In seinem neuen Roman erzählt Adolf Muschg die Geschichte von Hermann Ludwig von Löwensterns (1777-1836) Versuchen, nach Japan zu gelangen. Der Balte hatte im Auftrage des russischen Zaren an Adam von Krusensterns erster Weltumseglung teilgenommen und kennt auch die dramatischen Ereignisse des zweiten russischen Versuchs unter Wassili Golownin, der mit dessen Gefangenschaft in Japan endet.
Golownin hat über dieses Abenteuer geschrieben. Löwensterns eigenes Lebensabenteuer, das um "die Entdeckung" eines Landes kreist, das sich seit Jahrhunderten abgeschottet hat, führt ihn selbst in eine prekäre Gefangenschaft, aus der ihn nur die Liebe wieder befreien kann. Im Zentrum des Romans steht die leidenschaftliche, extreme Liebesgeschichte Löwensterns mit Nadja, die auf vielfältige Weise mit den Protagonisten dieser Geschichte - realen historischen Figuren - verbunden ist. Diese Liebe stellt alles infrage und auf den Kopf, Rollen, Gefühle, Sprache und Erotik. Löwensterns geheime Geschichte hat ihn zu Aufzeichnungen inspiriert, die auf verschlungenen Wegen in Adolf Muschgs Hände gelangt sind. Japan als Projektion und Erlebnis ist auch ein Lebensthema Muschgs. In diesem spannenden, auf historischen Tatsachen beruhenden Roman liefert Muschg zugleich ein Vexierbild über das Spiel zwischen dem Eigenen und dem Fremden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Golownin hat über dieses Abenteuer geschrieben. Löwensterns eigenes Lebensabenteuer, das um "die Entdeckung" eines Landes kreist, das sich seit Jahrhunderten abgeschottet hat, führt ihn selbst in eine prekäre Gefangenschaft, aus der ihn nur die Liebe wieder befreien kann. Im Zentrum des Romans steht die leidenschaftliche, extreme Liebesgeschichte Löwensterns mit Nadja, die auf vielfältige Weise mit den Protagonisten dieser Geschichte - realen historischen Figuren - verbunden ist. Diese Liebe stellt alles infrage und auf den Kopf, Rollen, Gefühle, Sprache und Erotik. Löwensterns geheime Geschichte hat ihn zu Aufzeichnungen inspiriert, die auf verschlungenen Wegen in Adolf Muschgs Hände gelangt sind. Japan als Projektion und Erlebnis ist auch ein Lebensthema Muschgs. In diesem spannenden, auf historischen Tatsachen beruhenden Roman liefert Muschg zugleich ein Vexierbild über das Spiel zwischen dem Eigenen und dem Fremden.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nach der Lektüre von Adolf Muschgs neuem Roman "Löwenstern" bleibt Rezensent Lorenz Jäger mit gemischten Gefühlen zurück. Ausgehend von dem erst vor zehn Jahren herausgegebenen Tagebuch des Abenteurers Hermann Ludwig von Löwenstein erzähle Muschg die fiktionalisierte Geschichte der Japanreise des deutschbaltischen Grafen, berichtet der Kritiker, der hier äußerst amüsiert auch von Löwensteins Treffen mit Goethe in Weimar liest. Für den Rezensenten sind die Gespräche zwischen den beiden in ihrer hinreißenden "Pastiche" gar das Beste, was in diesem Genre seit Thomas Manns "Lotte in Weimar" geschrieben wurde. Allerdings muss Jäger auch gestehen, dass ihn Muschgs Drang, so viele historische Figuren wie möglich unterzubringen - etwa Christiane Vulpius, Heinrich von Kleist oder August von Kotzebue - zunehmend angestrengt hat. Auch den erotischen Szenen dieses Buches kann der Kritiker nicht allzu viel abgewinnen. Dennoch lobt er den Roman als gehaltvolles, mit "surreal-phantasmagorischen Episoden" angereichertes Werk, das insbesondere durch die nahezu japanischen Naturbetrachtungen überzeugt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2013Die Revolution ist so ungeheuer, man kann sie nur ignorieren
Von Goethes Weimar nach Japan: Adolf Muschg reist mit dem deutschbaltischen Abenteurer Löwenstern in sein Sehnsuchtsland
Literatur aus Literatur - und aus historischen Phantasmagorien. Ein Manuskript, fast zweihundert Jahre alt, das dem Herausgeber durch eine glückliche Fügung im Baltischen in die Hand fällt. Die romantische Maschinerie also noch einmal, heute mag es andere Begriffe dafür geben, aber wir erkennen sie. Nur der Schauplatz ist nicht mehr romantisch, es sei denn, man nähme das noch fast gänzlich verschlossene Japan vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts als einen solchen Sehnsuchts- und Imaginationsort wie Georg Forsters Südsee.
Hermann Ludwig Löwenstern hat wirklich gelebt. Er nahm an der ersten russischen Weltumsegelung teil, der Krusenstern-Mission, und hinterließ ein Tagebuch, das erst vor zehn Jahren ediert wurde. Noch gehörte Alaska dem Russischen Reich. In Kalifornien besaß man einzelne Stationen. Im Osten griff man nach der Inselgruppe der Kurilen, die Halbinsel Kamtschatka stößt weit nach Süden hinunter, während sich Japan nach Norden auf die Insel Hokkaido ausdehnte. Und so liegen die Keime des Kommenden schon bereit. "Es sind ungleiche Mächte", heißt es einmal in dem Roman, "die sich an diesen Inseln berühren, aber der Zusammenstoß ist unvermeidlich." Muschgs Buch hat eine geopolitische Pointe, auch wenn sie nicht übermäßig betont wird. "Jetzt ist Argonautenzug, und wir ziehen!", sagt einer der Russen.
Nach Japan will nun der fiktionalisierte Löwenstern des Romans, ein Mann des baltendeutschen Adels, geboren im Mai 1777 (Muschg kam am 13. Mai 1934 zur Welt). In Gulliver findet er sein Vorbild, ermutigt wird er von Goethe, den er in Weimar besucht. Die Gespräche Löwensterns mit dem Dichter sind wohl in ihrem anmutigen, unangestrengten Pastiche das Beste, was es in diesem Genre seit Thomas Manns "Lotte in Weimar" gab. Gleich sind die beiden bei Gulliver, Goethe äußert sich realistisch: "Die Liliputaner und die Blefuscaner sind jedenfalls Engländer und Franzosen, sagte er, das sieht man daran, wie sie einander die Flotte streitig machen, mit der sie die Welt beherrschen wollen ... die Laputen, deren Herrschaft in der Luft hängt, auf einer schwebenden Insel, die ihren Untertanen jederzeit auf den Kopf fallen kann, müssen Deutsche sein, erklärte er, dafür spricht ebenso ihre mathematische Pedanterie wie das Grenzenlose ihrer Spekulation." Und was habe denn verhindert, dass Löwenstern nicht schon nach Japan gesegelt sei? Sein russischer Dienst, antwortet dieser, und die Französische Revolution. Goethes Antwort hat Muschg wirklich hinreißend getroffen: "Fisimatenten, Ausreden! rief Goethe, einen Dienst kann man quittieren, und was die Revolution betrifft: sie ist ein so ungeheures Ereignis, dass Menschen unserer Art es ignorieren müssen!"
Nur dass man irgendwann des name-dropping überdrüssig wird, wenn Löwenstern dann auch mit Christiane Vulpius tanzt, den Herzog Karl August in einer delikaten Situation stört, dazu noch Heinrich von Kleist begegnet und Chamisso. Erheiternd wiederum ist der ständige Bezug auf Kotzebue; wie ein running gag werden dessen Stücke über den grünen Klee gelobt und ihrem menschlichen Gehalt nach weit über die Dramen Goethes gestellt. "Nie wieder Weimar", lautet Löwensterns Fazit nach dem Besuch.
Muschgs Roman ist ein sehr reichhaltiges Gericht. Ins Historische mischen sich surreal-phantasmagorische Episoden. Nicht immer mit Glück. Sex ist ein letzter Probierstein literarischen Könnens. Wahrscheinlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die härteste, bataillehafte Obszönität oder ein charmantes Umspielen der anatomischen Einzelheiten. Muschg aber will einen mittleren Weg - und scheitert. "Mein Knecht, fast vergessen, immer noch aufrecht, wurde von einem Schauder nach dem andern überlaufen, opferte fast bescheiden ... Nadja ließ jetzt ihren ganzen Leib vor mein Gesicht rücken und schob ihr prangendes Feldzeichen zwischen meine Lippen." Unleidlich fällt auf, wie sehr die Einbildungskraft am Ende von der Prostitution bestimmt wird; Nadja ist eine alternde Hure.
Japan, sagt Löwenstern, "ist wohl fremd genug, unser Urteil erst zu verwirren, dann zu revidieren". Und doch ist das, was man dann über Japan erfährt, oft eben gerade das bekannte Minimum, das Bunraku-Puppentheater, der grüne Tee, die Geschichte vom Prinzen Genji. Und am Ende fehlt es nicht an einer rituellen Selbsttötung, einem Seppuku. Aber es gibt Momente, in denen Löwenstern sich einer japanischen Anschauung der Natur und des Kosmos nähert. Wenn er den Mond betrachtet und das eigentümliche Spiel seines Lichts oder Steine in einem Garten, ist er wirklich in seinem Wunschland angekommen.
LORENZ JÄGER
Adolf Muschg: "Löwenstern". Roman.
Verlag C. H. Beck, München 2012. 331 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Goethes Weimar nach Japan: Adolf Muschg reist mit dem deutschbaltischen Abenteurer Löwenstern in sein Sehnsuchtsland
Literatur aus Literatur - und aus historischen Phantasmagorien. Ein Manuskript, fast zweihundert Jahre alt, das dem Herausgeber durch eine glückliche Fügung im Baltischen in die Hand fällt. Die romantische Maschinerie also noch einmal, heute mag es andere Begriffe dafür geben, aber wir erkennen sie. Nur der Schauplatz ist nicht mehr romantisch, es sei denn, man nähme das noch fast gänzlich verschlossene Japan vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts als einen solchen Sehnsuchts- und Imaginationsort wie Georg Forsters Südsee.
Hermann Ludwig Löwenstern hat wirklich gelebt. Er nahm an der ersten russischen Weltumsegelung teil, der Krusenstern-Mission, und hinterließ ein Tagebuch, das erst vor zehn Jahren ediert wurde. Noch gehörte Alaska dem Russischen Reich. In Kalifornien besaß man einzelne Stationen. Im Osten griff man nach der Inselgruppe der Kurilen, die Halbinsel Kamtschatka stößt weit nach Süden hinunter, während sich Japan nach Norden auf die Insel Hokkaido ausdehnte. Und so liegen die Keime des Kommenden schon bereit. "Es sind ungleiche Mächte", heißt es einmal in dem Roman, "die sich an diesen Inseln berühren, aber der Zusammenstoß ist unvermeidlich." Muschgs Buch hat eine geopolitische Pointe, auch wenn sie nicht übermäßig betont wird. "Jetzt ist Argonautenzug, und wir ziehen!", sagt einer der Russen.
Nach Japan will nun der fiktionalisierte Löwenstern des Romans, ein Mann des baltendeutschen Adels, geboren im Mai 1777 (Muschg kam am 13. Mai 1934 zur Welt). In Gulliver findet er sein Vorbild, ermutigt wird er von Goethe, den er in Weimar besucht. Die Gespräche Löwensterns mit dem Dichter sind wohl in ihrem anmutigen, unangestrengten Pastiche das Beste, was es in diesem Genre seit Thomas Manns "Lotte in Weimar" gab. Gleich sind die beiden bei Gulliver, Goethe äußert sich realistisch: "Die Liliputaner und die Blefuscaner sind jedenfalls Engländer und Franzosen, sagte er, das sieht man daran, wie sie einander die Flotte streitig machen, mit der sie die Welt beherrschen wollen ... die Laputen, deren Herrschaft in der Luft hängt, auf einer schwebenden Insel, die ihren Untertanen jederzeit auf den Kopf fallen kann, müssen Deutsche sein, erklärte er, dafür spricht ebenso ihre mathematische Pedanterie wie das Grenzenlose ihrer Spekulation." Und was habe denn verhindert, dass Löwenstern nicht schon nach Japan gesegelt sei? Sein russischer Dienst, antwortet dieser, und die Französische Revolution. Goethes Antwort hat Muschg wirklich hinreißend getroffen: "Fisimatenten, Ausreden! rief Goethe, einen Dienst kann man quittieren, und was die Revolution betrifft: sie ist ein so ungeheures Ereignis, dass Menschen unserer Art es ignorieren müssen!"
Nur dass man irgendwann des name-dropping überdrüssig wird, wenn Löwenstern dann auch mit Christiane Vulpius tanzt, den Herzog Karl August in einer delikaten Situation stört, dazu noch Heinrich von Kleist begegnet und Chamisso. Erheiternd wiederum ist der ständige Bezug auf Kotzebue; wie ein running gag werden dessen Stücke über den grünen Klee gelobt und ihrem menschlichen Gehalt nach weit über die Dramen Goethes gestellt. "Nie wieder Weimar", lautet Löwensterns Fazit nach dem Besuch.
Muschgs Roman ist ein sehr reichhaltiges Gericht. Ins Historische mischen sich surreal-phantasmagorische Episoden. Nicht immer mit Glück. Sex ist ein letzter Probierstein literarischen Könnens. Wahrscheinlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die härteste, bataillehafte Obszönität oder ein charmantes Umspielen der anatomischen Einzelheiten. Muschg aber will einen mittleren Weg - und scheitert. "Mein Knecht, fast vergessen, immer noch aufrecht, wurde von einem Schauder nach dem andern überlaufen, opferte fast bescheiden ... Nadja ließ jetzt ihren ganzen Leib vor mein Gesicht rücken und schob ihr prangendes Feldzeichen zwischen meine Lippen." Unleidlich fällt auf, wie sehr die Einbildungskraft am Ende von der Prostitution bestimmt wird; Nadja ist eine alternde Hure.
Japan, sagt Löwenstern, "ist wohl fremd genug, unser Urteil erst zu verwirren, dann zu revidieren". Und doch ist das, was man dann über Japan erfährt, oft eben gerade das bekannte Minimum, das Bunraku-Puppentheater, der grüne Tee, die Geschichte vom Prinzen Genji. Und am Ende fehlt es nicht an einer rituellen Selbsttötung, einem Seppuku. Aber es gibt Momente, in denen Löwenstern sich einer japanischen Anschauung der Natur und des Kosmos nähert. Wenn er den Mond betrachtet und das eigentümliche Spiel seines Lichts oder Steine in einem Garten, ist er wirklich in seinem Wunschland angekommen.
LORENZ JÄGER
Adolf Muschg: "Löwenstern". Roman.
Verlag C. H. Beck, München 2012. 331 S., geb., 19,95 [Euro].
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