»Franz Liszt war ein Superstar, ein Genie, eine europäische Berühmtheit, kurzum: eine absolute Ausnahmeerscheinung. Bereits als Wunderkind faszinierte er in Wien, Paris und London sein Publikum. In späteren Jahren bereiste er ganz Europa und trieb seine Karriere in schwindelerregende Höhen. … Die
Begeisterung, die er mit seinen Auftritten auslöste, steigerte sich mitunter ins Delirium, und Franz…mehr»Franz Liszt war ein Superstar, ein Genie, eine europäische Berühmtheit, kurzum: eine absolute Ausnahmeerscheinung. Bereits als Wunderkind faszinierte er in Wien, Paris und London sein Publikum. In späteren Jahren bereiste er ganz Europa und trieb seine Karriere in schwindelerregende Höhen. … Die Begeisterung, die er mit seinen Auftritten auslöste, steigerte sich mitunter ins Delirium, und Franz Liszt war auch eine Projektionsfläche für erotische Fantasien und geheime Sehnsüchte.«
Liebestraum Nr. 3 – das war das, was mir beim Gedanken an Franz Liszt stets als erstes durch den Kopf ging. Häufig hatte ich ihn von meiner klavierspielenden Mutter gehört und immer wieder hatte sie erzählt, wie anspruchsvoll Liszt‘ Werke zu spielen sein. Als ich nun dieses Buch sah war ich gleich neugierig, mehr über diesen Pianisten und Komponisten zu erfahren.
Oliver Hilmes schildert alle wichtigen Stationen im Leben der „absoluten Ausnahmeerscheinung“. Angefangen beim Wunderkind, das schon in frühen Jahren in der Lage war, absolut jedes Stück, das ihm in die Finger kam, vom Blatt weg zu spielen und das über Jahre hinweg mit dem Vater von einem Konzert zum nächsten hetzte. Das früh zum Großverdiener wurde, als Genie und „neuer Mozart“ bezeichnet wurde.
Weiter geht es über die Entstehung eigener Kompositionen und die Entwicklung seines ihm eigenen Klavierstils über seine höchst produktiven „Wanderjahre“, die Zeiten als Kapellmeister in Weimar und als gewissermaßen Kontrastprogramm sein Leben als Abbé in Rom bis hin zum tragischen Ende.
Einen großen Umfang nehmen die Schilderungen seiner diversen Beziehungen ein. Liszt war – wie schon gesagt – ein früher Popstar, verehrt und angehimmelt. Nie war es für ihn schwer, neue Damenbekanntschaften zu machen und diesen Zustand genoss er sichtlich. Der Autor betont, im Gegensatz zu anderen Biographien, in denen Liszt als „sittenstreng und keusch“ idealisiert wurde, hier eindeutig die sexuelle Komponente. Trotzdem erschien mir sein Charakter als recht interessant und sensibel, mal arrogant und unversöhnlich, dann wieder harmoniebedürftig und leicht manipulierbar. Ein Mann der Gegensätze? Oder einer, der sein wahres Gesicht immer wieder hinter Masken verbarg? Man kann nur spekulieren. In die gleiche Schiene gehört sein manchmal extrem wirkender Katholizismus, der aber immer wieder im klaren Widerspruch zu seinem Verhalten stand.
Was ich ebenfalls sehr interessant fand, war Liszt‘ Verhältnis zu Richard Wagner, seinem Schwiegersohn. Eine komplizierte Beziehung, nicht selten eine Hassliebe. Ein echter Wagner-Fan wird vielleicht nicht gerne lesen, wie stark dessen Werk durch Liszt beeinflusst war. Und die Art und Weise, wie er mit seinen Kindern (und später Tochter Cosima mit ihm) umging, umfasst die ganze Bandbreite an Emotionen.
So spannend diese diversen Beziehungen auch waren, manchmal wurden mir die Schilderungen ein wenig zu umfangreich. Ich hätte nicht jeden einzelnen Schriftwechsel gebraucht, vieles hätte gekürzt immer noch die passende Information vermittelt. Andererseits könnte die Ausführlichkeit in diesen Punkten Romanfreunden entgegenkommen.
Vom Stil her liest sich das Buch gut und flüssig und verfügt über reichlich Fotos, Zeichnungen und Abbildungen beispielsweise von Briefen oder Notenblättern. Im Anhang findet sich neben den Anmerkungen und Quellenangaben auch ein Personenregister, das ich, da es wirklich sehr viele Namen im Buch gibt, immer mal wieder eingesehen habe.
Fazit: Unterhaltsam und informativ, für meinen Geschmack hätte es bei der Schilderung der diversen Beziehungsproblematiken Kürzungspotential gegeben.