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Diese Festschrift ist Hartmut Steinecke zu seinem sechzigsten Geburtstag gewidmet. Dass Literatur und Demokratie keinen Gegensatz bilden (dürfen), ist kennzeichnend nicht allein für die unverrückbare ästhetische und politische Norm, aus deren Perspektive heraus Hartmut Steinecke mit seinen zahlreichen Arbeiten zur Literaturgeschichte und Literaturgeschichtsschreibung der Literaturwissenschaft in den zurückliegenden drei Jahrzehnten seinen Stempel aufgedrückt hat; auch seine universitäre Lehrtätigkeit ist von diesem Ethos bis heute entscheidend geprägt. Das Buch enthält Beiträge von Freunden,…mehr

Produktbeschreibung
Diese Festschrift ist Hartmut Steinecke zu seinem sechzigsten Geburtstag gewidmet. Dass Literatur und Demokratie keinen Gegensatz bilden (dürfen), ist kennzeichnend nicht allein für die unverrückbare ästhetische und politische Norm, aus deren Perspektive heraus Hartmut Steinecke mit seinen zahlreichen Arbeiten zur Literaturgeschichte und Literaturgeschichtsschreibung der Literaturwissenschaft in den zurückliegenden drei Jahrzehnten seinen Stempel aufgedrückt hat; auch seine universitäre Lehrtätigkeit ist von diesem Ethos bis heute entscheidend geprägt. Das Buch enthält Beiträge von Freunden, Kollegen und ehemaligen Schülern zur deutschen Literatur- und Wissenschaftsgeschichte von der Goethezeit bis zur Gegenwart. Unter anderem widmen sich die Beiträge Autoren wie Goethe, Heine, Thomas Bernhard und Jurek Becker, dem Modernisierungsdiskurs im 19. Jahrhundert und der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Artikel stecken das Interessenspektrum ab, das Hartmut Steinecke inder Forschung vertreten hat.Die Veröffentlichung ist nicht nur ein Geburtstagsgruß, sondern lädt auch ein zum kritischen Dialog - mit dem Leser, nicht zuletzt auch mit Hartmut Steinecke, dem die Forschung so vielfältige Impulse verdankt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2001

Vorbildliches Scheitern
Manfred Durzak schreibt Peter Szondi ans Kreuz

In Zeiten des Umbruchs bieten akademische Festschriften dem Wissenschaftshistoriker interessantes Material. Derzeit kommen die Postordinarien der Germanistik ins Festschriftalter. Also jene, die auf die großen, seit der Achtundsechziger-Bewegung mit Grund heftig in Frage gestellten Vaterfiguren von Benno von Wiese über Wilhelm Emrich zu Emil Staiger folgten. Zum Beispiel der Wiese-Schüler Hartmut Steinecke, dessen sechzigster Geburtstag unlängst gefeiert wurde (Literatur und Demokratie, hrsg. von Alo Allkemper und Norbert Eke, Berlin 2000): nach hergebrachter Weise noch eine Vaterfigur, aber kein professoraler Fürst mehr, sondern eine warmherzige, offene und unendlich liberale Persönlichkeit. Zu Recht wird er für seine "anteilnehmende und freundschaftliche Zusammenarbeit" mit seinen Studenten und Mitarbeitern geehrt.

Den Band beschließt aber ein Aufsatz des Germanisten Manfred Durzak, "Peter Szondi. Ein Gelehrtenleben in Briefen", der den unvergessenen Berliner Komparatisten, der 1971 Selbstmord beging, auf eine höchst sonderbare Weise für eine Kritik am Opportunismus der Germanistik in den Zeiten der "Unübersichtlichkeit" funktionalisiert. Der Staiger-Schüler Szondi erscheint dabei als Angehöriger einer "anderen" Generation, "über die dennoch die Schatten der Vorgänger-Generation in mehrfacher Hinsicht fallen". Darunter zählt Durzak Szondis ungarisch-jüdische Herkunft und dessen Deportation ins Konzentrationslager Bergen-Belsen, dem er entkam: "Ein Glücks- und Zufall von lebensrettender Bedeutung, der vielen in einer ähnlichen Situation versagt blieb." Wie selbstverständlich diagnostiziert Durzak daher bei Szondi den Schuldkomplex der Überlebenden und ein Entrinnen ins Verhängnis.

Auf der Grundlage der traurigen Fakten erschließt Durzak aus den Briefzeugnissen (Peter Szondi, Briefe, hg. von Christoph König und Thomas Sparr, Frankfurt am Main 1993) ein mißlungenes Leben. Er bilanziert sorgfältig Szondis Mißerfolge vor der Berufung nach Berlin und überhaupt seine "psychischen Verwundungen". Dann liest er die zahlreichen rühmenden "Nekrologe" und reibt sich die Augen. Szondis Nachruhm hält er nämlich für eine Mischung aus Heiligenlegende und unverantwortlicher Editionspraxis des Suhrkamp-Verlags, mit der man "Szondi keinen Gefallen" getan habe. Das Werk, das "Sachverhalte eher behauptet als begründet", sei im ganzen mißlungen und gestorben. Mit Thomas Metscher läßt Durzak Peter Szondi als tragische Schlußfigur einer "Zerfallsgeschichte bürgerlichen Denkens" erscheinen, die "aus der Not der Versagung die Tugend der Entsagung gemacht" habe.

Auch Szondis politisches Engagement betrachtet sein Psychobiograph im Schatten der Unheilsgeschichte. Dessen Erinnerungen und die Aufmerksamkeit für Rechtsradikalismus und Antisemitismus hätten sich verbunden "zu einer existentiellen Fragilität, die sich eher in depressiven Schüben als in politischer Aktivität auswirkt, auch wenn Szondi dann in den Universitätsturbulenzen . . . mehr als einmal Position bezieht".

Komische Züge entdeckt der Interpret dagegen in Szondis Auseinandersetzung mit Emil Staiger. "Staigers Vorwurf an die Adresse Schlegels, die Barbarisierung der Literatur durch den hemmungslosen Subjektivismus", falle auf jenen zurück, habe Szondi "als indirekten Vorwurf gegen sich selbst" gelesen. Gleichwohl habe er durch "komplizierte Equilibristik seine Vorwürfe gegen Staiger abschwächen" wollen, während er ihn lustigerweise "faktisch noch vehementer angriff". Als wäre Szondi selbst die Verkörperung der dialektischen Struktur des Tragischen gewesen, billigt der Biograph seinem Opfer retrospektiv an keiner Stelle die Chance zu, seinem jüdischen wie seinem individuellen Schicksal zu entrinnen. Selbst der mögliche akademische Werdegang, "der nicht zustande gekommene Wechsel auf den Lehrstuhl Paul de Mans", hätte "seine eigene traurige Symbolkraft gehabt", hätte Szondi wie ein mythischer Bann mit verdrängter Nazi-Vergangenheit belastet.

Das entscheidende christologische Kunststück des Aufsatzes besteht nun darin, das selbstkonstruierte Scheitern Szondis zur "Aura" zu verklären, zu der "die Geste der Verschlossenheit, die Weigerung, sich ganz zu öffnen, sich auf die akademische Betriebsamkeit ganz und gar einzulassen", gehöre. So wird Szondi in merkwürdig gönnerhafter Anbetung zu einem elitären Widerständler und exemplarisch Leidenden erhöht, den "die Machtspiele an der Universität anödeten" und der den modischen "Auslegungsgewaltsamkeiten" heroisch die entsagungsvolle Philologie entgegensetzte, deren Ausübung ihm freilich tragisch mißriet. "So sind es denn auch weniger die literaturwissenschaftlichen Arbeiten, die Szondi aus heutiger Perspektive bemerkenswert machen. Es ist eher die Gebrochenheit der Figur, die Lauterkeit seiner Erscheinung und auch sein lebensgeschichtliches Scheitern, die sich in ihm zum Bild eines Gelehrten verbinden, das sich so deutlich und so sympathisch abhebt von jenen vermeintlichen Vater-Figuren des Faches, die sich zu Vorbildern stilisiert haben und die politischen Schattenseiten ihrer Biographien verdrängten, aber nichts ungeschehen machen konnten." Durzaks Festbeitrag ist allerdings selbst ein bemerkenswertes Dokument zur Pathologie einer "deutschen Wissenschaft".

FRIEDMAR APEL

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