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Nach 25 Jahren kehrt Loja Kaplan nach Israel zurück. Sie gehört zur ersten Generation von Kindern, die als Israelis groß geworden sind. Nach dem Tod ihres Vaters hat sie mit Anfang Zwanzig das Land verlassen, alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abgebrochen. Nun ist Davidi, ein enger Freund ihres Vaters, gestorben und hat sie als Erbin bestimmt. In seinem alten Haus im Orangenhain wird die Welt, werden die Menschen ihrer Kindheitsjahre wieder gegenwärtig, Einst und Jetzt schwingen ineinander. Nach und nach entdeckt sie, daß Davidi ihr ein Geheimnis hinterlassen hat: die Geschichte, die ihn und…mehr

Produktbeschreibung
Nach 25 Jahren kehrt Loja Kaplan nach Israel zurück. Sie gehört zur ersten Generation von Kindern, die als Israelis groß geworden sind. Nach dem Tod ihres Vaters hat sie mit Anfang Zwanzig das Land verlassen, alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abgebrochen. Nun ist Davidi, ein enger Freund ihres Vaters, gestorben und hat sie als Erbin bestimmt. In seinem alten Haus im Orangenhain wird die Welt, werden die Menschen ihrer Kindheitsjahre wieder gegenwärtig, Einst und Jetzt schwingen ineinander. Nach und nach entdeckt sie, daß Davidi ihr ein Geheimnis hinterlassen hat: die Geschichte, die ihn und Lojas Vater tragisch verbindet und die sie, die beiden begeisterten Archäologen, immer bemüht waren, im dunkeln zu lassen. Auf der Suche nach ihrer bislang totgeglaubten Mutter fährt Loja schließlich nach Terezín, dem einstigen Ghetto Theresienstadt.Gabriela Avigur-Rotem gelingt es mit außergewöhnlicher sprachlicher Kraft, das Israel der 1950er und 1990er Jahre zu evozieren. Mit der Geschichte ihrer eigenwilligen Protagonistin Loja erzählt sie auch die einer ganzen Generation, der ersten Generation von Israelis, die erst spät gewahr wird, wie vielschichtig ihr Erbe ist.
Autorenporträt
Gabriela Avigur-Rotem, geboren 1946 in Buenos Aires, lebt seit 1950 in Israel. Ihr Roman war in Israel ein Bestseller, er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und von der Literaturkritik als Meisterwerk gerühmt.

Anne Birkenhauer, geboren 1961 in Essen, studierte nach einem dreijährigen Aufenthalt in Israel Judaistik und Germanistik in Berlin. Nach Abschluss ihres Studiums zog sie erneut nach Israel, wo sie bis heute lebt. Sie ist als Übersetzerin aus dem Hebräischen sowie als Dozentin tätig und leitet außerdem im Rahmen des ViceVersa-Programms die Deutsch-Hebräische Übersetzerwerkstatt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2009

Nationalsport Buddeln
Gabriela Avigur-Rotems Familienroman aus Israel

Von Jakob Hessing

Im Jahr 1994 kehrt Loja Kaplan nach Israel zurück. Ein Vierteljahrhundert war sie als Stewardess tätig, weil sie nirgends zu Hause ist. Aber das stellt sich erst allmählich heraus, über die kunstvollen Fügungen eines Bewusstseinsstroms, in dem zunächst ihre Gegenwart und schließlich auch ihre Vergangenheit sichtbar werden.

Ein Mann namens Davidi ist kürzlich verstorben und hat Loja sein Haus vermacht. Um das Erbe anzutreten, muss sie es zumindest für eine Weile bewohnen. Diese Auflage hat er in seinem Testament gemacht, und das ist der Grund, weshalb sie jetzt wieder in Israel ist. Aber das ist nur die materielle, nur die vordergründige Seite ihrer Rückkehr; was sie wirklich in dieses Haus zieht, hat tiefere Gründe.

Davidi war einer der beiden Väter ihrer Kindheit und Jugend. So lässt es sich zumindest beschreiben: Ihr biologischer Vater war Ota Kaplan, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem, der seine Wochenenden vor allem mit Davidi und den gemeinsamen, oft illegalen archäologischen Ausgrabungen verbrachte. Diese waren, in den Jahren nach der Staatsgründung, eine Art nationales Hobby, dienten jüdischer Spurensuche im altneuen Land, und nicht nur Loja nahm regelmäßig daran teil, sondern auch Nachum, der um einige Jahre ältere Sohn Davidis. Beide, Professor Kaplan und Davidi, waren alleinerziehende Väter.

Als Loja an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt, leben beide nicht mehr. Nur das baufällige Haus ist geblieben. Die Ersten, die Loja nach ihrer Rückkehr trifft, sind ihre alten Klassenkameraden. Viele von ihnen leben noch am Ort, und ihre Schicksale in den vergangenen Jahrzehnten bilden eine kleine israelische Soziologie. Als der Roman 2001 in Israel erschien und von der Kritik gefeiert wurde, hatte das Jahr dieser Wiederbegegnung, 1994, längst eine eigene ominöse Bedeutung angenommen: Mehrmals fällt in Gesprächen der Name Rabin, und seine Ermordung im Jahr darauf wirft ihre Schatten voraus.

Vor allem aber die Vergangenheit verdunkelt den Roman. Gabriela Avigur-Rotem kam 1946 zur Welt, im gleichen Jahr wie ihre Romanheldin. Die Autorin lässt ihre Protagonistin in der Gründerzeit aufwachsen, die sie selbst erlebt hat. Während Avigur-Rotem aber aus Argentinien stammt und als Kind nach Israel eingewandert ist, kommt Loja aus einer anderen Welt: Sie ist ein Nachkriegskind, aber nicht im israelischen, sondern im europäischen Sinn dieses Wortes. Nicht der Unabhängigkeitskrieg des Jahres 1948, sondern der Zweite Weltkrieg und die Schoa bilden den Hintergrund ihrer Biographie. Das ist ihr lange nicht bewusst, und erst ein kunstvoll gestalteter, durch zahlreiche Assoziationen und Andeutungen strukturierter Erkenntnisprozess lässt es ans Licht treten.

So erinnert sie sich an Lateinfetzen, die ihr Vater und Davidi zu zitieren pflegten. Dahinter taucht eine zweite Sprache auf, die die Männer verwendeten, wenn sie erregt waren oder vor den Kindern etwas verheimlichen wollten: das Tschechische, die Sprache aus Theresienstadt, das Konzentrationslager, das beide überlebt hatten.

Davidi will Loja mit dem Vermächtnis seines Hauses ein Geheimnis offenbaren, das die Mutter betrifft, die sie nie gehabt hat. Sie bildet das verborgene Zentrum des Romans, seinen letzten Fluchtpunkt. In Davidis Haus gab es einmal einen Raum, der das "Klebezimmer" hieß. Dort wurden die archäologischen Funde, die die Freunde gemacht hatten, wieder zusammengeleimt, und jetzt, fünfundzwanzig Jahre später, nimmt auch Loja eine solche Rekonstruktion vor: Aus den Bruchstücken ihres Lebens formt sie eine imaginäre Ganzheit. So begreift man, warum Loja den Ort ihrer Kindheit so lange gemieden hat.

Anne Birkenhauer hat das reiche Hebräisch Avigur-Rotems in sehr schönes Deutsch übertragen. Man liest diesen israelischen Roman aus dem Jahr 2001 und ist von der Gleichzeitigkeit überrascht, die es dabei gegeben hat und die sich erst im Rückblick offenbart. Ohne voneinander zu wissen, schrieben zwei Autoren an ähnlichen Romanprojekten: Während Avigur-Rotem ihre Loja auf die Suche nach der Mutter in Theresienstadt schickte, arbeitete W. G. Sebald an seinem letzten Werk und setzte Jacques Austerlitz auf eine ganz ähnliche Spur. Die beiden Romane sind so verschieden voneinander wie das deutsche und das israelische Gedächtnis, das hier aktiviert wird, aber hinter ihrer Hoffnungslosigkeit lassen ihre Berührungspunkte vielleicht doch eine Hoffnung bestehen: die Hoffnung der Kunst.

Gabriela Avigur-Rotem: "Loja". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Anne Birkenhauer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 552 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Überaus kunstvoll findet der Rezensent Jakob Hessing diesen Roman, der, wie man erst nach und nach merke, eine Art archäologischer Ausgrabung unternimmt. Die Handlungsgegenwart des im Original bereits 2001 erschienen Werks ist das Jahr 1994 (ein Jahr vor Rabins Ermordung - mehrfach wird, so Hessing, Rabins Name genannt). Die Heldin Loja kehrt nach Israel zurück, ein Mann, der eine Art Zweitvater war, hat ihr ein Haus vermacht unter der Bedingung, dass sie eine Weile darin lebt. In einem "Bewusstseinsstrom" der Erzählerin enthüllt der Roman in Bruchstücken und Fetzen die Vergangenheiten seiner Heldin. Sowohl das Lager Theresienstadt spielt dabei eine Rolle wie die Gründungszeit des Staats Israel. Nur bewundern kann der Rezensent die Subtilität, mit der Avigur-Rotem hier vorgeht und erstaunlich scheint ihm die Gleichzeitigkeit mit W.G. Sebalds stilistisch ganz anderem, inhaltlich aber nahem letzten Werk "Austerlitz".

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