Der amerikanische Literaturwissenschaftler Jonathan Culler legt hier eine gut lesbare, geradezu vergnügliche Einführung vor. Anhand präziser, einfacher Fragen bietet sie einen genauen Einblick in die wichtigsten Aspekte der Literaturtheorie:
Was ist und will Theorie? Was ist überhaupt ein Text? Was ist ein Autor? Was ist Rhetorik? Was unterscheidet Lyrik von Prosa?
Ebenso werden verschiedenen Theorie-Strömungen vorgestellt:
Von der Hermeneutik und anderen klassischen Richtungen über Dekonstruktion, Gender- und Queer-Studies bis zur postkolonialen Literaturbetrachtung.
Was ist und will Theorie? Was ist überhaupt ein Text? Was ist ein Autor? Was ist Rhetorik? Was unterscheidet Lyrik von Prosa?
Ebenso werden verschiedenen Theorie-Strömungen vorgestellt:
Von der Hermeneutik und anderen klassischen Richtungen über Dekonstruktion, Gender- und Queer-Studies bis zur postkolonialen Literaturbetrachtung.
Ausführungen] frei von Jargon oder Simplifizierung, bedeutungsschwerem Raunen oder herablassender Zeigefingerpädagogik. Culler erreicht dies, indem er Denkprozesse vorführt. Zunächst werden zumeist gegensätzliche, sich scheinbar ausschließende Positionen referiert. Wird die Literatur durch wesensmäßige Eigenschaften definiert? Oder sind es historisch variable Einstellungen, welche sie als kulturelles Konstrukt erkennen lassen? Auf solche Fragen gibt es Antworten, und Culler gibt sie vielfach, wodurch deutlich wird, dass es hierbei nicht um Endgültigkeit geht. Dieses Buch ist ein Lehr- und Lernbuch des Fragenstellens, als der Sprach- und Denkform zeitgenössischer Wissenschaft, so wie sie schon im christlichen Mythos am Anfang aller Geschichte, allen menschlichen Wissens steht. Daß dieses Buch nicht nur in der Anglistik wirken kann, dafür sorgt die Übersetzung des Münchner Anglisten Andreas Mahler. Sie ist ebenso elegant und witzig - ingeniös wie das Original. Sie ist zudem schöpferisch nachdenkend, indem sie, was an Beispielen zu fremd sein mag, durch Bekanntes aus unserem Kulturraum ersetzt und die Terminologie hochbewußt und genau anpaßt. So bereitet uns Culler ein schieres Lesevergnügen an einem Text, der allen an den Literatur-, Text- und Kulturwissenschaften Interessierten, nein, nicht Pflicht-, sondern Lustlektüre sein sollte. Frankfurter Allgemeine Zeitung
Jonathan Culler, der an der Cornell University in New York lehrt, hat vor einigen Jahren der Literaturtheorie eine very short introduction geschrieben, die nun auch (preiswert und handlich!) auf Deutsch erschienen ist. Culler vermeidet den schematischen Ansatz. Anstatt sich nacheinander an den unterschiedlichen Schulen abzuarbeiten, geht er zentralen Problemen nach: Ausgehend von der elementaren Frage: "Was ist Literatur und ist sie wichtig?" schreibt Culler in einem eher essayistischen Tonfall über Sprache und Bedeutung, Erzählstrategien und Identifikationsakte und führt dabei nebenbei wichtige Theoretiker der letzten Jahrzehnte vor. Die Tageszeitung
Jonathan Culler, der an der Cornell University in New York lehrt, hat vor einigen Jahren der Literaturtheorie eine very short introduction geschrieben, die nun auch (preiswert und handlich!) auf Deutsch erschienen ist. Culler vermeidet den schematischen Ansatz. Anstatt sich nacheinander an den unterschiedlichen Schulen abzuarbeiten, geht er zentralen Problemen nach: Ausgehend von der elementaren Frage: "Was ist Literatur und ist sie wichtig?" schreibt Culler in einem eher essayistischen Tonfall über Sprache und Bedeutung, Erzählstrategien und Identifikationsakte und führt dabei nebenbei wichtige Theoretiker der letzten Jahrzehnte vor. Die Tageszeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2002Ist Literatur wie Unkraut?
Wer nicht fragt, bleibt dumm: Jonathan Culler lehrt Lesen
Angloamerika, du hast es besser. Das trifft jedenfalls auf die Studierenden dessen zu, was hierzulande auch nach dreißig Jahren (Post-)Modernisierung unter dem Etikett Geisteswissenschaft weithin zu einer Geisterwissenschaft geworden ist. Da werden nach wie vor aus der Fülle der Zeichensysteme die sprachlichen Texte rigide separiert, und aus diesen wiederum diejenigen, die festen und hohen ästhetischen Normen entsprechen, als (schöne, gute, wahre) Literatur herausgelöst. Diese wird dann ihrerseits in Nationalliteraturen abgeschottet, im Kanon der Meisterwerke fixiert, um dann als abfragbares Wissen vermittelt zu werden. Zahlreiche Einführungen und Grundkurse, etwa in das Studium der Anglistik, spiegeln diese Vorstellungen ebenso getreulich wie trostlos wider.
Dem Lehren und Lernen an angloamerikanischen Universitäten liegen hingegen vielerorts zwei Texte zugrunde, welche jedes Studieren spannend und lustvoll zu machen vermögen. Beide tragen den gleichen Titel, "Literary Theory", die eine, von Terry Eagleton erschien 1983, die andere von Jonathan Culler 1997. Beschreibt Eagleton scharfsinnig die Methoden des literaturwissenschaftlichen Denkens und Lesens, so diskutiert Culler radikal die Denk- und Lesebewegungen und deren vorgängige Annahmen: das, was Theorie oder Literatur ist oder tut; wie Literatur und Kulturwissenschaft oder Geschehen, Geschichten und Geschichte sich zueinander verhalten; wie Bedeutung konstituiert wird; wie das Performative zur kulturschaffenden und kulturwissenschaftlichen Zentralkategorie geworden ist und was dies für Auswirkungen auf Fragen der Identitäts- und Subjektbildung hat. Er tut dies und einiges mehr - in einem Anhang bietet er zudem klar und knapp einen Überblick über die wichtigsten theoretischen Schulen des 20. Jahrhunderts - auf knapp zweihundert Seiten, gleichermaßen frei von Jargon oder Simplifizierung, bedeutungsschwangerem Raunen oder herablassender Zeigefingerpädagogik.
Culler erreicht dies, indem er Denkprozesse vorführt. Zunächst werden zumeist gegensätzliche, sich scheinbar ausschließende Positionen referiert. Wird die Literatur durch wesensmäßige Eigenschaften definiert? Oder sind es historisch variable Einstellungen, welche sie als kulturelles Konstrukt erkennen lassen? Und ist sie deswegen wie Unkraut, da auch, was nützlich oder unnütz ist im Reich der Pflanzen, in Kulturen höchst unterschiedlich bewertet wird? Gilt es mit Mitteln der Hermeneutik, die wahre Bedeutung eines Textes zu entschlüsseln, oder mit denen der Poetik die Wege zu analysieren, mit denen Wirkungen erzielt werden? Ist die Kulturwissenschaft ein Projekt, das die Eigenart der Literatur und ihrer Wissenschaft negiert oder sich gar einverleibt? Oder produziert sie mit neuen Fragen und neuen Blickwinkeln neue Einsichten?
Auf solche Fragen gibt es Antworten, und Culler gibt sie vielfach, wodurch deutlich wird, daß es hierbei nicht um Endgültigkeit geht. Dieses Buch ist ein Lehr- und Lernbuch des Fragestellens, als der Sprach- und Denkform zeitgenössischer Wissenschaft, so wie sie schon im christlichen Mythos am Anfang aller Geschichte, allen menschlichen Wissens steht. Es ist die Schlange, die alles Geschaffene und Gegebene bis in alle Ewigkeit immer wieder in Frage stellt. Darum ist, wie Culler weiß, alle Theorie "furchteinflößend", nämlich unaufhörlich und nie völlig beherrschbar.
Daß dieses Buch nicht nur in der Anglistik wirken kann, dafür sorgt die Übersetzung des Münchner Anglisten Andreas Mahler. Sie ist ebenso elegant und witzig-ingeniös wie das Original. Sie ist zudem schöpferisch nachdenkend, indem sie, was an Beispielen zu fremd sein mag, durch Bekanntes aus unserem Kulturraum ersetzt und die Terminologie hochbewußt und genau anpaßt. So bereitet uns Culler ein schieres Lesevergnügen an einem Text, der allen an den Literatur-, Text- und Kulturwissenschaften Interessierten, nein, nicht Pflicht-, sondern Lustlektüre sein sollte.
KURT TETZELI VON ROSADOR.
Jonathan Culler: "Literaturtheorie". Eine kurze Einführung. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2002. 200 S., br., 5,10 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer nicht fragt, bleibt dumm: Jonathan Culler lehrt Lesen
Angloamerika, du hast es besser. Das trifft jedenfalls auf die Studierenden dessen zu, was hierzulande auch nach dreißig Jahren (Post-)Modernisierung unter dem Etikett Geisteswissenschaft weithin zu einer Geisterwissenschaft geworden ist. Da werden nach wie vor aus der Fülle der Zeichensysteme die sprachlichen Texte rigide separiert, und aus diesen wiederum diejenigen, die festen und hohen ästhetischen Normen entsprechen, als (schöne, gute, wahre) Literatur herausgelöst. Diese wird dann ihrerseits in Nationalliteraturen abgeschottet, im Kanon der Meisterwerke fixiert, um dann als abfragbares Wissen vermittelt zu werden. Zahlreiche Einführungen und Grundkurse, etwa in das Studium der Anglistik, spiegeln diese Vorstellungen ebenso getreulich wie trostlos wider.
Dem Lehren und Lernen an angloamerikanischen Universitäten liegen hingegen vielerorts zwei Texte zugrunde, welche jedes Studieren spannend und lustvoll zu machen vermögen. Beide tragen den gleichen Titel, "Literary Theory", die eine, von Terry Eagleton erschien 1983, die andere von Jonathan Culler 1997. Beschreibt Eagleton scharfsinnig die Methoden des literaturwissenschaftlichen Denkens und Lesens, so diskutiert Culler radikal die Denk- und Lesebewegungen und deren vorgängige Annahmen: das, was Theorie oder Literatur ist oder tut; wie Literatur und Kulturwissenschaft oder Geschehen, Geschichten und Geschichte sich zueinander verhalten; wie Bedeutung konstituiert wird; wie das Performative zur kulturschaffenden und kulturwissenschaftlichen Zentralkategorie geworden ist und was dies für Auswirkungen auf Fragen der Identitäts- und Subjektbildung hat. Er tut dies und einiges mehr - in einem Anhang bietet er zudem klar und knapp einen Überblick über die wichtigsten theoretischen Schulen des 20. Jahrhunderts - auf knapp zweihundert Seiten, gleichermaßen frei von Jargon oder Simplifizierung, bedeutungsschwangerem Raunen oder herablassender Zeigefingerpädagogik.
Culler erreicht dies, indem er Denkprozesse vorführt. Zunächst werden zumeist gegensätzliche, sich scheinbar ausschließende Positionen referiert. Wird die Literatur durch wesensmäßige Eigenschaften definiert? Oder sind es historisch variable Einstellungen, welche sie als kulturelles Konstrukt erkennen lassen? Und ist sie deswegen wie Unkraut, da auch, was nützlich oder unnütz ist im Reich der Pflanzen, in Kulturen höchst unterschiedlich bewertet wird? Gilt es mit Mitteln der Hermeneutik, die wahre Bedeutung eines Textes zu entschlüsseln, oder mit denen der Poetik die Wege zu analysieren, mit denen Wirkungen erzielt werden? Ist die Kulturwissenschaft ein Projekt, das die Eigenart der Literatur und ihrer Wissenschaft negiert oder sich gar einverleibt? Oder produziert sie mit neuen Fragen und neuen Blickwinkeln neue Einsichten?
Auf solche Fragen gibt es Antworten, und Culler gibt sie vielfach, wodurch deutlich wird, daß es hierbei nicht um Endgültigkeit geht. Dieses Buch ist ein Lehr- und Lernbuch des Fragestellens, als der Sprach- und Denkform zeitgenössischer Wissenschaft, so wie sie schon im christlichen Mythos am Anfang aller Geschichte, allen menschlichen Wissens steht. Es ist die Schlange, die alles Geschaffene und Gegebene bis in alle Ewigkeit immer wieder in Frage stellt. Darum ist, wie Culler weiß, alle Theorie "furchteinflößend", nämlich unaufhörlich und nie völlig beherrschbar.
Daß dieses Buch nicht nur in der Anglistik wirken kann, dafür sorgt die Übersetzung des Münchner Anglisten Andreas Mahler. Sie ist ebenso elegant und witzig-ingeniös wie das Original. Sie ist zudem schöpferisch nachdenkend, indem sie, was an Beispielen zu fremd sein mag, durch Bekanntes aus unserem Kulturraum ersetzt und die Terminologie hochbewußt und genau anpaßt. So bereitet uns Culler ein schieres Lesevergnügen an einem Text, der allen an den Literatur-, Text- und Kulturwissenschaften Interessierten, nein, nicht Pflicht-, sondern Lustlektüre sein sollte.
KURT TETZELI VON ROSADOR.
Jonathan Culler: "Literaturtheorie". Eine kurze Einführung. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2002. 200 S., br., 5,10 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Kurt Tetzeli von Rosador beginnt seine Rezension mit einem Klagelied: auf die Verstaubtheit der deutschen Geisteswissenschaften, auf die entsprechend drögen Einführungen deutscher Provenienz, die auf dem Markt sind. Ganz anders, viel offener, lesbarer, rundum besser, so sein ungetrübt enthusiastisches Urteil, ist dieses Buch des Literaturwissenschaftlers Jonathan Culler. Auf knappem Raum biete der Autor ein Panorama der Literaturtheorie, das den Blick auf den Gegenstand weder durch verblasenen "Jargon" beeinträchtige noch auch den Fehler mache zu simplifizieren. Stets, so der Rezensent, stellt Culler Zusammenhänge her, führt "Denkprozesse" vor - und bietet zu guter Letzt im Anhang noch einen gedrängten Überblick. Ein Extralob gilt der Übersetzung und summa summarum empfiehlt Rosador den Band allen Interessierten als "Pflicht-" und "Lustlektüre".
© Perlentaucher Medien GmbH
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