Richard Strauss (1864–1949), der Komponist groß besetzter Opern und Tondichtungen, schrieb zeitlebens Lieder. Kleine Liedkompositionen sind es, die sein Gesamtwerk über eine Spanne von 78 Jahren einrahmen: das Weihnachtslied aus dem Dezember 1870 (der zweite Eintrag im chronologischen Strauss-Werkverzeichnis überhaupt) und das Lied Malven aus dem November 1948 (die letzte Komposition, die Strauss vollendete). Strauss’ Liedschaffen umfasst Klavierlieder, genuine Orchesterlieder und nachträgliche Orchestrierungen von Klavierliedern. So, wie Strauss seine Opern und Orchesterwerke oft selbst dirigierte, führte er auch seine Lieder öffentlich auf, als Klavierbegleiter und als Dirigent. In seinen Konzerten verband er Lieder dabei auch mit größeren Werken, wie es damaliger Konzertpraxis entsprach: Dass am selben Abend sowohl Tondichtungen als auch Lieder auf dem Programm standen, war keine Seltenheit. Die Musikverlage verbreiteten Strauss-Lieder in aller Welt: Neben den Erstdrucken, die bei den frühen Liedpublikationen nur in originaler Stimmlage erschienen und in der Regel nur den deutschen Originaltext enthalten, finden sich Ausgaben für andere Stimmlagen, Ausgaben mit zusätzlichem englischem Text, des Weiteren französische, italienische, russische Übersetzungen. Liedbearbeitungen (etwa rein instrumentale Klavierbearbeitungen von Max Reger und Walter Gieseking), Arrangements und Orchestrierungen durch andere Komponisten sowie Liederalben, in denen Strauss-Lieder opusübergreifend zusammengestellt sind, ergänzen das vielfältige Angebot. Dass Strauss bis heute einer der meistaufgeführten Komponisten ist, hat nicht nur mit den Opern und Tondichtungen, sondern auch mit seinen Liedern zu tun – wobei hier die besonders populären Hits vorherrschen. Einige davon sind in diesem Band enthalten: Zueignung op. 10 Nr. 1, Nichts op. 10 Nr. 2, Die Nacht op. 10 Nr. 3, Allerseelen op. 10 Nr. 8, Ständchen op. 17 Nr. 2, Ruhe, meine Seele! op. 27 Nr. 1, Cäcilie op. 27 Nr. 2, Heimliche Aufforderung op. 27 Nr. 3, Morgen! op. 27 Nr. 4, Traum durch die Dämmerung op. 29 Nr. 1.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Michael Stallknecht freut sich über die ersten beiden Bände der kritischen Gesamtausgabe der Werke von Richard Strauss. Der Rezensent wundert sich zwar, dass die Ausgabe derart spät erscheint, hofft aber, dass die Edition dazu beiträgt, das Bild des "konservativen Komponisten", der sich ganz der Publikumsgunst verschrieb, zu revidieren. Ohnehin erlebt Stallknecht Strauss in den von der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität herausgegebenen ersten Bänden zunächst den avantgardistischen "jungen Revolutionär", der nicht viel auf Autoritäten gab: Dank der hier abgedruckten zweiten und dritten Fassungen von "Macbeth" kann der Kritiker dem Komponisten geradezu beim Lernen zusehen. Dass mit dieser Werkausgabe eine Onlineplattform eingerichtet wurde, die etwa Kritiken zu den Uraufführungen, Korrespondenzen oder den gesamten kritischen Bericht zu den Bänden bietet, ist laut Stallknecht ein großer Gewinn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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