Lilly hält nichts mehr in Westdeutschland. Ihre Eltern sind tot und sie will nichts mehr als bei ihrer Familie in der DDR zu sein. Sie flieht über die Grenze in den Osten. Dort trifft sie auf eine neue-alte Welt.
1988. Die dreizehnjährige Lilly hat ihren Rucksack gepackt. Das Ziel ihrer Reise ist klar. Sie will nach Jena in die DDR. Dort nämlich lebt ihre wunderbare Tante Lena mit ihrem Mann und ihren Kindern - die einzige Familie, die Lilly nach dem Tod ihrer Mutter noch bleibt. Doch mal eben von West nach Ost, das funktioniert nicht einfach so. Da gilt es nicht nur, die Mauern der Bürokratie zu durchbrechen, sondern auch gegen die Schatten der Vergangenheit, die das Leben ihrer Familie im Osten bestimmen, anzukommen. Aber Lilly lässt sich davon nicht abschrecken und erobert eine neue Welt für sich.
1988. Die dreizehnjährige Lilly hat ihren Rucksack gepackt. Das Ziel ihrer Reise ist klar. Sie will nach Jena in die DDR. Dort nämlich lebt ihre wunderbare Tante Lena mit ihrem Mann und ihren Kindern - die einzige Familie, die Lilly nach dem Tod ihrer Mutter noch bleibt. Doch mal eben von West nach Ost, das funktioniert nicht einfach so. Da gilt es nicht nur, die Mauern der Bürokratie zu durchbrechen, sondern auch gegen die Schatten der Vergangenheit, die das Leben ihrer Familie im Osten bestimmen, anzukommen. Aber Lilly lässt sich davon nicht abschrecken und erobert eine neue Welt für sich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2004Flucht in den Osten
Als noch keiner an die Wende dachte: "Lilly unter den Linden"
Kein Wunder, daß Filmemacher den Stoff dieser ungewöhnlichen deutsch-deutschen Geschichte aufgegriffen haben. Sie wurde mit ausgezeichneten Schauspielern als Fernsehfilm produziert und für den Prix Europe nominiert. Ein gutes Jahr nach der Ausstrahlung ist nun das Buch erschienen, das die Basis für den Filmstoff gab.
Die dreizehn Jahre alte Lilly erzählt von ihrer Familie, die durch die Mauer nicht nur geteilt, sondern nahezu zerstört wurde. Im November 1988 stirbt in Hamburg die Mutter, die noch vor Lillys Geburt mit einem falschen Paß aus der DDR geflohen war. Bei der Beerdigung sieht das verwaiste Mädchen seine Tante Lena aus Jena zum ersten Mal. Herzlich und spontan ist die Zuneigung, die zwischen den beiden entsteht. Doch nach wenigen Tagen muß die ältere Schwester der verstorbenen Mutter zurück, die Sondergenehmigung für diese Reise ist abgelaufen. Es ist kurz vor Weihnachten, und Lilly soll, nachdem die Wohnung aufgelöst ist, in einer Pflegefamilie unterkommen. Da entschließt sie sich, allein, mit einem Rucksack und ein paar Geldscheinen im Strumpf, über Ost-Berlin nach Jena zu ihren Verwandten zu fahren. Ihre mutige Flucht gelingt, aber sie stürzt damit ihre Familie im Osten in ungeahnte Schwierigkeiten. Lilly lernt jetzt nicht nur den "anderen Teil der Welt" kennen, sie erfährt auch allmählich etwas über die Hintergründe der aufgezwungenen Trennung ihrer Mutter von ihrem Zuhause und den Menschen, die sie geliebt hat.
Wer floh, galt als Landesverräter; er mußte alle Brücken abbrechen. Die daheimgebliebenen Angehörigen aber wurden bestraft. Lillys Tante Lena kam als Fluchthelferin für drei Jahre ins Gefängnis. Die Tochter, die sie dort zur Welt brachte, wurde ihr fortgenommen und in einem unbekannten Heim untergebracht. Nach ihrer Entlassung durfte Lena nicht mehr in ihrem geliebten Beruf als Lehrerin arbeiten. Und ihre gewohnten Leseabende mit verbotener Literatur waren zu gefährlich geworden. Daß sich unter ihren Freunden ein Spitzel befand, vermutet sie. "Wie könnt ihr hier bloß leben?" fragt Lilly entsetzt, und will trotzdem bleiben. So einfach ist das jedoch nicht. Zunächst bekommt sie mit Hilfe eines alten Jugendfreundes der Tante, der als Staatssicherheitsbeamter die nötigen Kontakte hat, ein kurzfristiges Reisevisum. Bis ein umständliches bürokratisches Verfahren allerdings ihre Umsiedlung geregelt hat, muß sie in Hamburg warten.
Durch Lillys Augen sieht der Leser, wie es jenseits des Eisernen Vorhangs vor der Wende zuging. Anne Charlotte Voorhoeve hat das ost-west-deutsche Familiendrama spannend, lebendig und mit vielen genauen Details erzählt. Sie zitiert die Spruchbänder, die den Sozialismus priesen, und beschreibt die kleinen Listen, mit denen man dem Druck auszuweichen versuchte und mit dem mühseligen Alltag zu Rande kam. Die Wendezeit ist ein aufregendes Thema, über das viel geschrieben wird. Doch wer weiß noch genau, wie es war, bevor sich die dichteste Grenze Europas öffnete? Es ist Anne Charlotte Voorhoeve großartig gelungen, die Erinnerung an diese prekäre Zeit wachzuhalten.
MARIA FRISÉ
Anne Charlotte Voorhoeve: "Lilly unter den Linden". Buchverlag Otto Maier, Ravensburg 2004. 256 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als noch keiner an die Wende dachte: "Lilly unter den Linden"
Kein Wunder, daß Filmemacher den Stoff dieser ungewöhnlichen deutsch-deutschen Geschichte aufgegriffen haben. Sie wurde mit ausgezeichneten Schauspielern als Fernsehfilm produziert und für den Prix Europe nominiert. Ein gutes Jahr nach der Ausstrahlung ist nun das Buch erschienen, das die Basis für den Filmstoff gab.
Die dreizehn Jahre alte Lilly erzählt von ihrer Familie, die durch die Mauer nicht nur geteilt, sondern nahezu zerstört wurde. Im November 1988 stirbt in Hamburg die Mutter, die noch vor Lillys Geburt mit einem falschen Paß aus der DDR geflohen war. Bei der Beerdigung sieht das verwaiste Mädchen seine Tante Lena aus Jena zum ersten Mal. Herzlich und spontan ist die Zuneigung, die zwischen den beiden entsteht. Doch nach wenigen Tagen muß die ältere Schwester der verstorbenen Mutter zurück, die Sondergenehmigung für diese Reise ist abgelaufen. Es ist kurz vor Weihnachten, und Lilly soll, nachdem die Wohnung aufgelöst ist, in einer Pflegefamilie unterkommen. Da entschließt sie sich, allein, mit einem Rucksack und ein paar Geldscheinen im Strumpf, über Ost-Berlin nach Jena zu ihren Verwandten zu fahren. Ihre mutige Flucht gelingt, aber sie stürzt damit ihre Familie im Osten in ungeahnte Schwierigkeiten. Lilly lernt jetzt nicht nur den "anderen Teil der Welt" kennen, sie erfährt auch allmählich etwas über die Hintergründe der aufgezwungenen Trennung ihrer Mutter von ihrem Zuhause und den Menschen, die sie geliebt hat.
Wer floh, galt als Landesverräter; er mußte alle Brücken abbrechen. Die daheimgebliebenen Angehörigen aber wurden bestraft. Lillys Tante Lena kam als Fluchthelferin für drei Jahre ins Gefängnis. Die Tochter, die sie dort zur Welt brachte, wurde ihr fortgenommen und in einem unbekannten Heim untergebracht. Nach ihrer Entlassung durfte Lena nicht mehr in ihrem geliebten Beruf als Lehrerin arbeiten. Und ihre gewohnten Leseabende mit verbotener Literatur waren zu gefährlich geworden. Daß sich unter ihren Freunden ein Spitzel befand, vermutet sie. "Wie könnt ihr hier bloß leben?" fragt Lilly entsetzt, und will trotzdem bleiben. So einfach ist das jedoch nicht. Zunächst bekommt sie mit Hilfe eines alten Jugendfreundes der Tante, der als Staatssicherheitsbeamter die nötigen Kontakte hat, ein kurzfristiges Reisevisum. Bis ein umständliches bürokratisches Verfahren allerdings ihre Umsiedlung geregelt hat, muß sie in Hamburg warten.
Durch Lillys Augen sieht der Leser, wie es jenseits des Eisernen Vorhangs vor der Wende zuging. Anne Charlotte Voorhoeve hat das ost-west-deutsche Familiendrama spannend, lebendig und mit vielen genauen Details erzählt. Sie zitiert die Spruchbänder, die den Sozialismus priesen, und beschreibt die kleinen Listen, mit denen man dem Druck auszuweichen versuchte und mit dem mühseligen Alltag zu Rande kam. Die Wendezeit ist ein aufregendes Thema, über das viel geschrieben wird. Doch wer weiß noch genau, wie es war, bevor sich die dichteste Grenze Europas öffnete? Es ist Anne Charlotte Voorhoeve großartig gelungen, die Erinnerung an diese prekäre Zeit wachzuhalten.
MARIA FRISÉ
Anne Charlotte Voorhoeve: "Lilly unter den Linden". Buchverlag Otto Maier, Ravensburg 2004. 256 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 12 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Großartig findet Rezensentin Maria Frise dieses Jugendbuch, in dem sie mitreißend, spannend und mit vielen genauen Details eine ungewöhnliche deutsch-deutsche Geschichte erzählt bekam. Erzählt werde die Geschichte der dreizehnjährigen Lilly, deren Mutter noch vor ihrer Geburt aus der DDR in den Westen geflohen sei. Als sie 1988 viel zu früh stirbt, lernt das Mädchen beim Begräbnis die in der DDR gebliebene Schwester der Mutter kennen, und entschließt sich, bei ihren Verwandten in der DDR zu leben. Durch Lillys Augen lerne der Leser nun auch das Leben vor der Wende jenseits des Eisernen Vorhangs samt des teilweise schmerzlichen Niederschlags der Geschichte auf die privaten Biografie kennen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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