"Wer Lissabon nicht gesehen hat, der hat nichts Schönes gesehen" - so lautet ein geflügeltes Wort in Portugals Metropole. Wie kaum eine andere Stadt sind ihre Geschicke ans Meer gebunden; es prägt jedes Quartier bis in seine hintersten Winkel und ebenso seine Bewohner. Der neue mare-Bildband widmet sich mit eigentümlich impressiven und zugleich genauen Beschreibungen dieser einzigartigen Meeresstadt. Sie stammen aus der Kamera des jungen Berliner Ausnahmefotografen Jan Windszus, der in monatelangen Streifzügen seine Liebe zu Lissabon in einer Weise erklären lernte, wie sie Lissabonnern zu eigen ist: still, verinnerlicht, mit gebremster Heiterkeit dem Geheimnis dieser Stadt ergeben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2013Und meine heißen Tränen fließen
Die Stadt ist fast dreitausend Jahre alt. Man sieht es ihr an. In Lissabon ist alles auf engstem Raum vereint: Schönheit und Schrecken, Trauer und Sehnsucht. Wenn man an Portugals Hauptstadt denkt, die einst Zentrum der Welt oder zumindest der Seefahrt war, dann stellen sich sofort bestimmte Begriffe, Bilder, Namen ein: Fado, Saudade, Pessoa. Der Fotograf Jan Windszus kennt sie natürlich auch. Aber er ist diskret. Wenn er von ihnen erzählt, dann nur en passant. Man wird also nicht Zeuge des Fado oder des Stierkampfs. Man sieht nur die Sängerin und den Matador vor ihren Auftritten. Man spürt ihre Erregung. Aber sie bleibt diffus. Offen für unsere Phantasien und Interpretationen. Zwei Monate strich Jan Windszus durch die engen Straßen Lissabons, stieg auf die sieben Hügel, blickte aufs Meer hinaus und lernte Leute kennen. Von der "weißen Stadt" ist bei ihm nichts zu sehen. Die winterliche Düsternis, die Wehmut färbt alles ein. Es sind dunkle Farben und Schatten, die seine eindrucksvollen Bilder dominieren. Lissabons Architektur verdichtet alles. Es gibt Gassen, in denen es auch tagsüber nicht richtig hell wird. Es ist feucht. Die Stadt riecht. Und doch spürt man in Windszus' Bildern nicht nur die verlorene Pracht, sondern auch die Intensität und Intimität des alltäglichen Lebens. Der Fotograf verwandelt sich in einen Flaneur, der alle Viertel erkundet. Auch die der Armen und Zugewanderten. Und er ist aufmerksam. Nicht nur der schöne Blick beschäftigt ihn, die aufregende Szene. Genauso wichtig sind die Geschichten. Darunter etliche Geschichten, die noch nie gezeigt oder formuliert worden sind.
lem
"Lissabon" von Jan Windszus (Fotos) und Karl Spurzem (Text). Mare-Verlag, Hamburg 2013. 132 Seiten, 85 Abbildungen. Gebunden, 58 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Stadt ist fast dreitausend Jahre alt. Man sieht es ihr an. In Lissabon ist alles auf engstem Raum vereint: Schönheit und Schrecken, Trauer und Sehnsucht. Wenn man an Portugals Hauptstadt denkt, die einst Zentrum der Welt oder zumindest der Seefahrt war, dann stellen sich sofort bestimmte Begriffe, Bilder, Namen ein: Fado, Saudade, Pessoa. Der Fotograf Jan Windszus kennt sie natürlich auch. Aber er ist diskret. Wenn er von ihnen erzählt, dann nur en passant. Man wird also nicht Zeuge des Fado oder des Stierkampfs. Man sieht nur die Sängerin und den Matador vor ihren Auftritten. Man spürt ihre Erregung. Aber sie bleibt diffus. Offen für unsere Phantasien und Interpretationen. Zwei Monate strich Jan Windszus durch die engen Straßen Lissabons, stieg auf die sieben Hügel, blickte aufs Meer hinaus und lernte Leute kennen. Von der "weißen Stadt" ist bei ihm nichts zu sehen. Die winterliche Düsternis, die Wehmut färbt alles ein. Es sind dunkle Farben und Schatten, die seine eindrucksvollen Bilder dominieren. Lissabons Architektur verdichtet alles. Es gibt Gassen, in denen es auch tagsüber nicht richtig hell wird. Es ist feucht. Die Stadt riecht. Und doch spürt man in Windszus' Bildern nicht nur die verlorene Pracht, sondern auch die Intensität und Intimität des alltäglichen Lebens. Der Fotograf verwandelt sich in einen Flaneur, der alle Viertel erkundet. Auch die der Armen und Zugewanderten. Und er ist aufmerksam. Nicht nur der schöne Blick beschäftigt ihn, die aufregende Szene. Genauso wichtig sind die Geschichten. Darunter etliche Geschichten, die noch nie gezeigt oder formuliert worden sind.
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"Lissabon" von Jan Windszus (Fotos) und Karl Spurzem (Text). Mare-Verlag, Hamburg 2013. 132 Seiten, 85 Abbildungen. Gebunden, 58 Euro.
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