Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2023Ein Land über Grenzen hinweg
Galizien war nur selten Glück beschieden, sondern galt als "Inbegriff weltverlorener Abgeschiedenheit" und "multikulturelles Armenhaus" der Donaumonarchie. So heißt es in diesem Reiseführer. Das Städtchen Auschwitz im äußersten Westen Galiziens war vor 1914 für jüdische Auswanderer aus dem Zarenreich das "Tor zur Freiheit" - später wurde es zum Ort des Grauens. Dennoch kann heute im deutschen Sprachraum von einem Comeback des "Mythos Galizien" gesprochen werden. Der Historiker Marcin Wiatr leitet den Leser durch diese Landschaft, die zu etwa gleichen Teilen zu Polen und der Ukraine gehört - durch die Berge, durch das jüdische Galizien, in Städte wie Krakau und Lemberg und in das Gebiet der einstigen Erdölförderung. Dabei breitet er einen bunten Teppich aus literarischen und historischen Zeugnissen aus. Namen leuchten auf, von Alfred Döblin und Mascha Kaléko in den Zwanzigerjahren bis zu Jurij Andruchowytsch, der nach 1989 den "Karpatenkarneval" begründete, ein Dichterfest. Praktische Hinweise sind knapp gehalten. Dafür wird der Genius Loci so wirksam herbeigezaubert, dass man Mühe hat, die Lektüre zu unterbrechen. Selbst Gorbatschow und Selenskyj tauchen auf. "Literarischer Reiseführer" ist für diesen Führer wahrlich ein Understatement. gna.
"Literarischer Reiseführer Galizien" von Marcin Wiatr. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2022. 476 Seiten, Abbildungen und Karten. Broschiert, 19,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Galizien war nur selten Glück beschieden, sondern galt als "Inbegriff weltverlorener Abgeschiedenheit" und "multikulturelles Armenhaus" der Donaumonarchie. So heißt es in diesem Reiseführer. Das Städtchen Auschwitz im äußersten Westen Galiziens war vor 1914 für jüdische Auswanderer aus dem Zarenreich das "Tor zur Freiheit" - später wurde es zum Ort des Grauens. Dennoch kann heute im deutschen Sprachraum von einem Comeback des "Mythos Galizien" gesprochen werden. Der Historiker Marcin Wiatr leitet den Leser durch diese Landschaft, die zu etwa gleichen Teilen zu Polen und der Ukraine gehört - durch die Berge, durch das jüdische Galizien, in Städte wie Krakau und Lemberg und in das Gebiet der einstigen Erdölförderung. Dabei breitet er einen bunten Teppich aus literarischen und historischen Zeugnissen aus. Namen leuchten auf, von Alfred Döblin und Mascha Kaléko in den Zwanzigerjahren bis zu Jurij Andruchowytsch, der nach 1989 den "Karpatenkarneval" begründete, ein Dichterfest. Praktische Hinweise sind knapp gehalten. Dafür wird der Genius Loci so wirksam herbeigezaubert, dass man Mühe hat, die Lektüre zu unterbrechen. Selbst Gorbatschow und Selenskyj tauchen auf. "Literarischer Reiseführer" ist für diesen Führer wahrlich ein Understatement. gna.
"Literarischer Reiseführer Galizien" von Marcin Wiatr. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2022. 476 Seiten, Abbildungen und Karten. Broschiert, 19,80 Euro.
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