Produktdetails
  • Verlag: Heyne Verlag
  • ISBN-13: 9783453162815
  • ISBN-10: 3453162811
  • Artikelnr.: 24573775
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.1998

Wie Lollo, Nini, Dalle und Törless ihr Fett wegkriegen

Lollo Markus hat ein "etwas teigiges Antlitz" und ist eine bisweilen nervende Quasselstrippe. "Er redete und redete, aber er sagte nichts - und das auf Fränkisch." Max Edelbauer spielt gerne Golf, vorzugsweise in Kitzbühel, und schreibt "ungerührt Glossen für das Groschenblatt Bildzeitung, während sein ganzer Verein vor Wut über die unseriöse Berichterstattung der Boulevardpresse heulte". Edelbauer ist harmoniesüchtig, konfliktscheu und trotzdem Vereinspräsident des FC Bayern München. Das ist Manager Toni Törless bisweilen ein Dorn im Auge. Als Präsident, findet Törless, sei Edelbauer "entschieden zu lasch. Wie oft hatte Edelbauer sich in seine Harmoniesucht und seinen edlen Weltschmerz verkrochen und ihn, Törless, den Karren aus dem Dreck ziehen lassen". Claudio Berner ist ein etwas kindischer, aber - vielleicht gerade deswegen - ziemlich liebenswürdiger Angeber. Er ist Porsche-Fahrer und findet Golfspieler peinlich. Ein "Fatzkesport" sei das, "sofern überhaupt von Sport die Rede sein könne, wenn sich irgendwelche Mümmelgreise und Schickeriatussis im Schneckentempo durch die Landschaft schleppen und dabei ab und zu mal einen Gummiball in ein Loch befördern". Berner ist Mittelfeldspieler bei der Firma FC Bayern, hat ein Lieblingslied namens "Lonesome Cowboy" und interpretiert seinen Beruf als Teilzeitjob. Nach 60 Minuten ist Schluß. Was ihn für seine Gegenspieler unberechenbar macht. "Wie sollte man jemanden decken, der einfach nur spazierenging?" Niklas "Nini" Hartmann schließlich ist auf dem Weg in die Fußballnationalmannschaft, landet aber erst einmal im Krankenhaus. Die erste Diagnose: Herzrhythmusstörungen. Der wahre Grund: Doping. Hier beginnt der Kriminalfall rund um die Säbener Straße, wo die berühmte Trainingszentrale des berühmten FC Bayern München liegt.

Die verfremdeten Namen der Darsteller, allesamt aktuelle oder ehemalige Angestellte des führenden deutschen Fußball-Unternehmens, geben keine Rätsel auf. Sollen sie auch nicht. Nini Hartmann? "Seine Augenlider zuckten heftig, und die Nase stand ihm jetzt sehr spitz aus dem Gesicht." Niklas "Nini" Hartmann ist natürlich Dietmar "Didi" Hamann. Lollo Markus ist Lothar Matthäus. Max Edelbauer ist Franz Beckenbauer. Claudio Berner ist Mario Basler. Toni Törless ist Uli Hoeneß. Jörg Bäckerle ist Jürgen Klinsmann. Gulliver Kühn ist Oliver Kahn. Darius "Dalle" Kumnick ist Karl-Heinz Rummenigge. Marc Atomi ist Giovanni Trapattoni. Dr. Darius Schmitt-Zander ist Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Und so weiter. Und so fort. Lea Sattler aber ist Lea Sattler. Ärztin von Beruf und Hauptdarstellerin des Romans "Lokalderby".

Rainer Stephan wiederum ist Rainer Stephan. Innenpolitischer Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" in München und Autor des Fußballkrimis. Die Geschichte ist rasch erzählt. Der FC Bayern München steht kurz vor der ersehnten Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, als Mord, Totschlag und Doping den Klub erschüttern. Hartmann war gedopt - und zwar von Mannschaftsarzt Schmitt-Zander persönlich. Lea Sattler kommt der Affäre auf die Spur, gerät prompt in höchste Lebensgefahr. Vereinspräsident Edelbauer versucht, sie zu beruhigen. Manager Törless wird angesichts der drohenden schlimmen Presse - schließlich wurde auch noch der serbische Masseur der Bayern ermordet auf dem Vereinsgelände gefunden - ziemlich nervös. Claudio Berner rast mit seinem manipulierten Porsche gegen einen Brückenpfeiler und stirbt. Doch das Attentat traf den falschen. Lea Sattler war gemeint. Dumm gelaufen. Die ganze Sache fliegt schließlich auf - und führt zur abschließenden Frage: War's denn witzig?

Geht so. Im "Lokalderby" sollen möglichst viele ihr Fett wegbekommen. Die Fitneß-Schickeria etwa. "Wie überall im Lande, wo krummgesessene Wirbelsäulen und faltenbedrohte Bäuche mit überdurchschnittlichen Einkommen zusammentrafen, wimmelte es in München von Fitness-Factories, Body-Treffs, Wellness-Studios und ähnlichen Zentren der gehobenen Leibesertüchtigung." Oder die Spielerfrauen, jene "naiv die Lippen schürzenden Blondinen" oder jene "ewig feschen, ewig langhaarigen Herzeigebrünetten, die von den Magazinfotographen niemals von vorne angelichtet wurden, damit man ihnen nicht in ihre leeren Augen sehen mußte". Und natürlich die Belegschaft des FC Bayern. Spätestens da aber hört der Spaß auf, weil es schlicht überflüssig ist, eine Satire über die an der Säbener Straße dargebotene Realsatire zu schreiben. Die besten Geschichten rund um den Fußball schreibt immer noch der wahre FC Bayern. Was sie, wenn sie erst einmal außer Form sind und sich in Form geredet haben, im richtigen Leben an urkomischen und unglaublichen Anekdoten zu bieten haben, ist allemal amüsanter als alles Erfundene. Wir warten daher gespannt auf die erste reale Niederlagenserie der Bayern und darauf, was der wahre Max Edelbauer und der wahre Lollo Markus dann zu sagen haben.

VOLKER STUMPE

Besprochenes Buch: Rainer Stephan: "Lokalderby", Eichborn-Verlag, Frankfurt, 262 Seiten, 36 Mark.

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