"Da traf mich der Schlag: Jana hatte das Foto von mir und meinem Stoffhasen gepostet und darunter »Karo will doch nur kuscheln« geschrieben. Und ich konnte überhaupt nichts dagegen tun! Bis heute gibt es ja auf ON keine richtige Löschfunktion. Schlagartig wurde mir schlecht. Und dann noch all die
hämischen Kommentare!"
Die Entrüstung über den vermeintlichen Verrat der Freundin hält bei der…mehr"Da traf mich der Schlag: Jana hatte das Foto von mir und meinem Stoffhasen gepostet und darunter »Karo will doch nur kuscheln« geschrieben. Und ich konnte überhaupt nichts dagegen tun! Bis heute gibt es ja auf ON keine richtige Löschfunktion. Schlagartig wurde mir schlecht. Und dann noch all die hämischen Kommentare!"
Die Entrüstung über den vermeintlichen Verrat der Freundin hält bei der Ich-Erzählerin Karo allerdings nicht vor. Schon kurze Zeit später versöhnt sie sich in der Schule wieder mit Jana. Denn diese macht ihr drastisch klar dass, wenn sie wirklich Moderatorin bei der neuen ON Internet Show werden will, sie noch viele Punkte braucht. Und das ist schließlich nur mit "Post the most", also posten und teilen zu schaffen. Koste es was es wolle: Vertrauen, Privatsphäre, Freundschaft.
Thomas Feibel bereitet mit "Like me" ein ebenso hochaktuelles wie hochbrisantes Thema spannend auf. Soziale Netzwerke - Fluch oder Segen? Diese Frage treibt momentan nicht nur besorgte Eltern um. Die Romanfigur Karo schafft es auf wenigen Seiten, die Problematik deutlich werden zu lassen. Netzwerk "Freunde" gewinnt man nur mit möglichst peinlichen Veröffentlichungen. Zu wessen Lasten sie gehen ist unerheblich, allein die Klick Resonanz zählt.
Mit Karo, Jana, Eddi und Ivo hat der Autor Figuren geschaffen, die zwar für Stereotype stehen, mit denen man sich aber gut identifizieren kann, weil sie einfach interessant in Szene gesetzt werden. Die naive, eher gutmütige Karo, die beim Punkte sammeln auf ON zunächst einzig aus dem Grund mitmacht um der neuen Klassenkameradin Jana zu imponieren. Ebenso wie Eddi ihr heimlicher Schwarm, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat und sich leider mehr für die gutaussehende Neue als für Karo interessiert. Jana der Prototyp der frühreifen, obercoolen Sirene. Lange blonde Locken, immer stylisch gekleidet, perfekt geschminkt und an nichts außer sich selbst interessiert. Ivo, der Nerd, der sich aus sozialen Netzwerken komplett heraushält und die anderen zu bekehren versucht.
Die Geschichte kommt schnell in Fahrt, denn das eingangs erwähnte Posting gehört zu den harmlosesten. Im Verlauf der Handlung sinkt die Hemmschwelle bei den drei Achtklässlern stetig. Besonders Jana agiert ohne Rücksicht auf Verluste und fingiert so manches schlimme Foto. Erst als eine Lehrerin einen Nervenzusammenbruch erleidet, ein Klassenkamerad in psychiatrische Behandlung muss und ihnen der Schulverweis droht, wachen Karo und Eddi auf. Sie erkennen, dass eine Grenze überschritten wurde und ziehen die Notbremse. Nicht so Jana, die gnadenlos gegen sich und andere im Internet Erfolg sucht.
“Like me” ist eine locker erzählte Geschichte, die von der Spannung der immer neuen makaberen Veröffentlichungen lebt. Was lassen sich die Kinder als nächstes einfallen um im Netz aufzufallen? Wer bleibt als nächstes auf der Strecke? Das sind die Fragen, die einen durch die Seiten treiben.
Meine Ambition durch die Lektüre ein besseres sachliches Verständnis für die Funktionsweise von sozialen Portalen zu bekommen, hat sich jedoch nicht erfüllt. Karo schreibt an einer Stelle: “Außerdem erhielten alle Eltern einen Rundbrief von Direktor Klaasen, in dem er das unerbittliche Handyverbot begründete und allen Eltern praktisch befahl ihren Kindern die Teilnahme an ON SHOW zu verbieten. Dann folgte für die Ahnungslosen eine umständliche Beschreibung dessen, was ON SHOW überhaupt war. Die ganzen falschen Ausdrücke kamen mir schon lustig vor.“ Was das betrifft gehöre ich noch immer zu den Ahnungslosen. In dieser Hinsicht brachte mir das Buch keinen Kenntnisgewinn.
Was es auf jeden Fall bewirkt, ist die Sensibilisierung dafür, was Kinder dazu treibt sich öffentlich zu "entblößen". Man versteht es vielleicht selber nicht und kann dennoch Verständnis entwickeln. Das Ende fand ich schwach. Die Wahrheit über Jana erfüllt sämtliche Klischees. Ich hätte mir ein mutigeres Ende gewünscht, eines dass auch Kindern wie Jana weiterhilft.