Marleen Stoessels Essay ist ein Plädoyer für das Menschenrecht auf Humor. Der Humor und das Lachen sind Grundwerte menschlicher Zivilisierung und Kultur.Humor und Lachen sind Wesenszüge des Menschen, sind Signum menschlicher Freiheit und Souveränität. Als geistige Waffen werden sie zur höchsten und oftmals auch schwärzesten (Über-)Lebenskunst. Marleen Stoessels Essay ist eine Geschichte des Humors und zugleich eine amüsante Sammlung von Anekdoten und Aphorismen, von Geschichten und Sprüchen, in deren 'wandernder Mitte' der 'Trickster' erscheint, die in allen Kulturen wirkende Narrengestalt. Dieser Gestalt und ihrer humorbildenden Kraft folgt die Autorin quer durch Kulturen und Kulturgeschichte. Bei ihrer Spurensuche legt sie die konfliktlösenden Kräfte und die schelmischen Wurzeln des Humors frei. Das Wissen um die gemeinsamen Wurzeln erleichtert nicht nur das Verständnis und den Respekt für das Fremde, es zeigt mehr noch, wie das schelmische Erbe trotz aller Unterschiede eine gemeinsame (Humor-)Sprache ermöglicht, die in zahllosen Geschichten überliefert wird, die als 'stille' oder Flüsterpost von Ort zu Ort, von Land zu Land, von Kultur zu Kultur wandern und sich als das lachende 'Dritte' gegen eine Welt der puren Zweckmäßigkeit behaupten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2008Gucken Sie doch nicht so verschmitzt!
Wenn es wenig zu lachen gibt, sollte man einen Essay schreiben, mit seinen Kindern spielen, gut essen und angenehmen Sex haben. Marleen Stoessel sagt, was sonst noch hilft, um die Laune zu heben.
Es gibt Bücher, die möchte man nur manchen Lesern empfehlen, denen aber deutlich. "Lob des Lachens" von Marleen Stoessel ist eines davon. Ignorieren Sie den Titel, es geht weniger ums Lachen, ums - verschmitzte! - Lächeln als um den Humor. Genauer gesagt, um die Provinzen im Reich des Komischen, die Marleen Stoessel besonders schätzt. Aber das ist schließlich ihr Buch, da kann sie machen, was sie will.
In der klassischen Aussagenlogik gilt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten - Tertium non datur. Etwas ist entweder wahr oder falsch. Aber genau um dieses tertium geht es hier. Ein Beispiel: Es ist Krieg, das Signal zum Sturmangriff wird gegeben, die Kompanie klettert aus den Schützengräben hervor. Nur Levy läuft nach hinten. Der Hauptmann packt ihn: "Da vorn steht der Feind!" Darauf sagt Levy: "Nu, man wird doch noch Anlauf nehmen dürfen."
Was Humor ist, weiß die Autorin selbst nicht ganz genau. Sie umkreist den Begriff, aber sie versucht nie, ihn mit dem Lasso einzufangen. Wie könnte sie auch? Es gibt für den Soldaten Levy nur eine Möglichkeit, dem Hauptmann zu gehorchen, aber beliebig viele, nur so zu tun als ob. Humor besitzen nur wir Menschen, allenfalls die Hyänen können noch lachen. Deshalb begibt sich Stoessel auf einen Streifzug durch die Kulturgeschichte und zeigt uns sowohl Beispiele von Humor als auch Versuche, den Begriff zu verstehen.
Letzten Endes ist es aber wie im Märchen von dem Jungen, der auszog, das Fürchten zu lernen. Die schöne Königstochter hat ihm das Gruseln schließlich beigebracht. Das Gruseln ist ein Eimer kaltes Wasser mit Gründlingen drin. Das kann man weniger verstehen als fühlen. Gründlinge allein reichen nicht, es ist die Kombination aus der kalten Logik und dem Knalleffekt.
Die Auswahl der Gewährsleute ist sehr klassisch, etwas zu klassisch vielleicht. Die Autorin hat offensichtlich mehr Bücher gelesen, als ein Hund Flöhe hat, und sie zitiert sie auch alle, aber in den längeren Passagen sind dann doch die großen Namen überrepräsentiert. Nichts gegen Homer, Plato, Shakespeare, Cervantes, Kant, Schopenhauer, Mann, Freud, Kafka, Adorno, Beckett und Konsorten, aber die Gedanken von Stoessel sind originell genug, dass sie auch ohne so viel fremdes Licht ein Lachen hervorzaubern können. Und wenn nicht ein Lachen, dann doch ein Lächeln. Was macht uns lächeln? Das Glück im Unglück, die Rechnung ohne den Wirt, das halbvolle Glas. "Niemals geht man so ganz, irgendwas von mir bleibt hier", summ, summ - welches Lächeln wäre tiefer gegründet als das Abschiedslächeln Trude Herrs?
Aber was ist Humor? Vielleicht fangen wir damit an, was nicht Humor ist. Ironie, Sarkasmus und Zynismus sind nicht Humor. Die Satire wird nicht explizit erwähnt, fällt aber vermutlich auch unter dieses Verdikt. Laut Schopenhauer entsteht Humor, wenn der Ernst sich hinter dem Scherz versteckt. Im umgekehrten Fall entsteht Ironie. Von der Ironie handelt das Buch nicht, und die Autorin schätzt sie wohl auch nicht sonderlich. "Die Ironie lacht eher nicht, ..." Vielleicht grinst sie ja, oder sie kichert, aber in einem "Lob des Lachens" ist sie persona non grata. Ironie verletzt und hat schmale Lippen. Wer den Humor liebt und die Ironie schätzt, der muss sich eben noch ein zweites Buch kaufen. Das findet er aber kaum in einer Buchreihe namens "Bibliothek der Lebenskunst".
Paul Klee hat kurz vor seinem Tod einen Engel mit einer Narrenschelle gezeichnet. Dieser ziert den Deckel des schön ausgestatteten Bändchens. Schauen Sie ihn sich an, und wenn Sie einen Empfänger dafür haben, dann wird Ihnen auch das Buch gefallen. Humor ist Engel und Narr zugleich, kindlich und altersweise, Primum und Tertium. Humor ist bewusstes Spiel: spielen und sich gleichzeitig beim Spielen zuschauen.
Die Mitte des Essays, wörtlich und übertragen, beschäftigt sich mit der Figur des Schelms, des Tricksters. Der Schelm besitzt eine Doppelnatur, er ist Kulturheld und Kulturkritiker, er ist die weise Eule und der Spiegel, in dem wir unsere eigenen Narrenpossen sehen.
Aber es ist nicht das hier ausgebreitete enzyklopädische Wissen über Schelme, das uns über den Humor belehrt. Wenn überhaupt, kann nur Marleen Stoessel selbst uns zum Lachen bringen, nicht ihre gelehrten Gewährsleute. Stoessels Humor ist sanft und irgendwie letztlich doch sehr konstruktiv. Es ist mehr der Humor der Underdogs, der Diskriminierten. Ihr Humor ist sozusagen die Essenz alles Humors. Shakespeare und Loriot und Woody Allen mögen alle, ich auch. Chas Adams, W. C. Fields und Groucho Marx findet man in dem Buch nicht. Aber vielleicht wäre da auch schon die Grenze zur Ironie überschritten.
Stoessel berichtet durchaus auch über malignere Formen des Humors. Die Kapitelüberschrift zum schwarzen Humor enthält aber ein relativierendes "Grenzen des Humors". Natürlich hat alles Grenzen. Aber muss man wirklich über Grenzen nachdenken, ehe man sich dort ein paar Streifschüsse geholt hat? Interessiert sich ein Physiker für die Grenzen der Physik? Den Karikaturenstreit erwähnt die Autorin nur beiläufig. Da hätte ich mir eigentlich eine klare Meinungsäußerung gewünscht. Nicht über die bewussten Karikaturen, die waren größtenteils doof, aber über die Freiheit zu lachen.
Welches Buch würde ich auf die einsame Insel mitnehmen? Nicht dieses, auch wenn ich es gern gelesen habe. Vermutlich das Bi-Yän-Lu, das berühmte Werk des Tschan-Buddhismus. Im sechsundsechzigsten Beispiel sagt da ein Mönch einen sehr dämlichen Satz zum Meister Yän-tau. Der lässt sich aber nichts anmerken: "Yän-tau lachte mächtig: Hahaha!!" Der Mönch berichtet dann einige Zeit später voller Selbstzufriedenheit dem Meister Hsüä-fëng von dieser Begegnung. "Hsüä-fëng gab ihm dreißig Schläge mit dem Stock und jagte ihn hinaus." Das Lachen hat eine helle und eine dunkle Seite. Manchmal ist es ein Elixier. Für einen eitlen Fatzke kann es aber auch üble Folgen haben. Beides ist gut so.
ERNST HORST
Marleen Stoessel: "Lob des Lachens". Eine Schelmengeschichte des Humors. Bibliothek der Lebenskunst. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 218 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn es wenig zu lachen gibt, sollte man einen Essay schreiben, mit seinen Kindern spielen, gut essen und angenehmen Sex haben. Marleen Stoessel sagt, was sonst noch hilft, um die Laune zu heben.
Es gibt Bücher, die möchte man nur manchen Lesern empfehlen, denen aber deutlich. "Lob des Lachens" von Marleen Stoessel ist eines davon. Ignorieren Sie den Titel, es geht weniger ums Lachen, ums - verschmitzte! - Lächeln als um den Humor. Genauer gesagt, um die Provinzen im Reich des Komischen, die Marleen Stoessel besonders schätzt. Aber das ist schließlich ihr Buch, da kann sie machen, was sie will.
In der klassischen Aussagenlogik gilt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten - Tertium non datur. Etwas ist entweder wahr oder falsch. Aber genau um dieses tertium geht es hier. Ein Beispiel: Es ist Krieg, das Signal zum Sturmangriff wird gegeben, die Kompanie klettert aus den Schützengräben hervor. Nur Levy läuft nach hinten. Der Hauptmann packt ihn: "Da vorn steht der Feind!" Darauf sagt Levy: "Nu, man wird doch noch Anlauf nehmen dürfen."
Was Humor ist, weiß die Autorin selbst nicht ganz genau. Sie umkreist den Begriff, aber sie versucht nie, ihn mit dem Lasso einzufangen. Wie könnte sie auch? Es gibt für den Soldaten Levy nur eine Möglichkeit, dem Hauptmann zu gehorchen, aber beliebig viele, nur so zu tun als ob. Humor besitzen nur wir Menschen, allenfalls die Hyänen können noch lachen. Deshalb begibt sich Stoessel auf einen Streifzug durch die Kulturgeschichte und zeigt uns sowohl Beispiele von Humor als auch Versuche, den Begriff zu verstehen.
Letzten Endes ist es aber wie im Märchen von dem Jungen, der auszog, das Fürchten zu lernen. Die schöne Königstochter hat ihm das Gruseln schließlich beigebracht. Das Gruseln ist ein Eimer kaltes Wasser mit Gründlingen drin. Das kann man weniger verstehen als fühlen. Gründlinge allein reichen nicht, es ist die Kombination aus der kalten Logik und dem Knalleffekt.
Die Auswahl der Gewährsleute ist sehr klassisch, etwas zu klassisch vielleicht. Die Autorin hat offensichtlich mehr Bücher gelesen, als ein Hund Flöhe hat, und sie zitiert sie auch alle, aber in den längeren Passagen sind dann doch die großen Namen überrepräsentiert. Nichts gegen Homer, Plato, Shakespeare, Cervantes, Kant, Schopenhauer, Mann, Freud, Kafka, Adorno, Beckett und Konsorten, aber die Gedanken von Stoessel sind originell genug, dass sie auch ohne so viel fremdes Licht ein Lachen hervorzaubern können. Und wenn nicht ein Lachen, dann doch ein Lächeln. Was macht uns lächeln? Das Glück im Unglück, die Rechnung ohne den Wirt, das halbvolle Glas. "Niemals geht man so ganz, irgendwas von mir bleibt hier", summ, summ - welches Lächeln wäre tiefer gegründet als das Abschiedslächeln Trude Herrs?
Aber was ist Humor? Vielleicht fangen wir damit an, was nicht Humor ist. Ironie, Sarkasmus und Zynismus sind nicht Humor. Die Satire wird nicht explizit erwähnt, fällt aber vermutlich auch unter dieses Verdikt. Laut Schopenhauer entsteht Humor, wenn der Ernst sich hinter dem Scherz versteckt. Im umgekehrten Fall entsteht Ironie. Von der Ironie handelt das Buch nicht, und die Autorin schätzt sie wohl auch nicht sonderlich. "Die Ironie lacht eher nicht, ..." Vielleicht grinst sie ja, oder sie kichert, aber in einem "Lob des Lachens" ist sie persona non grata. Ironie verletzt und hat schmale Lippen. Wer den Humor liebt und die Ironie schätzt, der muss sich eben noch ein zweites Buch kaufen. Das findet er aber kaum in einer Buchreihe namens "Bibliothek der Lebenskunst".
Paul Klee hat kurz vor seinem Tod einen Engel mit einer Narrenschelle gezeichnet. Dieser ziert den Deckel des schön ausgestatteten Bändchens. Schauen Sie ihn sich an, und wenn Sie einen Empfänger dafür haben, dann wird Ihnen auch das Buch gefallen. Humor ist Engel und Narr zugleich, kindlich und altersweise, Primum und Tertium. Humor ist bewusstes Spiel: spielen und sich gleichzeitig beim Spielen zuschauen.
Die Mitte des Essays, wörtlich und übertragen, beschäftigt sich mit der Figur des Schelms, des Tricksters. Der Schelm besitzt eine Doppelnatur, er ist Kulturheld und Kulturkritiker, er ist die weise Eule und der Spiegel, in dem wir unsere eigenen Narrenpossen sehen.
Aber es ist nicht das hier ausgebreitete enzyklopädische Wissen über Schelme, das uns über den Humor belehrt. Wenn überhaupt, kann nur Marleen Stoessel selbst uns zum Lachen bringen, nicht ihre gelehrten Gewährsleute. Stoessels Humor ist sanft und irgendwie letztlich doch sehr konstruktiv. Es ist mehr der Humor der Underdogs, der Diskriminierten. Ihr Humor ist sozusagen die Essenz alles Humors. Shakespeare und Loriot und Woody Allen mögen alle, ich auch. Chas Adams, W. C. Fields und Groucho Marx findet man in dem Buch nicht. Aber vielleicht wäre da auch schon die Grenze zur Ironie überschritten.
Stoessel berichtet durchaus auch über malignere Formen des Humors. Die Kapitelüberschrift zum schwarzen Humor enthält aber ein relativierendes "Grenzen des Humors". Natürlich hat alles Grenzen. Aber muss man wirklich über Grenzen nachdenken, ehe man sich dort ein paar Streifschüsse geholt hat? Interessiert sich ein Physiker für die Grenzen der Physik? Den Karikaturenstreit erwähnt die Autorin nur beiläufig. Da hätte ich mir eigentlich eine klare Meinungsäußerung gewünscht. Nicht über die bewussten Karikaturen, die waren größtenteils doof, aber über die Freiheit zu lachen.
Welches Buch würde ich auf die einsame Insel mitnehmen? Nicht dieses, auch wenn ich es gern gelesen habe. Vermutlich das Bi-Yän-Lu, das berühmte Werk des Tschan-Buddhismus. Im sechsundsechzigsten Beispiel sagt da ein Mönch einen sehr dämlichen Satz zum Meister Yän-tau. Der lässt sich aber nichts anmerken: "Yän-tau lachte mächtig: Hahaha!!" Der Mönch berichtet dann einige Zeit später voller Selbstzufriedenheit dem Meister Hsüä-fëng von dieser Begegnung. "Hsüä-fëng gab ihm dreißig Schläge mit dem Stock und jagte ihn hinaus." Das Lachen hat eine helle und eine dunkle Seite. Manchmal ist es ein Elixier. Für einen eitlen Fatzke kann es aber auch üble Folgen haben. Beides ist gut so.
ERNST HORST
Marleen Stoessel: "Lob des Lachens". Eine Schelmengeschichte des Humors. Bibliothek der Lebenskunst. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 218 S., geb., 15,- [Euro].
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.02.2009KURZKRITIK
Das Holzpferd
Nicht nur für Narren: Marleen Stoessels „Lob des Lachens”
Immer, wenn die Narren die Straßen erobern, erwecken sie den Anschein, ihre Herrschaft sei nur von kurzer Dauer. Manche behaupten gar, sie seien schon immer verpönt gewesen und beschweren sich darüber, schon von Plato aus dem Staat vertrieben worden zu sein. Nun war aber Plato nicht sehr erfolgreich mit seinen Austreibungen, und wenn man in Marleen Stoessels Essay „Lob des Lachens” blättert, begegnet man einer ganzen Phalanx von erfolgreicher Figuren des Humors, gleich zu Beginn dem unverschämt frechen Wickelkind Hermes, und es ist sehr die Frage, ob bei Shakespeare die Narren machtloser sind als die Könige oder umgekehrt. Jedenfalls sind selbst Shakespeares Prinzen gegen die Verballhornung ihrer berühmten Monologe machtlos: „To bäh or not to bäh, that is the question . . . ” (Lichtenberg).
Zum Glück verfolgt die Autorin ihre Lieblingschelme, -narren und -trickster zwar gelehrt, aber auch vergnüglich durch die Länder und Zeiten. Die großen Bücher, wie der „Don Quijote”, kommen in kleinen Anekdoten daher, die Theorien von Aristoteles über Cicero bis zu Henri Bergson und Sigmund Freud dürfen nicht auftrumpfen und Hegel bekommt Kater Murr als Haustier zugesellt. So inständig wird hier das Lob des Lachen gesungen, dass selbst überaus ernst gemeinte Walter-Benjamin-Zitate von untergründiger Komik erfasst werden: „Das kommende Erwachen steht wie das Holzpferd der Griechen im Troja des Traums.” LOTHAR MÜLLER
MARLEEN STOESSEL: Lob des Lachens. Eine Schelmengeschichte des Humors. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2008. 218 Seiten, 15 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Das Holzpferd
Nicht nur für Narren: Marleen Stoessels „Lob des Lachens”
Immer, wenn die Narren die Straßen erobern, erwecken sie den Anschein, ihre Herrschaft sei nur von kurzer Dauer. Manche behaupten gar, sie seien schon immer verpönt gewesen und beschweren sich darüber, schon von Plato aus dem Staat vertrieben worden zu sein. Nun war aber Plato nicht sehr erfolgreich mit seinen Austreibungen, und wenn man in Marleen Stoessels Essay „Lob des Lachens” blättert, begegnet man einer ganzen Phalanx von erfolgreicher Figuren des Humors, gleich zu Beginn dem unverschämt frechen Wickelkind Hermes, und es ist sehr die Frage, ob bei Shakespeare die Narren machtloser sind als die Könige oder umgekehrt. Jedenfalls sind selbst Shakespeares Prinzen gegen die Verballhornung ihrer berühmten Monologe machtlos: „To bäh or not to bäh, that is the question . . . ” (Lichtenberg).
Zum Glück verfolgt die Autorin ihre Lieblingschelme, -narren und -trickster zwar gelehrt, aber auch vergnüglich durch die Länder und Zeiten. Die großen Bücher, wie der „Don Quijote”, kommen in kleinen Anekdoten daher, die Theorien von Aristoteles über Cicero bis zu Henri Bergson und Sigmund Freud dürfen nicht auftrumpfen und Hegel bekommt Kater Murr als Haustier zugesellt. So inständig wird hier das Lob des Lachen gesungen, dass selbst überaus ernst gemeinte Walter-Benjamin-Zitate von untergründiger Komik erfasst werden: „Das kommende Erwachen steht wie das Holzpferd der Griechen im Troja des Traums.” LOTHAR MÜLLER
MARLEEN STOESSEL: Lob des Lachens. Eine Schelmengeschichte des Humors. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2008. 218 Seiten, 15 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieses Buch kann Ernst Horst empfehlen. Nicht allen zwar, da macht er uns nichts vor, aber für welches Buch gilt das schon. Horst findet heraus, dass die Autorin hier ihre eigene Sicht auf den Humor vorstellt. Auch, wenn sie, wie der Rezensent einräumt, nicht ganz genau weiß, was das ist, Humor. Genau darum geht es Marleen Stoessel: Den Begriff zu umkreisen, Grenzen auszuloten, über einen "Streifzug durch die Kulturgeschichte". Die Gewährsleute, die sie dafür in großer Zahl hinzuzieht, gehören für Horst zu den Klassikern: Homer, Shakespeare, Cervantes, Beckett usw. Etwas mehr Vertrauen in die eigene Perspektive, meint er, hätte die Autorin dabei ruhig haben dürfen. Ihre Gedanken findet er originell genug, und mit ihrer Art von Humor ("der Underdogs" a la Loriot, Woody Allen) kann er gut leben - und lachen. Zumal Stoessel durchaus auch "malignere" Humorarten vorstellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Stoessel rehabilitiert in ihrem Essay die subversiven und im Idealfall von Angst befreienden Potenziale des Lachens, wie sie etwa von den Kulturarchäologen Michail Bachtin, Walter Benjamin und Georges Bataille beschrieben wurden. In ihrem Parforceritt durch die Humorgeschichte stehen ihr Cervantes und Shakespeare, Goethe und Heine, Valentin und Loriot zur Seite.«
Hendrik Werner, DIE WELT
Hendrik Werner, DIE WELT