Marcus, a.k.a "w1n5t0n," is only seventeen years old, but he figures he already knows how the system works-and how to work the system. Smart, fast, and wise to the ways of the networked world, he has no trouble outwitting his high school's intrusive but clumsy surveillance systems. But his whole world changes when he and his friends find themselves caught in the aftermath of a major terrorist attack on San Francisco. In the wrong place at the wrong time, Marcus and his crew are apprehended by the Department of Homeland Security and whisked away to a secret prison where they're mercilessly interrogated for days. When the DHS finally releases them, Marcus discovers that his city has become a police state where every citizen is treated like a potential terrorist. He knows that no one will believe his story, which leaves him only one option: to take down the DHS himself.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2010Amerikas Staatsfeinde 1 bis 4
Der Blogger Cory Doctorow hat den Thriller zur Stunde verfasst: "Little Brother" zeigt, wie man die Internetüberwachung des Staates sabotiert. Den Roman verstehen junge Leser als Anleitung.
Es ist keine Frage der technischen Verfügbarkeit. Welche Informationen sich heute aus den Datenspuren der Telekommunikation gewinnen lassen, hat Frank Rieger gerade in dieser Zeitung erläutert (F.A.Z. vom 20. Februar). Der Einsatz wird bereits verhandelt: Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Vorratsdatenspeicherung zulässig ist. Was passieren kann, wenn die staatlich legitimierte elektronische Überwachung zum Gebot der Stunde wird und selbst außer Kontrolle gerät, spielt Cory Doctorow in seinem Jugendthriller "Little Brother" durch, der heute in deutscher Übersetzung erscheint.
In dem Szenario, das der Blogger, Aktivist und Autor entwirft, erhält der amerikanische Heimatschutz nach einem Anschlag auf San Francisco in einem Patriot Act II Zugriff auf die Daten von Kartenzahlungen und auf die Daten, die von den Citymaut-Sendern in den Autos der Stadt empfangen werden. Der öffentliche Nahverkehr muss Tickets mit RFID, mit Funkchip, einsetzen. Flächendeckend werden Überwachungskameras installiert. Gesichtserkennungssoftware, deren Einsatz gegen simple Schulschwänzer gerade verboten worden war, wertet die Bilder aus. Alle Bürger mit auffälligen Bewegungsprofilen werden zur Rede gestellt.
Am Tag, als Terroristen die Bay Bridge in die Luft sprengten, hatte Marcus drei Freunde überredet, die Schule zu schwänzen, um die neue Aufgabe in einem übers Internet organisierten Orientierungswettspiel zu lösen: vier Siebzehnjährige, die ihre Neugier, ihr Wissen und ihre Kraft bislang zu wenig mehr verwendet hatten, als gelegentlich die elektronischen Kontrollsysteme ihrer Schulen zu überlisten. In der Panik nach dem Anschlag wird der junge Darryl verletzt, die vier suchen Hilfe und geraten an den Heimatschutz, der sie wie Verdächtige behandelt: Sie sind zur falschen Zeit am falschen Ort, haben auffälliges elektronisches Equipment dabei, werden verhaftet, verschleppt, verhört, gepeinigt. Als sie nach einigen Tagen freikommen, ist Darryl nicht dabei. Marcus beschließt zu kämpfen. Zuerst für den verletzten, vielleicht toten Freund. Und für die Freiheit. Für sein Land.
Weil sein Laptop manipuliert worden ist, hackt er eine X-Box, installiert das (bislang fiktive) Betriebssystem ParanoidLinux, das Überwachung unmöglich machen soll, verbreitet dieses Verfahren und entwickelt so ein Netz, dessen Kontrolle für den Heimatschutz kaum möglich ist. Er findet unter dem Namen M1k3y (gesprochen Mikey) Verbündete, die seine Idee begeistert aufgreifen, mit einem RFID-Kloner Marke Eigenbau die Daten von Passanten so durcheinanderzubringen, dass der Heimatschutz der Masse an Auffälligen nicht mehr Herr wird.
Natürlich rüstet der Heimatschutz auf und infiltriert das Xnet, jagt M1k3y und erwischt Marcus, der letztlich auf nahezu klassische Art gerettet wird. Dass Doctorow seinen Helden nicht nur von diesem ungleichen Kampf erzählen lässt, sondern vom Alltag eines aufgeweckten Digital Natives, von erster Liebe und anderen Teenagerthemen, gibt dem Roman Farbe und Fülle. Und ein Gegengewicht zu seinen ausführlichen datenschutz- und bürgerrechtlichen Diskussionen in Schule und Elternhaus, vor allem aber zu Erläuterungen und Exkursen vieler IT- und Hackerthemen, zur Kryptographie wie zum Domain-Name-Service-Protokoll oder, ganz praktisch, zu den Möglichkeiten, Handy-Identifikationen zu fälschen oder die Kamerakennung auf jedem digitalen Bild unkenntlich zu machen.
Cory Doctorow ist Mitherausgeber des populären Blogs "Boingboing", Zeitungskolumnist, Verfasser einiger Cyberthriller und Vortragsreisender. Zuvor leitete der heute 38 Jahre alte gebürtige Kanadier in London vier Jahre lang das europäische Büro der Electronic Frontier Foundation, einer Organisation, die für Datenschutz und Selbstverteidigung gegen Überwachung eintritt. In seinem Roman stellt er auf einem von den Widerständlern organisierten Freiluftkonzert, dessen Besucher mit Tränengas und Schlagstöcken überwältigt werden, eine Veteranin vor die Jugendlichen auf die Bühne: "Ihr seid die erste Generation, die im GULag Amerika aufwächst", ruft sie, "und ihr wisst auf den letzten gottverdammten Cent genau, was eure Freiheit wert ist!" Sie selbst sei für diesen Kampf mit ihren zweiunddreißig Jahren zu alt, lasse ihre Freiheit beschneiden, statt zu begreifen, dass man sich seine Freiheit nehmen muss. "Little Brother", Doctorows erster Roman für Jugendliche, liest sich auch als Weckruf: für alle, die glauben, nichts zu verbergen zu haben, und für unbedachte Eigendatenschleudern in sozialen Netzwerken. Mehr als das: Er liest sich als Handlungsanleitung. Und seine Leser handeln, oft zur Begeisterung des Autors, unter einer Creative-Commons-Lizenz, die das Buch im Internet frei zugänglich macht und zu seiner Bearbeitung einlädt: In einer Wiki-Version des Buches können Fans Kommentare absetzen. In der Google Group "Watching Back" tauschen sich Jugendliche über Freiheit in der elektronischen Welt aus - ganz im Sinne des "Little Brother", der dem Blick des Orwellschen "Big Brother" standhält. Eine Website erklärt die im Buch angeführten Tricks, Überwachung zu erkennen und zu verhindern, Programmierer wollen ParanoidLinux Wirklichkeit werden lassen, es gibt zahllose nichtkommerzielle Übersetzungen, allein in vier burmesische Sprachen.
Christian Wöhrl, der schon im Juni vergangenen Jahres eine eigene deutsche Übersetzung des Romans ins Netz gestellt hat, spricht von mehr als 140000 Abrufen seiner PDF-Datei. Was heißt das für das gedruckte Buch, das jetzt bei Rowohlt erscheint (512 S., br., 14,95 [Euro])? Cory Doctorow ist überzeugt, dass die freie Verbreitung im Internet den Verkaufszahlen seines Buchs nicht schadet. Und genutzt hat Wöhrls Arbeit zumindest einem: Uwe-Michael Gutzschhahn, der das Buch für den Verlag aus dem Englischen übertragen hat, war froh, bei all den Fachbegriffen nachschauen zu können, wie der Amateurkollege aus dem Internet sie übersetzt hat.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Blogger Cory Doctorow hat den Thriller zur Stunde verfasst: "Little Brother" zeigt, wie man die Internetüberwachung des Staates sabotiert. Den Roman verstehen junge Leser als Anleitung.
Es ist keine Frage der technischen Verfügbarkeit. Welche Informationen sich heute aus den Datenspuren der Telekommunikation gewinnen lassen, hat Frank Rieger gerade in dieser Zeitung erläutert (F.A.Z. vom 20. Februar). Der Einsatz wird bereits verhandelt: Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Vorratsdatenspeicherung zulässig ist. Was passieren kann, wenn die staatlich legitimierte elektronische Überwachung zum Gebot der Stunde wird und selbst außer Kontrolle gerät, spielt Cory Doctorow in seinem Jugendthriller "Little Brother" durch, der heute in deutscher Übersetzung erscheint.
In dem Szenario, das der Blogger, Aktivist und Autor entwirft, erhält der amerikanische Heimatschutz nach einem Anschlag auf San Francisco in einem Patriot Act II Zugriff auf die Daten von Kartenzahlungen und auf die Daten, die von den Citymaut-Sendern in den Autos der Stadt empfangen werden. Der öffentliche Nahverkehr muss Tickets mit RFID, mit Funkchip, einsetzen. Flächendeckend werden Überwachungskameras installiert. Gesichtserkennungssoftware, deren Einsatz gegen simple Schulschwänzer gerade verboten worden war, wertet die Bilder aus. Alle Bürger mit auffälligen Bewegungsprofilen werden zur Rede gestellt.
Am Tag, als Terroristen die Bay Bridge in die Luft sprengten, hatte Marcus drei Freunde überredet, die Schule zu schwänzen, um die neue Aufgabe in einem übers Internet organisierten Orientierungswettspiel zu lösen: vier Siebzehnjährige, die ihre Neugier, ihr Wissen und ihre Kraft bislang zu wenig mehr verwendet hatten, als gelegentlich die elektronischen Kontrollsysteme ihrer Schulen zu überlisten. In der Panik nach dem Anschlag wird der junge Darryl verletzt, die vier suchen Hilfe und geraten an den Heimatschutz, der sie wie Verdächtige behandelt: Sie sind zur falschen Zeit am falschen Ort, haben auffälliges elektronisches Equipment dabei, werden verhaftet, verschleppt, verhört, gepeinigt. Als sie nach einigen Tagen freikommen, ist Darryl nicht dabei. Marcus beschließt zu kämpfen. Zuerst für den verletzten, vielleicht toten Freund. Und für die Freiheit. Für sein Land.
Weil sein Laptop manipuliert worden ist, hackt er eine X-Box, installiert das (bislang fiktive) Betriebssystem ParanoidLinux, das Überwachung unmöglich machen soll, verbreitet dieses Verfahren und entwickelt so ein Netz, dessen Kontrolle für den Heimatschutz kaum möglich ist. Er findet unter dem Namen M1k3y (gesprochen Mikey) Verbündete, die seine Idee begeistert aufgreifen, mit einem RFID-Kloner Marke Eigenbau die Daten von Passanten so durcheinanderzubringen, dass der Heimatschutz der Masse an Auffälligen nicht mehr Herr wird.
Natürlich rüstet der Heimatschutz auf und infiltriert das Xnet, jagt M1k3y und erwischt Marcus, der letztlich auf nahezu klassische Art gerettet wird. Dass Doctorow seinen Helden nicht nur von diesem ungleichen Kampf erzählen lässt, sondern vom Alltag eines aufgeweckten Digital Natives, von erster Liebe und anderen Teenagerthemen, gibt dem Roman Farbe und Fülle. Und ein Gegengewicht zu seinen ausführlichen datenschutz- und bürgerrechtlichen Diskussionen in Schule und Elternhaus, vor allem aber zu Erläuterungen und Exkursen vieler IT- und Hackerthemen, zur Kryptographie wie zum Domain-Name-Service-Protokoll oder, ganz praktisch, zu den Möglichkeiten, Handy-Identifikationen zu fälschen oder die Kamerakennung auf jedem digitalen Bild unkenntlich zu machen.
Cory Doctorow ist Mitherausgeber des populären Blogs "Boingboing", Zeitungskolumnist, Verfasser einiger Cyberthriller und Vortragsreisender. Zuvor leitete der heute 38 Jahre alte gebürtige Kanadier in London vier Jahre lang das europäische Büro der Electronic Frontier Foundation, einer Organisation, die für Datenschutz und Selbstverteidigung gegen Überwachung eintritt. In seinem Roman stellt er auf einem von den Widerständlern organisierten Freiluftkonzert, dessen Besucher mit Tränengas und Schlagstöcken überwältigt werden, eine Veteranin vor die Jugendlichen auf die Bühne: "Ihr seid die erste Generation, die im GULag Amerika aufwächst", ruft sie, "und ihr wisst auf den letzten gottverdammten Cent genau, was eure Freiheit wert ist!" Sie selbst sei für diesen Kampf mit ihren zweiunddreißig Jahren zu alt, lasse ihre Freiheit beschneiden, statt zu begreifen, dass man sich seine Freiheit nehmen muss. "Little Brother", Doctorows erster Roman für Jugendliche, liest sich auch als Weckruf: für alle, die glauben, nichts zu verbergen zu haben, und für unbedachte Eigendatenschleudern in sozialen Netzwerken. Mehr als das: Er liest sich als Handlungsanleitung. Und seine Leser handeln, oft zur Begeisterung des Autors, unter einer Creative-Commons-Lizenz, die das Buch im Internet frei zugänglich macht und zu seiner Bearbeitung einlädt: In einer Wiki-Version des Buches können Fans Kommentare absetzen. In der Google Group "Watching Back" tauschen sich Jugendliche über Freiheit in der elektronischen Welt aus - ganz im Sinne des "Little Brother", der dem Blick des Orwellschen "Big Brother" standhält. Eine Website erklärt die im Buch angeführten Tricks, Überwachung zu erkennen und zu verhindern, Programmierer wollen ParanoidLinux Wirklichkeit werden lassen, es gibt zahllose nichtkommerzielle Übersetzungen, allein in vier burmesische Sprachen.
Christian Wöhrl, der schon im Juni vergangenen Jahres eine eigene deutsche Übersetzung des Romans ins Netz gestellt hat, spricht von mehr als 140000 Abrufen seiner PDF-Datei. Was heißt das für das gedruckte Buch, das jetzt bei Rowohlt erscheint (512 S., br., 14,95 [Euro])? Cory Doctorow ist überzeugt, dass die freie Verbreitung im Internet den Verkaufszahlen seines Buchs nicht schadet. Und genutzt hat Wöhrls Arbeit zumindest einem: Uwe-Michael Gutzschhahn, der das Buch für den Verlag aus dem Englischen übertragen hat, war froh, bei all den Fachbegriffen nachschauen zu können, wie der Amateurkollege aus dem Internet sie übersetzt hat.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main