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Der Film Cabaret machte Christopher Isherwood zu einem weltberühmten Autor. Berühmt war er schon vorher: als Verfasser zweier großartiger Romane, die Anfang der Dreißiger Jahre im Berlin der beginnenden Nazi-Zeit spielen und zur Vorlage des Films wurden. Und, weil er mit Stephen Spender und W. H. Auden eine spektakuläre homosexuelle Ménage-à-Trois bildete. Seine offenherzigen Jugenderinnerungen aus Schule und Universität, Cambridge und London lesen sich als eine Education sentimentale wie es nur wenige gibt in der Weltliteratur. Erzählt wird auf mitfühlend schonungslose Weise, wie der junge…mehr

Produktbeschreibung
Der Film Cabaret machte Christopher Isherwood zu einem weltberühmten Autor. Berühmt war er schon vorher: als Verfasser zweier großartiger Romane, die Anfang der Dreißiger Jahre im Berlin der beginnenden Nazi-Zeit spielen und zur Vorlage des Films wurden. Und, weil er mit Stephen Spender und W. H. Auden eine spektakuläre homosexuelle Ménage-à-Trois bildete. Seine offenherzigen Jugenderinnerungen aus Schule und Universität, Cambridge und London lesen sich als eine Education sentimentale wie es nur wenige gibt in der Weltliteratur. Erzählt wird auf mitfühlend schonungslose Weise, wie der junge Isherwood sich selbst als Schriftsteller entdeckt. Eine komisch ironische Schilderung von Tagträumen, Einsichten, fast ein Roman: darüber, wie alles anfing: Die Liebe zur Literatur und die zu den Männern.
Autorenporträt
Christopher Isherwood, geboren 1904 in England, gestorben 1986 in Kalifornien, studierte in Cambridge Medizin und lebte von 1929 bis 1933 als Sprachlehrer in Berlin. In dieser Zeit spielen seine beiden berühmtesten Romane, "Mr. Norris Changes Trains" und "Good Bye to Berlin", die als glänzende literarische Beschreibung der künstlerischen Subkultur im Berlin der beginnenden Nazi-Zeit weltberühmt und zur Vorlage des Films "Cabaret" mit Liza Minelli und Michael York wurden. Isherwood ging 1939 in die USA, wo er bis an sein Lebensende blieb. Er schrieb Theaterstücke, Drehbücher, Romane und autobiographische Bücher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2010

Unter Schickokraten
Christopher Isherwood erinnert sich an seine Jugend und verwandelt Lebensprobleme in literarische Herausforderungen
Auf der Gedenktafel in der Berliner Nollendorfstraße, im traditionsreichen schwulen Amüsierbezirk Schöneberg gelegen, steht, was jedermann über Christopher Isherwood weiß: Dass er von 1929 bis 1933 in Berlin lebte, dass die Erlebnisse und Ereignisse jener Jahre den Romanen „Mister Norris steigt um“ und „Lebwohl Berlin“ zugrundeliegen, dass aus den Motiven beider Romane das Musical „Cabaret“ entstand. Die Verfilmung 1972 machte Liza Minelli und Isherwood für wenigstens 100 Jahre berühmt. 2009 gab dann Tom Ford mit „A Single Man“ sein Regiedebüt. Der Film beruhte auf dem vielleicht schönsten, weisesten Buch Isherwoods, dem Roman „Der Einzelgänger“ (1964).
Es sieht so aus, als wären Isherwoods Figuren und Geschichten bekannter geworden als seine Bücher. Sollte dies stimmen, wäre es ungerecht gegenüber den Büchern und schade für alle Leser. Was sie an diesem Autor haben, wie viel Vergnügen er bereiten kann, zeigen nun die von Joachim Kalka übersetzten Erinnerungen an eine „Jugend in den zwanziger Jahren“. Berichtet wird von Schul- und Universitätsbesuch, von Orientierungsproblemen und Schreibversuchen, von Freundschaften und dem unbedingten Willen, sich zu unterscheiden, ein „Ich“ zu sein.
Der erste Auftritt gehört dem Geschichtslehrer Mr. Holmes, in dessen Unterrichtsstunden man selber gern gesessen hätte. Wir erfahren, wie der Held Isherwood sich dann in Cambridge einrichtete, dort mit Absicht durchs Examen fiel, sich als Sekretär eines Geigers und als Hauslehrer durchschlug, wie schließlich sein Roman „All the Conspirators“ erschien, er ein Medizinstudium begann und es rasch unterbrach, um nach Berlin zu reisen. Dass er dies wegen der legendären Lasterhaftigkeit der Stadt tat, dass er der Jungs wegen dorthin fuhr – „Berlin meant boys“, schreibt er später – wird in „Löwen und Schatten“ verschwiegen. Das sexuelle Erwachen spielt in dieser Geschichte eines Erwachsenwerdens nur eine untergeordnete Rolle.
Gemessen am Schrulligkeitspotential von Bildungsanstalten und der notorischen Exzentrikerdichte in England wirken Isherwoods Erinnerungen auffallend normal. Im Mittelpunkt stehen Schreibprojekte, die meist misslingen, und literarische Phantasien von surrealer Kraft. Gemeinsam mit dem Schulfreund Allen Chalmers, der im Leben Edward Upward hieß, entwirft Isherwood einen ästhetischen Kontinent des Rattenhaften, erst eine „Andere Stadt“, schließlich das Dorf Mortmere – eine Gegenwelt zur Universität, zu den Erwartungen der anderen und zur platten Herrschaft der „Schickokraten“.
Zwar hegt Isherwood eine „gefährliche Schwäche für die Gesellschaft der Schickokraten des College“, fühlt sich hingezogen zu den durch „Adelstitel, Sportsiege, Geld, gutes Aussehen oder akademische Erfolge“ Hervorragenden, aber sein Außenseitertum und der „Kultus des romantisch Seltsamen“ bewahren ihn davor, dem Glanz der eigenen Herkunft zu erliegen. „J’en appelle!“ – Villons „Ich erhebe Einspruch!“ – wird zur Losung der Freunde und Isherwood ein treuer Verräter seiner Klasse. Nur zeichnet er die Abkehr von der Welt der Eltern nicht dramatisch, tragisch, krass. Er hat nicht vergessen, was Chalmers nach der Lektüre von „Howard’s End“ wie eine neue Heilsbotschaft entwickelte: „Die ganze Technik von Forster beruht auf dem Teetischgespräch. Statt alle seine Szenen zu höchster Dramatik raufzuschrauben, dämpft er sie runter, bis alles wie Frauenvereinskonversation klingt . . . .“ Neue Akzente, eine andere Sprache gewinne man auf diese Weise.
Isherwoods große Stärke liegt in der Personencharakteristik. Wie jeder Außenseiter, dessen soziales Überleben davon abhängt, hat er seine Aufmerksamkeit ungeheuer geschärft und zugleich die Distanz zu sich selbst gefunden, ohne die man niemanden angemessen beurteilen kann. So gelingen ihm dann Kunststücke wie die Vergegenwärtigung des Geschichtslehrers oder das berühmte Porträt des jungen Wystan Hugh Auden, der im Buch Hugh Weston heißt: „ . . . seine kleinen hell-blassen Augen waren immer noch in demselben kurzsichtigen Stirnrunzeln zusammengekniffen, und seine stummeligen kindlichen Finger zeigten immer noch abgebissene Nägel und Flecken – nun vermengte sich allerdings die Tinte mit Nikotin. Er war teuer, doch unordentlich gekleidet.“
Der leichte Ton dieser Erinnerungen klingt im Leser lange nach. Das ist höchst elegant, wenn man darunter die Verbindung von Bestimmtheit und Nuancenreichtum versteht. Isherwood trainiert die Verwandlung von Lebensproblemen in literarische Aufgaben. In der Prüfung etwa galt es, die Fragen auf besondere Weise zu beantworten: „Ich mußte etwas schreiben, das mit Sicherheit dazu führen würde, daß ich der Universität Cambridge verwiesen würde.“ Da ging es also nicht länger um eine „sensationelle Herausforderung der Autoritäten“, sondern um „eine Art literarisches Rätselspiel“.
Wie andere seiner Generation litt Isherwood daran, nicht im Krieg gewesen zu sein, in dem sein Vater gefallen war. „Löwen und Schatten“ heißt der Roman des Jungen, der auf eine „große Prüfung“ wartet und zugleich befürchtet, in ihr zu versagen. Die Lösung dieses Problems liegt im Schreiben, eigentlich handelt das Buch davon, wie der Ton gefunden wurde, es zu schreiben. Den Übersetzer Joachim Kalka kann man für sein Deutsch nur bewundern, auch als Herausgeber dient er mit klugem Vorwort und hilfreich knappem Kommentar dem Text. 75 Prozent seiner „sogenannten Persönlichkeit“, schreibt Isherwood, bestanden aus schlechten Imitationen seiner diversen Freunde. Die Jungenderinnerungen setzen ihnen ein lichtes poetisches Denkmal.
JENS BISKY
CHRISTOPHER ISHERWOOD: Löwen und Schatten. Eine englische Jugend in den zwanziger Jahren. Aus dem Englischen von Joachim Kalka. Berenberg Verlag, Berlin 2010. 320 Seiten, 25 Euro.
1938, im Jahr, in dem „Lions and Shadows“ erschien, reisten Christopher Isherwood (links) und W. H. Auden nach China. Hier sieht man sie vor ihrer Abreise, London Victoria Station. Über den Schüler Weston alias Auden heißt es: „Er war frühreif altklug, unordentlich, faul, und er neigte den Lehrern gegenüber zu Frechheiten.“ Foto: Popperfoto/Getty Images
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Vergnügen hat Rezensent Jens Bisky diese Erinnerungen von Christopher Isherwood an seine Jugend in den zwanziger Jahren gelesen. Besonders gefällt ihm die Leichtigkeit, mit der der englische Schriftsteller von Schul- und Universitätsbesuch, Orientierungsproblemen, Freundschaften, Schreibversuchen und von seiner Zeit in Berlin berichtet. Im Mittelpunkt sieht er weniger das sexuelle Erwachen des Autors in den Berliner Jahren, als vielmehr diverse Schreibprojekte und "literarische Phantasien von surrealer Kraft". Er schätzt die Eleganz von Isherwoods Stil, seinen genauen Blick und seine brillante Personencharakteristik. So ist das Buch für Bisky auch ein "lichtes poetisches Denkmal" für die Freunde des Autors. Mit Lob bedenkt er nicht zuletzt die ausgezeichnete Übersetzung, das erhellende Vorwort und den nützlichen Kommentar von Joachim Kalkas.

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