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Eine Londoner Stripperin wird von mehreren Geschäftsleuten vergewaltigt. Ihr Freund kommt aus der Provinz angereist, um die Tat zu rächen. Die Suche nach den Verbrechern entwickelt sich mehr und mehr zu einer makaberen Sightseeing-Tour kreuz und quer durch den Großstadtdschungel von London.

Produktbeschreibung
Eine Londoner Stripperin wird von mehreren Geschäftsleuten vergewaltigt. Ihr Freund kommt aus der Provinz angereist, um die Tat zu rächen. Die Suche nach den Verbrechern entwickelt sich mehr und mehr zu einer makaberen Sightseeing-Tour kreuz und quer durch den Großstadtdschungel von London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1999

Cromwell als Springer
Geoff Nicholsons Roman "London, London"

Mick Wilton, ein kleiner Gangster, reist von Sheffield nach London, um seine Freundin, die Stripperin Gabby, zu rächen. Sie ist dort im Anschluss an eine ihrer Vorstellungen von sechs Männern vergewaltigt worden. Mick entledigt sich seiner Aufgabe mit einer Liebe zum abstoßenden Detail, die man - voreingenommen, wie man ist - eher einem Mitglied der Young British Artists als einem Kleinkriminellen aus Nordengland zugetraut hätte. Doch so vif ist unser Held dann auch wieder nicht.

Wenn dem Leser angesichts näherer Bekanntschaft mit den vom Klappentext gerühmten "vielschichtig konstruktivistischen Ideen" in diesem Roman nicht vorher schon der Geduldsfaden gerissen ist, dann schwant ihm jedenfalls um einiges früher als dem Rächer, dass Gabby ihm mit ihrer Vergewaltigungsgeschichte einen Bären aufgebunden hat. Und so verliert der Leser lange vor Mick Wilton das Vergnügen am sadistischen Quälen respektabler Londoner Bürger, falls er ein solches je verspürt haben sollte. Der junge britische Roman scheint schwer an der Verpflichtung zu tragen, die er sich mit dem während der letzten Jahre erworbenen Image als das frechste, schrillste und mega-zeitgenössischste auf diesem Gebiet aufgeladen hat.

Der Protagonist des zweiten Handlungsstrangs verkörpert die nachdenklich-intellektuelle Seite der Angelegenheit. Er ist der Papier gewordene Versuch, aus Dr. Johnsons bekanntem Werbespruch, wer Londons müde sei, müsse auch des Lebens müde sein, eine Figur zu zimmern. Sie heißt Stuart London und ist unterbeschäftiger Co-Chef der Stadtführungsfirma "The London Walker". Einer Liebesaffäre mit einer der Führerinnen überdrüssig, beschließt er, durch jede der achttausend Londoner Straßen zu Fuß zu gehen. Wenn er damit fertig ist, wird er das Leben satt haben und sich umbringen wollen. Nicht genug damit, dass er jede erfolgreich abgeklapperte Straße in seinem Stadtplan mit Filzstift schwärzt, nein, er führt über seine Ausflüge auch Tagebuch. Dies wäre ein an sich harmloses Vergnügen, hätte uns nicht der Autor dazu verdonnert, einen breiten Querschnitt durch Stuarts Tagebuchschaffen in Form etlicher Romankapitel zu absolvieren. Es ist das bekannte Rezept, nach dem "die Stadt" als Romanfigur auftritt. Die Passagen sind teils kontemplativer Natur ("Im Vorgarten eines Hauses in der Navarino Road stand eine zwei Meter hohe schwarze, abstrakte Metallplastik"), teils sind sie bedeutungsschwanger: "in New Cross: ein Laden, der auf Schachspiele spezialisiert ist. Die Figuren dieses Spiels sind Londoner Sehenswürdigkeiten: Taxiwartehäuschen als Bauern, Londoner Tower als Türme, St. Paul's Cathedral als Läufer, Reiterstandbilder von Cromwell als Springer, Post Office Tower als Könige und Thorneycrofts Statue von Boadicea als Damen."

Das Buch paraphrasiert auf kuriose Weise die Karriere seines Autors, der wie sein Held aus Sheffield stammt und London, "in his own little way", erobert hat, und erinnert in seinem forcierten sozialkritischen Nihilismus an das Kunstschaffen der Thatcher-Jahre, als Leute wie Hanif Kureishi, Derek Jarman oder Stephen Frears in quasi-sandinistischem Todesmut über den Kanal zu uns herüberriefen, wenn die Revolution in England nicht bald gelinge, werde es wohl untergehen, und vor allem sie selber und mit ihnen die englische Kultur. (In Schottland bastelten derweil Alasdair Gray, James Kelman und Freunde an ihrer eigenen linken Nationalliteratur.) Die Revolutionshelden machten in diesem lebensfeindlichen Ambiente die erstaunlichsten Karrieren. Die Geschichte dieser Karrieren allerdings, das sieht man auch am Werk von Martin Amis, des erfolgreichsten unter den neuen englischen Romanciers, lässt sich offenbar nicht realistisch, sondern nur als Märchen aus der Halb- oder Unterwelt erzählen, die tatsächlich eine Phantasiewelt aus sauber zusammengesetzten literarischen Konventionen ist. Das macht sie so vorhersehbar und sterbenslangweilig.

WALTER KLIER

Geoff Nicholson: "London, London". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gunnar Kwisinski. Haffmans Verlag, Zürich 1999. 446 S., geb., 39,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Äußerst ungnädig bespricht Jörg Häntzschel dieses Buch. Ihm gefällt es ganz und gar nicht, wie Nicholson postmoderne Erzählmuster - drei Figuren durchstreifen die Stadt mit Stadtplänen in der Hand um unterschiedlichen Obsessionen zu folgen - mit konventionellen Erzählinhalten - nämlich Sex and Crime - verbindet. Er findet das "bieder", "streberhaft" und "konstruiert", zumal ihn die Art und Weise stört, wie Nicholson über London spricht. Wer solche formalen Wagnisse ins Spiel bringt, meint der Rezensent, darf beim Inhalt nicht banal bleiben. Und was Nicholson zu London sagt, findet Häntzschel "steril".

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