Liesl Karlstadt (1892 -1960), bekannt als kongeniale Partnerin Karl Valentins, war eine der eigenwilligsten Performerinnen der Theatergeschichte. Ihr Rollenspektrum scheint keiner Einschränkung unterworfen zu sein, nicht einmal der von Alter und Geschlecht. Ihre ganz besondere Vorliebe galt dabei skurillen Männerfiguren: der Kapellmeister, der Firmling und der Vorstadtstrizi gehören zu ihren Paraderollen.
Gekonnt fügt Gunna Wendt Momentaufnahmen eines Künstlerlebens zusammen: die ärmliche Kindheit, die künstlerischen Anfänge als Soubrette, die Zusammenarbeit mit Karl Valentin, die Blütezeit der Karriere in den 1920er Jahren, die fundamentale Lebenskrise Mitte der 1930er Jahre und die unglaubliche Aussteigergeschichte, die sie Anfang der 1940er Jahre als Mulitreiberin unter Gebirgsjägern auf der Ehrwalder Alm in Tirol realisierte. Gunna Wendt zeichnet die Fluchtlinien auf, die Liesl Karlstadt mit Phantasie, Talent, Humor und höchstem existenziellen Einsatz zu ihrer Befreiung entwickelte - auf der Bühne und im Leben.
Das alles geschieht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. So vermittelt sich über das individuelle Schicksal ein Stück allgemeiner Zeitgeschichte.
Gekonnt fügt Gunna Wendt Momentaufnahmen eines Künstlerlebens zusammen: die ärmliche Kindheit, die künstlerischen Anfänge als Soubrette, die Zusammenarbeit mit Karl Valentin, die Blütezeit der Karriere in den 1920er Jahren, die fundamentale Lebenskrise Mitte der 1930er Jahre und die unglaubliche Aussteigergeschichte, die sie Anfang der 1940er Jahre als Mulitreiberin unter Gebirgsjägern auf der Ehrwalder Alm in Tirol realisierte. Gunna Wendt zeichnet die Fluchtlinien auf, die Liesl Karlstadt mit Phantasie, Talent, Humor und höchstem existenziellen Einsatz zu ihrer Befreiung entwickelte - auf der Bühne und im Leben.
Das alles geschieht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. So vermittelt sich über das individuelle Schicksal ein Stück allgemeiner Zeitgeschichte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2007Das Allermeiste von Karl und Liesl
Ein kritischer Überblick der Jubiläumsneuerscheinungen
Gedenktage bieten die schöne Möglichkeit, eine bekannte Persönlichkeit aus unterschiedlichen Positionen wieder neu zu beleuchten – oder auch einfach nur, sich mit deren Werk zu beschäftigen. Im Falle von Karl Valentin hat das für den Leser durchaus erfreuliche Folgen. Die Fülle der Neuerscheinungen und Wiederveröffentlichungen zeigt vor allem mal eines: Wie vielseitig Karl Valentin als Künstler und als Mensch gewesen ist.
Zu den besten Auswirkungen der Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag zählt sicher, dass seine Werke wieder neu aufgelegt wurden. Hat man die Gesamtausgabe bisher nur mit sehr viel Glück antiquarisch (oder in versprengten Einzelbänden auf der Auer Dult) bekommen, so wird der Valentin-Fan nun durch den Piper-Verlag erlöst, der die von Helmut Bachmaier und Manfred Faust 1992 herausgegebenen „Sämtlichen Werke in neun Bänden” in einer Kassette neu veröffentlicht hat – und das zum recht zivilen Preis von 69,90 Euro. Natürlich handelt es sich da um einen unveränderten Nachdruck, und einige neuere Forschungsergebnisse und kleinere Manuskriptfunde aus jüngerer Zeit blieben logischerweise unberücksichtigt. So hat man da zwar nur fast den „ganzen Valentin” versammelt, aber doch schon das Allermeiste. Die paar Texte, die fehlen, sind im besten Fall wohl nur für Fachleute interessant. Der gemeine Leser hingegen dürfte angesichts der neueren Funde sowieso nur mit Gerhard Polt fragen: „Braucht’s des?!” Richtig, das braucht es eigentlich nicht. In der Werkausgabe ist auf rund 4000 Seiten genug Stoff enthalten, um nahezu alle Facetten des Valentinschen Schaffens kennenzulernen.
Dass er sich darin auskennt, hat der Münchner Autor Alfons Schweiggert schon zur Genüge und mit mehreren Veröffentlichungen bewiesen. In seinem hübschen biographischen Bilderbogen „Karl Valentin – Der Münchnerischste aller Münchner” (der Untertitel ist einem Zitat von Oskar Maria Graf entnommen) unternimmt er nun den Versuch, die verschiedenen Bezüge zum Theater, zum Film, zur bildenden Kunst, zur Musik, zur Literatur und zu weiteren Disziplinen darzustellen. Das Buch ist flott geschrieben und gut aufbereitet. Manchmal freilich schimmert beinahe so etwas wie Heiligenverehrung durch, und das ist dann vielleicht doch etwas zu viel des Guten. (München Verlag, 144 Seiten, 16,80 Euro)
Wesentlich sachlicher kommt eine andere Neuerscheinung daher, und überhaupt: Wer auf dem neuesten Stand sein möchte, dem sei Monika Dimpfls Biographie mit dem knappen Titel „Karl Valentin” wärmstens empfohlen (Deutscher Taschenbuch Verlag, 14,50 Euro). Dimpfl hat das Leben und das Werk Karl Valentins akribisch und mit großem Faktenreichtum nachgezeichnet und sozusagen nichts ausgelassen. Auch neuere Textfunde finden Eingang in ihre Darstellung, und selbst, wer sich schon für einen passablen Valentin-Kenner hält, wird doch eine Reihe Neuigkeiten erfahren. Sicher nichts, was das Bild, das man bisher von ihm hatte, radikal in Frage stellt, dafür eher Anekdotisches.
Monika Dimpfl kam es erkennbar darauf an, so nah wie möglich an den historischen Tatsachen zu bleiben und wenig eigene Interpretation einfließen zu lassen. Ihre Biographie ist gründlich und verrät die gelernte Literaturwissenschaftlerin. Das ist einerseits ein sehr lobenswerter Ansatz. Andererseits aber wünscht man sich bei der Lektüre gelegentlich ein bisschen mehr Fleisch an diesem eh schon mageren Menschen, der da beschrieben wird. Auch wenn es, beispielsweise, von Valentin praktisch kaum Verwertbares gibt über seine merkwürdige Ehe und die jahrzehntelang andauernde Liebesbeziehung zur Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt – in einer Lebensbeschreibung sollten solche existenziell prägenden Lebensumstände vielleicht doch etwas ausführlicher behandelt werden.
Etwas näher an den Menschen Valentin kommt man auf Umwegen heran. Zum Beispiel über den biographischen Essay „Liesl Karlstadt – Münchner Kindl und Travestie-Star” von Gunna Wendt, der im kleinen Berliner Verlag Edition Ebersbach erschienen ist (127 Seiten, 14 Euro). Die tragische Lebensgeschichte der Partnerin Valentins ist für sich allein schon lesenswert. Ganz nebenbei erfährt man aber auch Vieles über den Menschen und Künstler Karl Valentin.
Am unterhaltsamsten ist aber doch immer wieder das Original, und das findet sich im Falle Karl Valentins (und Liesl Karlstadts!) halt doch nicht so sehr auf Buchseiten. Deshalb ist es besonders schön, dass der Hörverlag jetzt unter dem Titel „Karl Valentin – Im Besonderen” eine Kassette mit fünf CDs herausgebracht hat, der die erhaltenen Tonaufnahmen in die fünf Kategorien „Wahrhaftige Weltbetrachtung”, „Gesundheit”, „Frauen”, „Musik” und „Sprachliche Wirrungen” gliedert. Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Kurzfassung der vor fünf Jahren erschienenen Valentin-Gesamtausgabe auf acht CDs, die bei Trikont erschienen ist, und enthält alles von Valentin/Karlstadt, was man immer wieder gerne hört. (49,95 Euro, die CDs sind auch einzeln erhältlich). FRANZ KOTTEDER
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Ein kritischer Überblick der Jubiläumsneuerscheinungen
Gedenktage bieten die schöne Möglichkeit, eine bekannte Persönlichkeit aus unterschiedlichen Positionen wieder neu zu beleuchten – oder auch einfach nur, sich mit deren Werk zu beschäftigen. Im Falle von Karl Valentin hat das für den Leser durchaus erfreuliche Folgen. Die Fülle der Neuerscheinungen und Wiederveröffentlichungen zeigt vor allem mal eines: Wie vielseitig Karl Valentin als Künstler und als Mensch gewesen ist.
Zu den besten Auswirkungen der Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag zählt sicher, dass seine Werke wieder neu aufgelegt wurden. Hat man die Gesamtausgabe bisher nur mit sehr viel Glück antiquarisch (oder in versprengten Einzelbänden auf der Auer Dult) bekommen, so wird der Valentin-Fan nun durch den Piper-Verlag erlöst, der die von Helmut Bachmaier und Manfred Faust 1992 herausgegebenen „Sämtlichen Werke in neun Bänden” in einer Kassette neu veröffentlicht hat – und das zum recht zivilen Preis von 69,90 Euro. Natürlich handelt es sich da um einen unveränderten Nachdruck, und einige neuere Forschungsergebnisse und kleinere Manuskriptfunde aus jüngerer Zeit blieben logischerweise unberücksichtigt. So hat man da zwar nur fast den „ganzen Valentin” versammelt, aber doch schon das Allermeiste. Die paar Texte, die fehlen, sind im besten Fall wohl nur für Fachleute interessant. Der gemeine Leser hingegen dürfte angesichts der neueren Funde sowieso nur mit Gerhard Polt fragen: „Braucht’s des?!” Richtig, das braucht es eigentlich nicht. In der Werkausgabe ist auf rund 4000 Seiten genug Stoff enthalten, um nahezu alle Facetten des Valentinschen Schaffens kennenzulernen.
Dass er sich darin auskennt, hat der Münchner Autor Alfons Schweiggert schon zur Genüge und mit mehreren Veröffentlichungen bewiesen. In seinem hübschen biographischen Bilderbogen „Karl Valentin – Der Münchnerischste aller Münchner” (der Untertitel ist einem Zitat von Oskar Maria Graf entnommen) unternimmt er nun den Versuch, die verschiedenen Bezüge zum Theater, zum Film, zur bildenden Kunst, zur Musik, zur Literatur und zu weiteren Disziplinen darzustellen. Das Buch ist flott geschrieben und gut aufbereitet. Manchmal freilich schimmert beinahe so etwas wie Heiligenverehrung durch, und das ist dann vielleicht doch etwas zu viel des Guten. (München Verlag, 144 Seiten, 16,80 Euro)
Wesentlich sachlicher kommt eine andere Neuerscheinung daher, und überhaupt: Wer auf dem neuesten Stand sein möchte, dem sei Monika Dimpfls Biographie mit dem knappen Titel „Karl Valentin” wärmstens empfohlen (Deutscher Taschenbuch Verlag, 14,50 Euro). Dimpfl hat das Leben und das Werk Karl Valentins akribisch und mit großem Faktenreichtum nachgezeichnet und sozusagen nichts ausgelassen. Auch neuere Textfunde finden Eingang in ihre Darstellung, und selbst, wer sich schon für einen passablen Valentin-Kenner hält, wird doch eine Reihe Neuigkeiten erfahren. Sicher nichts, was das Bild, das man bisher von ihm hatte, radikal in Frage stellt, dafür eher Anekdotisches.
Monika Dimpfl kam es erkennbar darauf an, so nah wie möglich an den historischen Tatsachen zu bleiben und wenig eigene Interpretation einfließen zu lassen. Ihre Biographie ist gründlich und verrät die gelernte Literaturwissenschaftlerin. Das ist einerseits ein sehr lobenswerter Ansatz. Andererseits aber wünscht man sich bei der Lektüre gelegentlich ein bisschen mehr Fleisch an diesem eh schon mageren Menschen, der da beschrieben wird. Auch wenn es, beispielsweise, von Valentin praktisch kaum Verwertbares gibt über seine merkwürdige Ehe und die jahrzehntelang andauernde Liebesbeziehung zur Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt – in einer Lebensbeschreibung sollten solche existenziell prägenden Lebensumstände vielleicht doch etwas ausführlicher behandelt werden.
Etwas näher an den Menschen Valentin kommt man auf Umwegen heran. Zum Beispiel über den biographischen Essay „Liesl Karlstadt – Münchner Kindl und Travestie-Star” von Gunna Wendt, der im kleinen Berliner Verlag Edition Ebersbach erschienen ist (127 Seiten, 14 Euro). Die tragische Lebensgeschichte der Partnerin Valentins ist für sich allein schon lesenswert. Ganz nebenbei erfährt man aber auch Vieles über den Menschen und Künstler Karl Valentin.
Am unterhaltsamsten ist aber doch immer wieder das Original, und das findet sich im Falle Karl Valentins (und Liesl Karlstadts!) halt doch nicht so sehr auf Buchseiten. Deshalb ist es besonders schön, dass der Hörverlag jetzt unter dem Titel „Karl Valentin – Im Besonderen” eine Kassette mit fünf CDs herausgebracht hat, der die erhaltenen Tonaufnahmen in die fünf Kategorien „Wahrhaftige Weltbetrachtung”, „Gesundheit”, „Frauen”, „Musik” und „Sprachliche Wirrungen” gliedert. Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Kurzfassung der vor fünf Jahren erschienenen Valentin-Gesamtausgabe auf acht CDs, die bei Trikont erschienen ist, und enthält alles von Valentin/Karlstadt, was man immer wieder gerne hört. (49,95 Euro, die CDs sind auch einzeln erhältlich). FRANZ KOTTEDER
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