Worauf um alles in der Welt zielt ein Wettbewerb für digitale Literatur? Geschichten und Gedichte, die am Computer geschrieben wurden? Hypertexte? Multimedia? Mitschreibeprojekte? Warum heißt es nicht Netzliteratur? Und inwiefern handelt es sich überhaupt noch um Literatur, wenn das Wort doch immer mehr dem Bild weicht? Warum nicht einfach Netzkunst? Oder Interfictions?
Die Beiträge des im Frühjahr 2001 von T-Online und dtv ausgeschriebenen Wettbewerbs "Literatur.digital", die auf der beigelegten CD-ROM versammelt sind, zeigen Möglichkeiten auf, was die Zukunft digitaler Literatur bringen könnte. Dazu hat Roberto Simanowski Interviews, Aufsätze, Einführungen, ergänzende, illustrierende und weiterführende Texte zum Thema.
Die Beiträge des im Frühjahr 2001 von T-Online und dtv ausgeschriebenen Wettbewerbs "Literatur.digital", die auf der beigelegten CD-ROM versammelt sind, zeigen Möglichkeiten auf, was die Zukunft digitaler Literatur bringen könnte. Dazu hat Roberto Simanowski Interviews, Aufsätze, Einführungen, ergänzende, illustrierende und weiterführende Texte zum Thema.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2002Dichtet digitaler!
Roberto Simanowski bringt den
elektronischen Pegasus ins Buch
Bei der digitalen Literatur hat schon immer die Frage ihre eigene Antwort geschaffen, und so hat das junge Genre von Anfang an vor allem durch Wettbewerbe zusammen gefunden. Es musste erst jemand kommen und in aller Unschuld fragen, was das eigentlich sei, dieses literarische Erzählen am Computer, und dann wurden die entsprechenden Kunstwerke nachgereicht. Das war schon 1995 beim ersten Internet-Literaturwettbewerb so. Doch auch sieben Jahre später, nach Herausbildung einer einschlägigen Szene, bekennt noch eine ganze Reihe der Autoren, die an einem vom dtv-Verlag initiierten Wettbewerb teilgenommen haben, dass erst die Ausschreibung ihr Interesse für das besondere Medium geweckt hat.
Um eine breitere Zahl von Lesern an diesem Interesse teilhaben zu lassen, wurde jetzt ein trojanisches Pferd publiziert. Es sieht aus wie ein Buch und hat auch fast zweihundert bedruckte Seiten, doch eigentlich verbirgt sich darin eine CD-Rom mit den sechs preisgekrönten sowie vierzehn nominierten Beiträgen zur digitalen Literatur. Das ist geschickt, wenn auch des Guten der Verpackung zu viel. Fleißaufgaben zwischen betriebswirtschaftlicher Seminararbeit und Internet-Zukunftsschau wie Diemuth Roethers Text über elektronisches Publizieren haben in solch einem Band nichts verloren. Christine Böhlers Beitrag über das „Culture Jamming” ist zwar sehr interessant, macht aber vor allem die engen Grenzen dessen deutlich, was auf der CD an Experimenten geboten wird.
Es hätte ausgereicht und die CD-Rom aufgewertet, lediglich den einleitenden Essay von Roberto Simanowski und die Informationen über die Beiträge des Wettbewerbs abzudrucken. Diese wiederum hätten ruhig noch umfangreicher ausfallen können, bieten aber auch so eine gute Einstiegshilfe auch für Leser, die mit digitaler Literatur noch nie in Berührung gekommen sind. Was aber erwartet ihn, wenn er im Jahr 2002 digitale Literatur aus Deutschland lesen will?
Auffallend ist der Vorrang von Ton und bewegten Bildern, die den Text bisweilen an den Rand drücken. Das erhöht zwar die Bedienerfreundlichkeit und kann zu eindrucksvollen Multimediawerken führen, wie bei dem rasanten „box”, bietet aber nur selten spezifisch literarische Qualitäten und kaum mehr Interaktivität als die ihrer Form nach ähnlichen Musikvideos auf Viva. Wenn aber erzählt wird, dann löst die traditionelle Linearität die postmodernen Heilsversprechungen vom dezentralen, multisequentiellen Text sogleich ab, die die Geburt der digitalen Literatur begleitet haben. Nur sehr oberflächlich kaschieren viele Texte, dass sie eigentlich nur Text sind, egal ob mit Bild und Soundeffekt oder ohne.
Nur in den geglücktesten Momenten machen die Beiträge die Form auch für den Inhalt wirksam, etwa bei Julius Raabes Knittelvers-Variationen über ein Bild von Georg Grosz. Somit öffnet sich die Schere zwischen den Möglichkeiten des Digitalen und den Qualitäten des Literarischen weiter als je zuvor. Pessimisten sehen darin eine Bestätigung, dass das Internet bald zum Fernsehen degeneriert, während die Literatur ein formal rückschrittliches und unbeachtetes Dasein fristen wird. Optimisten mögen auf eine Synthese dessen hoffen, was sie auf der CD bereits zu sehen bekommen. Noch ist nicht aller Wettbewerbe Abend.
SEBASTIAN DOMSCH
ROBERTO SIMANOWSKI (Hrsg.): Literatur.digital. Formen und Wege einer neuen Literatur. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002. 200 Seiten, 14,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Roberto Simanowski bringt den
elektronischen Pegasus ins Buch
Bei der digitalen Literatur hat schon immer die Frage ihre eigene Antwort geschaffen, und so hat das junge Genre von Anfang an vor allem durch Wettbewerbe zusammen gefunden. Es musste erst jemand kommen und in aller Unschuld fragen, was das eigentlich sei, dieses literarische Erzählen am Computer, und dann wurden die entsprechenden Kunstwerke nachgereicht. Das war schon 1995 beim ersten Internet-Literaturwettbewerb so. Doch auch sieben Jahre später, nach Herausbildung einer einschlägigen Szene, bekennt noch eine ganze Reihe der Autoren, die an einem vom dtv-Verlag initiierten Wettbewerb teilgenommen haben, dass erst die Ausschreibung ihr Interesse für das besondere Medium geweckt hat.
Um eine breitere Zahl von Lesern an diesem Interesse teilhaben zu lassen, wurde jetzt ein trojanisches Pferd publiziert. Es sieht aus wie ein Buch und hat auch fast zweihundert bedruckte Seiten, doch eigentlich verbirgt sich darin eine CD-Rom mit den sechs preisgekrönten sowie vierzehn nominierten Beiträgen zur digitalen Literatur. Das ist geschickt, wenn auch des Guten der Verpackung zu viel. Fleißaufgaben zwischen betriebswirtschaftlicher Seminararbeit und Internet-Zukunftsschau wie Diemuth Roethers Text über elektronisches Publizieren haben in solch einem Band nichts verloren. Christine Böhlers Beitrag über das „Culture Jamming” ist zwar sehr interessant, macht aber vor allem die engen Grenzen dessen deutlich, was auf der CD an Experimenten geboten wird.
Es hätte ausgereicht und die CD-Rom aufgewertet, lediglich den einleitenden Essay von Roberto Simanowski und die Informationen über die Beiträge des Wettbewerbs abzudrucken. Diese wiederum hätten ruhig noch umfangreicher ausfallen können, bieten aber auch so eine gute Einstiegshilfe auch für Leser, die mit digitaler Literatur noch nie in Berührung gekommen sind. Was aber erwartet ihn, wenn er im Jahr 2002 digitale Literatur aus Deutschland lesen will?
Auffallend ist der Vorrang von Ton und bewegten Bildern, die den Text bisweilen an den Rand drücken. Das erhöht zwar die Bedienerfreundlichkeit und kann zu eindrucksvollen Multimediawerken führen, wie bei dem rasanten „box”, bietet aber nur selten spezifisch literarische Qualitäten und kaum mehr Interaktivität als die ihrer Form nach ähnlichen Musikvideos auf Viva. Wenn aber erzählt wird, dann löst die traditionelle Linearität die postmodernen Heilsversprechungen vom dezentralen, multisequentiellen Text sogleich ab, die die Geburt der digitalen Literatur begleitet haben. Nur sehr oberflächlich kaschieren viele Texte, dass sie eigentlich nur Text sind, egal ob mit Bild und Soundeffekt oder ohne.
Nur in den geglücktesten Momenten machen die Beiträge die Form auch für den Inhalt wirksam, etwa bei Julius Raabes Knittelvers-Variationen über ein Bild von Georg Grosz. Somit öffnet sich die Schere zwischen den Möglichkeiten des Digitalen und den Qualitäten des Literarischen weiter als je zuvor. Pessimisten sehen darin eine Bestätigung, dass das Internet bald zum Fernsehen degeneriert, während die Literatur ein formal rückschrittliches und unbeachtetes Dasein fristen wird. Optimisten mögen auf eine Synthese dessen hoffen, was sie auf der CD bereits zu sehen bekommen. Noch ist nicht aller Wettbewerbe Abend.
SEBASTIAN DOMSCH
ROBERTO SIMANOWSKI (Hrsg.): Literatur.digital. Formen und Wege einer neuen Literatur. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002. 200 Seiten, 14,50 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
"Spannend!" 'Generalanzeiger Bonn'
"Interessant ist dieses Experiment allemal, die Beiträge sind gelungene Kompositionen der drei genannten Elemente."'literature.de'
" ... eine Art Oscar des jungen Genres. Viele Beiträge sind witzig, phantasievoll, poetisch. Manche einfach nur verspielt, getragen vom Versuch des Programmierers, coole Tricks zu zeigen. ... Der Wettbewerb, der jetzt wieder startet, macht deutlich: Es gibt viel zu entdecken in den Welten des Cyberspace."'Focus'
"Interessant ist dieses Experiment allemal, die Beiträge sind gelungene Kompositionen der drei genannten Elemente."'literature.de'
" ... eine Art Oscar des jungen Genres. Viele Beiträge sind witzig, phantasievoll, poetisch. Manche einfach nur verspielt, getragen vom Versuch des Programmierers, coole Tricks zu zeigen. ... Der Wettbewerb, der jetzt wieder startet, macht deutlich: Es gibt viel zu entdecken in den Welten des Cyberspace."'Focus'
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sebastian Domsch hat Buch und CD-ROM zur digitalen Literatur mit großer Spannung in die Hand genommen, hat aber insgesamt viel zu meckern. Die Beiträge des Buches findet er größtenteils überflüssig beziehungsweise uninteressant, ihm hätte es ausgereicht, die Einleitung des Herausgebers und die Bedingungen des Wettbewerbs, aus dem die digitalen Texte entstanden sind, nachzulesen. Allerdings ist er auch von den Wettbewerbsbeiträgen auf der CD insgesamt etwas enttäuscht, weil er die intensive Auseinandersetzung mit dem Medium vermisst. Dennoch hat er in den "geglücktesten Momenten", wie bei dem Beitrag von Julius Raabe, der sich in "Knittelversen" einem Bild von Grosz nähert, so etwas wie eine Ausnutzung der Möglichkeiten von Form und Inhalt gefunden, was seiner Ansicht nach aber eine Ausnahme bleibt. Die meisten Beiträge versuchen zu verschleiern, dass sie letztlich nicht mehr als Texte sind, auch wenn sie von Ton oder Bildern begleitet werden, so der Rezensent unzufrieden. Trotzdem hält Domsch das Buch nebst CD-ROM für eine "gute Einstiegshilfe", mit denen man sich diesem noch immer unterentwickelten literarischen Bereich nähern kann, wie er betont.
© Perlentaucher Medien GmbH
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