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Nedra und Viri führen zusammen mit ihren Kindern ein privilegiertes und gesellschaftlich erfülltes Leben in einem schönen alten Haus in der Nähe von New York. Freunde und Verwandte beneiden sie ihrer materiellen Unabhängigkeit, ihrer künstlerischen Begabungen und vor allem ihrer intakten Ehe wegen. Doch der äußere Schein trügt. Das Paar lebt in einer Beziehung, die nicht mehr als harmonisch bezeichnet werden kann.

Produktbeschreibung
Nedra und Viri führen zusammen mit ihren Kindern ein privilegiertes und gesellschaftlich erfülltes Leben in einem schönen alten Haus in der Nähe von New York. Freunde und Verwandte beneiden sie ihrer materiellen Unabhängigkeit, ihrer künstlerischen Begabungen und vor allem ihrer intakten Ehe wegen. Doch der äußere Schein trügt. Das Paar lebt in einer Beziehung, die nicht mehr als harmonisch bezeichnet werden kann.
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Autorenporträt
James Salter authored numerous books, including the novels All That Is,  Solo Faces, Light Years, A Sport and a Pastime, The Arm of Flesh (revised as Cassada), and The Hunters; the memoirs Gods of Tin and Burning the Days ; the collections Dusk and Other Stories, which won the 1989 PEN/Faulkner Award, and Last Night, which won the Rea Award for the Short Story and the PEN/Malamud Award; and Life Is Meals: A Food Lover’s Book of Days, written with his wife, Kay Salter. He died in 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.1998

Charmantes Unglück
James Salters Roman "Lichtjahre" · Von Hubert Spiegel

James Salter ist ein furchtloser Erzähler. Er hat einen Hang zu mißlungenen Sätzen und schiefen Bildern. Er neigt zum Klischee und ist von einschüchternder Ausdauer, wenn es darum geht, seine Figuren in immer neuen Anläufen zu beschreiben. Besonderen Ehrgeiz legt er in die Beschreibung von Frauen. Das klingt zum Beispiel so: "Seine Frau war eine einsame Stute auf einer Weide. Sie wartete auf den Wahnsinn und graste ihr Leben dahin". Oder so: "Sie war intelligent, das war das Besondere an ihr. Sie konnte Dinge aufnehmen, verstehen. Unter ihrem Kleid hatte sie, wie er wußte, nichts an; deBeque hatte ihm das erzählt." James Salter ist von einer Furchtlosigkeit, die von Skrupellosigkeit nicht immer leicht zu unterscheiden ist.

"Lichtjahre" gehört zu den erfolgreichsten Romanen der letzten Zeit. Die deutsche Literaturkritik wollte in diesem Buch, das erst ein knappes Vierteljahrhundert nach seinem ersten Erscheinen ins Deutsche übersetzt wurde, nahezu einhellig ein "Meisterwerk" erkennen und hat seinen Autor, der 1925 als Sohn eines Ingenieurs und Grundstücksmaklers in einem der besseren Viertel New Yorks geboren wurde, als späte Entdeckung gefeiert. Der Roman soll "kühl und klar" sein wie "ein Vorfrühlingstag in Vermont", aber auch "lyrisch und bildhaft"; "elegisch" ebenso wie "lakonisch", "bilderflirrend" und "präzise". Salter ist von der deutschen Kritik gepriesen worden für "immer neue Bilder und Vergleiche, die einen in die Knie zwingen" und für die Kunstfertigkeit, mit der er seine Figuren als Teile der Natur zeigt, die sie umgibt. Im Roman liest sich das zum Beispiel so: "Ihr Haar duftet nach Blumen. Der Tag ist windstill. Die Sonne steht noch unklar im Dunst, der Fluß glänzt von Licht".

Man liest dieses Buch über viele Seiten mit gesträubten Nackenhaaren. Mitunter ziehen einem Salters Sätze den Mund zusammen wie Zitronensaft, dann wieder rufen einzelne Passagen jene klebrige Trockenheit des Gaumens hervor, die übermäßiger Genuß von Schokolade oder Konfekt hinterläßt. Tatsächlich ist dieser Roman wohl am ehesten mit einem Konfekt zu vergleichen, das alles zugleich sein soll: süß und bitter, leicht und schwer, flüchtig und intensiv. Das kann nur eine Geschenkpackung leisten.

"Lichtjahre" oder "Leichte Jahre", wie die Übersetzung des Originaltitels "Light Years" auch lauten könnte, ist 1975 in den Vereinigten Staaten erschienen. Der Roman hat sich kaum verkauft, vielleicht weil er zur falschen Zeit erschien. Er spielt in den Jahren zwischen 1958 und 1977 und schildert den Zerfall einer Ehe, die als Musterehe gilt und es zunächst auch ist: Viri, eigentlich Vladimir, Architekt und Nachkomme russischer Einwanderer, und Nedra, eine aus der Heimat geflohenene Kleinstadtschönheit, leben in einem wunderschönen alten Haus in der Nähe New Yorks. Sie haben zwei intelligente, hübsche Töchter, einen gutmütigen Hund, dessen braunes Fell des Morgens das "brennende Licht" der amerikanischen Ostküste "trinkt" und viele Freunde, die warmherzig, geistreich und zuverlässig sind und gerade soviel Neid zeigen, wie man an seinen Freunden schätzt. So geht es etliche Jahre, in denen Nedra ein Verhältnis mit einem libanesischen Hausfreund hat und Viri eine nicht sehr lang andauernde Affäre mit seiner Sekretärin.

Die Kinder werden größer, die Träume, ein bedeutender Architekt zu werden, verblassen, Viris Haar wird schütter, Nedra bekommt Fältchen um die Augen. Aber im Grunde ändert sich nichts an diesem Ostküsten-Idyll. Die Kinder bleiben wohlgeraten, die Freunde geistreich und zuverlässig, man kann nicht einmal sagen, daß sich Viri und Nedra auseinandergelebt hätten. Anders als viele seiner amerikanischen Schriftstellerkollegen, die schöne Mittelstandsfassaden errichten, um darin Leere, Lügen und Heuchelei hausen zu lassen, hat Salter für Nedra und Viri ein solides Haus mit massiven Mauern gebaut, hinter denen keine schäbigen kleinen Geheimnisse bewahrt werden und nichts Böses vorgeht. Nichts hat sich im Laufe ihrer Ehe zwischen Nedra und Viri gedrängt. Fast nichts, außer der Zeit. Und so lautet die einzige Erkenntnis, die Folgen für ihr Leben hat, daß vor dem Alter nur die Jugend schützt, die ihnen mit jedem Tag entflieht.

Der Roman beschreibt, wie das bloße Vergehen der Zeit eine Familie zerstört. Es ist die Angst vor dem Abschied von der eigenen Jugend, die Nedras und Viris Glück brüchig werden läßt. Wo früher Träume, Lebensentwürfe, Hoffnungen und Pläne waren, sind plötzlich Erinnerungen, ist Vergangenheit und die matte Hoffnung, sie in die Zukunft verlängern zu können. So wird ein Leben plötzlich klein und in den Augen derer, die es leben sollen, überschaubar, unscheinbar, wertlos. Beschrieben wird dieser Vorgang, als ereigne sich all dies beiläufig und doch mit der tragischenWucht des Unausweichlichen. Auf das Sommerglück in Vollmilch folgt die Herbsttragödie in Edelzartbitter.

Salter zeigt seine Figuren gern in Naturzusammenhängen. Er läßt sie den Wind und die Sonne spüren, sie riechen das Meer und die Bäume, und sie erscheinen, wie Nedra, mitunter selbst als "Wald", als pflanzenhaft. Aber hinter dem scheinbaren Einklang mit der Natur verbirgt sich die Rebellion gegen ihre Ordnung. Man könnte dies als Kritik an einer Zeit verstehen, die die Rückkehr zur Natur propagierte und den Genuß sogenannter einfacher Freuden meinte. Aber es ist nicht leicht zu sagen, ob Salter überhaupt irgend etwas kritisieren will.

Der Roman spielt überwiegend in den sechziger und siebziger Jahren, ständig wird der Leser auf dem laufenden gehalten, wie alt Nedra oder ihre Kinder gerade sind, wie schütter Viris Haar oder wie grau die Schnauze des Hundes mittlerweile geworden ist. Aber kaum einmal versteht sich Salter zu einem Hinweis auf das Vergehen der äußeren Zeit: Vietnam-Krieg, Bürgerrechtler, Feminismus und Emanzipationsbewegung, Hippie-Kultur, Esoterikwelle und dergleichen mehr - all dies findet nur in Andeutungen seinen Niederschlag. Der Autor enthält sich jeder Zeit-, Moral- oder Gesellschaftskritik. Und hierin ist wohl der Grund zu suchen, weshalb der Roman bei seinem Erscheinen keinen Erfolg hatte, obwohl die emanzipierte Nedra, die sich aus purer Lust einen Liebhaber hält, die ihren Mann verläßt, weil sie etwas Neues und nicht zuletzt sich selbst sucht, die ihren Töchtern eine gute Freundin und allen jungen Frauen eine weise Ratgeberin und Vorbild ist, obwohl diese Nedra ohne weiteres das Zeug zu einer Ikone der Frauenbewegung gehabt hätte.

Salter meint es gut mit seiner Nedra: Er beläßt ihr die "gertenschlanke" Figur und ihre sinnliche Erscheinung und verleiht ihr zugleich die Weisheit alter Frauen. Keine fünfzig Jahre alt, stirbt sie an Krebs, ohne kennengelernt zu haben, was ihr ein Leben lang Angst eingejagt hatte: das Alter. Für den pflaumenweichen Viri hält der Autor ein weniger gnädiges Ende bereit: Der Architekt, der sich nie von der Scheidung erholt hat, läßt sich von einer manisch auf die Ehe fixierten Italienerin heiraten, weil er weder ihrer Hingabe noch ihrer Entschlossenheit etwas entgegenzusetzen hat.

Der Roman "Lichtjahre" ist das Porträt einer Generation, die sich auf die Suche nach neuen Geschlechtermodellen gemacht hat. Und es ist das Porträt der historisch ersten Generation, auf die das Wort "jugendbewegt" zutraf, weil sie dem Alter keinen eigenen Wert mehr beimaß. Salter löst diese Suche wie alles andere, was in diesem Buch beschrieben wird, aus ihren Zusammenhängen. Der Roman, der vom zerstörerischen Werk der Zeit handelt, ist selbst auf eigenartige Weise der Zeit enthoben. Er ist dem Leser so nah und so fern, wie dieser es wünscht. Nicht zuletzt darin liegen heute Reiz und Erfolg dieses Buches begründet, das einer Generation den Spiegel vorhält, aber ihr nicht zumutet, sich ins Gesicht zu schauen. Wenn das charmant ist, hat James Salter ein charmantes Buch geschrieben.

James Salter: "Lichtjahre". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Beatrice Howeg. Berlin Verlag, Berlin 1998. 393 S., geb., 39,80 DM.

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