Literarische Werke werden in diesem Buch als Teil der Gesellschaft verstanden, die sie umgibt. Romane von der "Blechtrommel" bis zur "Vermessung der Welt", Theaterstücke von Botho Strauß oder Gedichte von Hans Magnus Enzensberger: Sie enthalten die Lebensformen und das Denken der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Seitenblicke gelten literarisch- politischen Debatten, aber auch der Popmusik und dem Film.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2011Realer Verdichter
Was bleibt, wenn man deutsche Lyrik, Prosa und Dramatik auf 120 Seiten komprimiert? Bei von Petersdorff erstaunlich viel. Wie schon in seiner kurzen Lyrikgeschichte in derselben Reihe vermeidet er zu viele Namen, simuliert also keine Vollständigkeit. Die Kunst besteht im Weglassen und der prägnanten Charakterisierung ausgewählter Stücke. Die vier Köpfe auf dem Umschlag erfüllen die Funktion von Signaturen des Zeitalters: Grass als bekanntester Romancier, Enzensberger als scharfsinniger Essayist und Lyriker, Gernhardt als Verteidiger eines poetischen Witzes und Judith Hermann als Sprecherin der coolen Jugend. Dem Buch liegt die These zugrunde, die Literatur sei vornehmlich realistisch orientiert gewesen, ohne deshalb avantgardistische Züge auszusparen. Deshalb rückt von Petersdorff seine Beispiele in den jeweiligen politisch-historischen Kontext. In den fünfziger Jahren gehört Koeppen zu den ersten, die den mental unbewältigten Faschismus aufgreifen, mit der Gruppe 47 entsteht der Geist der Kritik. Für die Sechziger stehen Studentenbewegung, "Kursbuch" und Peter Weiss' und Siegfried Lenz' Flankenangriff auf das Dritte Reich. In den siebziger Jahren betreten mit Botho Strauß erstmals Kinder der Demokratie die Szene und werden wie Peter Schneider zu Chronisten der Protestrepublik. Petersdorff interessiert, was erfolgreich war und wirkte, in den Achtzigern etwa "Das Parfüm" oder "Momo", im Hintergrund gar Udo Lindenberg. Thomas Brussig, Daniel Kehlmann, Christian Kracht, Heiner Müller oder Ingo Schulze dürfen nicht fehlen, wenn sich in den Neunzigern Ost und West durchmischen. (Dirk von Petersdorff: "Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland". Von 1945 bis zur Gegenwart. Verlag C.H. Beck, München 2011, 128 S., br., 8,95 [Euro]) kos
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was bleibt, wenn man deutsche Lyrik, Prosa und Dramatik auf 120 Seiten komprimiert? Bei von Petersdorff erstaunlich viel. Wie schon in seiner kurzen Lyrikgeschichte in derselben Reihe vermeidet er zu viele Namen, simuliert also keine Vollständigkeit. Die Kunst besteht im Weglassen und der prägnanten Charakterisierung ausgewählter Stücke. Die vier Köpfe auf dem Umschlag erfüllen die Funktion von Signaturen des Zeitalters: Grass als bekanntester Romancier, Enzensberger als scharfsinniger Essayist und Lyriker, Gernhardt als Verteidiger eines poetischen Witzes und Judith Hermann als Sprecherin der coolen Jugend. Dem Buch liegt die These zugrunde, die Literatur sei vornehmlich realistisch orientiert gewesen, ohne deshalb avantgardistische Züge auszusparen. Deshalb rückt von Petersdorff seine Beispiele in den jeweiligen politisch-historischen Kontext. In den fünfziger Jahren gehört Koeppen zu den ersten, die den mental unbewältigten Faschismus aufgreifen, mit der Gruppe 47 entsteht der Geist der Kritik. Für die Sechziger stehen Studentenbewegung, "Kursbuch" und Peter Weiss' und Siegfried Lenz' Flankenangriff auf das Dritte Reich. In den siebziger Jahren betreten mit Botho Strauß erstmals Kinder der Demokratie die Szene und werden wie Peter Schneider zu Chronisten der Protestrepublik. Petersdorff interessiert, was erfolgreich war und wirkte, in den Achtzigern etwa "Das Parfüm" oder "Momo", im Hintergrund gar Udo Lindenberg. Thomas Brussig, Daniel Kehlmann, Christian Kracht, Heiner Müller oder Ingo Schulze dürfen nicht fehlen, wenn sich in den Neunzigern Ost und West durchmischen. (Dirk von Petersdorff: "Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland". Von 1945 bis zur Gegenwart. Verlag C.H. Beck, München 2011, 128 S., br., 8,95 [Euro]) kos
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