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Nachrichten vom Schlachtfeld Liebe: Paare von heute auf der Suche nach dem wahren, tiefen Gefühl.
»Sollen wir es lassen?« fragt er. Nora schüttelt den Kopf. »Jetzt sind wir doch fast da.« Eigentlich hat Fred sich vorgestellt, an diesem Abend nur eine weitere Perle aus dem uferlosen Angebot zu picken, das dieses verlotterte Fin de Siècle ihm und all seinen gierigen, genußsüchtigen und verlorenen Zeitgenossen bietet. Doch allmählich dämmert ihm, daß dieser Besuch in einem Swinger-Club schwer verdaulich sein könnte ...
Nora und Fred sind seit fünf Jahren verheiratet. Ihre frühere
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Produktbeschreibung
Nachrichten vom Schlachtfeld Liebe: Paare von heute auf der Suche nach dem wahren, tiefen Gefühl.

»Sollen wir es lassen?« fragt er. Nora schüttelt den Kopf. »Jetzt sind wir doch fast da.« Eigentlich hat Fred sich vorgestellt, an diesem Abend nur eine weitere Perle aus dem uferlosen Angebot zu picken, das dieses verlotterte Fin de Siècle ihm und all seinen gierigen, genußsüchtigen und verlorenen Zeitgenossen bietet. Doch allmählich dämmert ihm, daß dieser Besuch in einem Swinger-Club schwer verdaulich sein könnte ...

Nora und Fred sind seit fünf Jahren verheiratet. Ihre frühere Leidenschaft ist einer kultivierten Langeweile gewichen, der Liebesalltag verlangt nach unverbrauchter Erotik. Kaum anders ergeht es ihren neuen Freunden Christa und Robert. Auf beunruhigende Weise kommen die vier einander näher.
Autorenporträt
Ulrich Woelk, 1960 geboren, in Köln aufgewachsen, studierte in Tübingen Physik und promovierte 1991 an der TU Berlin, wo er bis 1994 als Astrophysiker tätig war. Literarische Arbeiten seit den 1980er Jahren; »Aspekte«-Literaturpreis für das Debüt 'Freigang' (1990). Seither erschienen Romane, Erzählungen, Theaterstücke. Der Roman 'Die letzte Vorstellung' wurde mit Heino Ferch und Nadja Uhl für das ZDF verfilmt ('Mord am Meer'). Ulrich Woelk lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2001

Leise ächzen meine Stufen, durch die Nacht zu viert
Unglückliche Inneneinrichtung: Ulrich Woelks Paare vermöbeln sich und erleiden Schiffbruch in der Edelstahlspüle · Von Friedmar Apel

Mit den "Wahlverwandtschaften" hat Goethe das Muster eines Romantyps geschaffen, der von Fontane über Thomas Mann bis zu Heißenbüttel jeweils in kritischer Distanz zur eigenen Zeit erneuert werden konnte. Der Vorwurf der Trennung und Verbindung von Liebenden liefert dabei lediglich den Anlaß zu der Frage, wie es in der Moderne um die Beziehungen der Menschen bestellt ist, wie die Dialektik von Sinnlichkeit und Sittlichkeit, Naturgebundenheit und menschlicher Freiheit sich im privaten Raum und auf dem Schauplatz des Gesellschaftlichen darstellt. Die Ehe ist dabei der Modellfall. Neben der Beschreibung der raum-zeitlichen Verhältnisse ist in solchen Romanen daher das Gespräch essentiell. Der Erzähler nähert sich dem Dramatiker, indem er Aussprache stiftet.

Von Goethe bis Thomas Mann bewährte sich das Muster auch in der ironischen Brechung noch als Analyseinstrument der Bewußtseinslage einer gebildeten deutschen Oberschicht, in Heißenbüttels Intellektuellenroman "D'Alemberts Ende" gelang die tradierte Darstellung der Charaktere allerdings nur noch im satirisch verzeichnenden Zitat. Ulrich Woelks mehr oder minder intellektuelle Personen sind nunmehr vollends Zitate, aber aus der Welt des Kinos und der Fernsehserien. Der korrumpierte Fred ist Autor und Produzent der Dauerserie "Wo die Liebe hinfällt", seine affektierte Frau Nora Germanistin; der zynische Robert ist Schriftsteller, der ziemlich verschmockte Erotik produziert, seine gemäßigt feministische Christa Pharmazeutin, die aber jetzt Öffentlichkeitsarbeit bei Daimler macht. Durch ein Motto von Peter Sloterdijk erfährt der Leser gleich, daß die plakativ wohlsituierten Menschen mit einem unglücklichen Bewußtsein ausgestattet werden.

Dieses entfaltet sich in eigens dafür hergerichteten und ausgeleuchteten Räumen. Wenn sich Fred und Nora nicht ohne Zagen zu einem Swinger-Club begeben, scheint das Interieur Anteil zu nehmen: "Das Treppenhaus, alt und stuckverziert, umhüllt den Besucher mit zartem, honigfarbenen Glühbirnenlicht. Marmor, Holzpaneele und Bleiglasintarsien säumen den Anstieg bis zum Hochparterre, und filigran gedrechselte Stützpfeiler mit Wespentaillen tragen den Handlauf des Eichengeländers. Doch nach dem ersten Stockwerk verliert sich ein Teil dieser herrschaftlichen Pracht, und der Aufgang verwandelt sich in eine gewöhnliche, mit Linoleum belegte Holztreppe, deren Stufen selbst unter dem damenhaften Druck von Noras schlanken Stöckelschuhen leise ächzen."

Als sei der Urgrund aller Erotik im Möbel verborgen, setzt der Erzähler seinen ganzen Ehrgeiz in die anthropomorphe Beschreibung von Inneneinrichtung und Ambiente. Wenn Christa wieder einmal unbefriedigt ins Bett muß, wissen es die Dinge schon: "Die Schlafzimmertür treibt heran, die Klinke ist kalt. Messing fingerdick." Im Verlaufe erweist sich der Erzähler als ein Meister des möbeltechnischen Fachbegriffs und des schmückenden sinnlichen Beiworts. Sein Handwerk scheint er beim Studium von Ikea-Katalogen erlernt zu haben. Da gibt es "die elfenbeinfarbene Atmosphäre" eines Wohnzimmers und ein "Venusberg-Boudoir", das sich "mit einem cognacfarbenen Gegenlichtschimmer überzogen hat". "Transparente oder getönte Kristallglasschälchen in der Form von geöffneten Blüten oder gewölbten Blättern" wirken trotz der Füllung mit Käsecrackern einladend, und auch "in einem zarten Hautton gekachelte Badezimmer" reflektieren die Lust.

Des direkten Vergleichs mit erogenen Zonen bedarf es dabei eigentlich nicht, aber auch der wird barock ausgeführt: "Ihre Hüften müssen sein wie ein luftig aufgeklopftes Federkissen, in dessen Mitte man mit einem sanften Handkantenschlag zur Dekoration eine Kerbe gepufft hat." Umgekehrt weiß der Leser durch die Beschreibung, wo Erotik sich vermutlich nicht einstellen wird, nämlich bei "sauberen, etwas wächsern anzufassenden Sitzflächen der Stühle". Da wird das Möbel zum Emblem des Trennenden: "Das Bett mit seiner kühlen Futon-Ästhetik steht unberührt zwischen ihnen." Gleichwohl kann auch eine Edelstahlküche zum Schauplatz des Begehrens werden. Der Blick in die Spüle zeitigt manchmal ungeahnte Folgen: "Im stillen See des Waschbeckens und auf den präzisen Wellen der Nirosta-Dünung treiben Holzbestecke und gelbe Reisreste." Solche Marine-Metaphorik überträgt sich: "Ihr einteiliges knielanges Kleid ist aus einem taubenblauen Leinenmaterial gefertigt, das sich . . . straff wie ein windgefülltes Segel um ihre Pobacken und Oberschenkel legt." Da möchte der Mann natürlich in See stechen, obwohl "ihre Strümpfe im Farbton der Süßkartoffelschalen" im Bioeimer gehalten sind.

Gespräche gibt es dem Formgesetz entsprechend natürlich auch. Bei Vernaccia di San Giminiano plappern die Personen meist dummes Zeug, auch ihre Sätze wirken wie Illustrierten-Zitate. Woelk scheint seine Zunft nicht sehr zu mögen, denn den größten Blödsinn erzählt der Schriftsteller: "Es wird bald eine Globalisierung der Gene geben, in der Sex wie eine mittelalterliche Fortpflanzungspraxis erscheint, eine Technik so überkommen wie pflügen. Und gegen die neuen virtuellen Online-Befriedigungen wird Sex sowieso grenzenlos langweilig sein. Der Homo Sapiens ist ein Auslaufmodell, wir gehören der Vergangenheit an." Und was er der Germanistin liebelnd über das Schreiben erzählt, würde Breton noch im Grabe schütteln: "Alles, was ich schreibe, entsteht unbewußt. Man darf nicht versuchen, die Dinge zu kontrollieren." Die Philosophie der Öffentlichkeitsarbeiterin fällt freilich auch nicht klüger aus: "Alle glücklichen Menschen sind davon überzeugt, daß es noch etwas hinter den Dingen gibt." Darauf entgegnet Fred: "Alle unglücklichen auch." Solche Lakonik wünscht sich der Leser vom Erzähler vergeblich. Am Ende werden Fred und Nora lebensphilosophisch und sinnlich und poetisch. Da ist es gar nicht mehr so schlimm, daß Männer und Frauen "gewisse Dinge" verschieden sehen. "Man muss nur die Augen weit öffnen, muss hören, riechen und sehen: das graue Samtgewebe des Meeres, immer in Bewegung und doch immer gleich; das Rätsel der Zeit." Und was der Platitüden mehr sind.

"Die Menschen wollen unterhalten sein, während das Schiff absäuft", schwafelt Fred, der Bewunderer des Titanic-Schmachtfetzens. Auch Ulrich Woelk wollte offenbar einen unterhaltsamen Roman schreiben und gleichzeitig einen Kommentar zur durchschnittlichen Lage der Liebe bei halbdummen Menschen abgeben. Das ist im einzelnen ganz lustig, in der Wiederholung wird es immer fader. Die Mimesis an die Massenmedien, so sorgfältig sie auch gearbeitet und so satirisch sie gemeint sein mag, ist ein zwiespältiges Unterfangen: Dummheit färbt ab. So ist in diesem Fall nur ein halbgewitztes und damit halbdummes Buch dabei herausgekommen, und das ist eher ein Kommentar zur Lage der durchschnittlichen deutschen Gegenwartsliteratur.

Ulrich Woelk: "Liebespaare". Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2001. 447 S., geb., 44,90 DM.

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"Ein Meilenstein neuen deutschen Erzählens." SpiegelReporter

"In immer neuen Versuchsanordnungen betrachtet Ulrich Woelk seine Figuren [...]. Fast alle ihrer Begegnungen müsste man wohl als intim bezeichnen, doch Berührungen der Seelen bleiben die große Ausnahme - und die große Sehnsucht." Christina Rademacher in den 'Salzburger Nachrichten'

"Wohl dosiert, mit einem Schuss Situationskomik und Ironie erzählt Ulrich Woelk mit der Neugier des teilnehmenden Beobachters vom Beziehungsalltag seiner Generation." Detlef Grumbach in der 'Berliner Zeitung'