt sich am Abend des großen Verlassens in der Universitätsbibliothek einschließen. Das ist kein Ausweg, aber ein Anfang aus dem Schlamassel. Denn Lesen hat schon oft geholfen, Schreiben auch - Julien Green wusste, dass seine Sinnlichkeit sich in die Literatur auflöste. Ja'ara selbst erzählt ihre Geschichte - in einem Ton, dem man die Zuversicht anhört, dass ein Mensch in diesem Geflatter und Gedröhne der Gefühle erwachsen wurde, raus aus den Kinderschuhen der Liebe kam. Kann denn Liebe Unglück sein? Sie kann, weil gerade sie, entgegen der landläufigen Vorstellung, nicht vom Himmel fällt, sondern ein Bodengewächs, ein lebenslanges und also auch ein früh sich bildendes Muster ist. Wer das nicht erfahren, wer das nicht verstanden hat, der hängt sich an die kindliche und kindische Vorstellung vom errettenden höllischen Begehren. Deswegen, weil dieses Buch, die Geschichte einer jungen Frau, davon handelt, warum die schönste ferne Nähe so kinderschwierig ist und einen unglücklich macht, muss man es auch den Familienroman eines Gefühls nennen: seit Monika Marons "Animale Triste" der psychologisch klügste und ehrlichste Roman über die Schlingpflanze Liebe.
Zeruya Shalev: "Liebesleben". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Mirjam Pressler. Berlin Verlag 2000. 368 S., geb., 39,80 DM.
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Ja´ara geht es gut. Die Dozentin an der Universität Jerusalem arbeitet an ihrer Promotion und hat in Joni einen liebevollen, wenn auch wenig aufregenden Ehemann. Ihr geregeltes Leben fällt zusammen wie ein Kartenhaus, als sie Arie trifft, den Schulfreund ihres Vaters. Vom ersten Augenblick an verfällt sie dem gefühlskalten Egozentriker, der ihre Hingabe annimmt, ohne sie zu erwidern. Mit seiner lieblosen Art, der mechanisch abgespulten Sexualität bildet er einen eigenartigen Gegensatz zu dem sanften, zärtlichen Joni. Ja´ara erträgt immer neue Demütigungen durch den Mann, von dem sie sich gleichsam abgestoßen und angezogen fühlt. Stück für Stück demontiert sie ihre bisherige Existenz. Warum? Ihr scheinbar unsinniges Handeln lässt den Leser diese Frage erst leise, dann immer lauter stellen. Bis man irgendwann an den Punkt kommt, an dem man schreien möchte: Tu´s nicht! Ja´ara reicht es nicht, die eigenen Grenzen zu überschreiten, sie muss sie niederreißen. Nicht für, sondern durch Arie befreit sie sich von einem Leben, das ihr selbst nicht mehr entspricht. Ein schmerzhafter Selbstfindungsprozess, den Zeruya Shalev in langen, atemlosen Sätzen von bildhaft schöner Sprache erzählt. (www.parship.de)
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
""Das klingt schrecklich, und es wird daraus ein guter Roman," befindet Eberhard Rathgeb, nachdem er zuvor versucht hat, einen Einblick in die Handlung zu geben. "Seit Monika Marons `Animale Triste` der klügste und ehrlichste Roman über die Schlingpflanze Liebe". Flüchtig werfen wir ein paar Blicke auf die vier liebesverstrickten Protagonisten. Aber dazwischen muss man sich immer wieder durch lange Ausführungen des Kritikers über die Liebe und das Begehren kämpfen. Zum Beispiel: "wie das Camussche Absurde einen Menschen eckenhart umhaut, so entriegelt ihn das Begehren". .... oder "Die alte Liebe dämmert, das junge Begehren japst". Wir auch.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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»Ich bewundere die israelische Bestsellerautorin Zeruya Shalev. Ihre Sprache ist atemlos, fast wie ein Rauscherlebnis - Dialoge jagen Monologe, brechen in Erzählsituationen ein. Ihre Figuren berühren und verstören den Leser zugleich.« Margarita Kinstner Maxi 20140201