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Acht Geschichten von Sehnsucht, Zauber und Gefährdung: «ach, all beauty must die / vorbei: loreley.»
Menschen vom Rhein. Manche schwingen wilde Reden, andere führen kurze Gespräche über das Suchen und Finden des Glücks. Da ist die Witwe, die noch mal den großen Schritt wagen und ein Motel eröffnen will. Ein Motel, in dem es, ihres Erachtens, ruhig ein wenig anrüchig zugehen darf. Da ist der Journalist, der in Asien Jagd auf einen geheimnisvollen Robbenmann macht. Wie er auf der Suche ist Motte, die Ausreißerin. «Zelte mal allein in der Stadt, in der du immer schon warst.» Das ist seltsam,…mehr

Produktbeschreibung
Acht Geschichten von Sehnsucht, Zauber und Gefährdung: «ach, all beauty must die / vorbei: loreley.»

Menschen vom Rhein. Manche schwingen wilde Reden, andere führen kurze Gespräche über das Suchen und Finden des Glücks. Da ist die Witwe, die noch mal den großen Schritt wagen und ein Motel eröffnen will. Ein Motel, in dem es, ihres Erachtens, ruhig ein wenig anrüchig zugehen darf. Da ist der Journalist, der in Asien Jagd auf einen geheimnisvollen Robbenmann macht. Wie er auf der Suche ist Motte, die Ausreißerin. «Zelte mal allein in der Stadt, in der du immer schon warst.» Das ist seltsam, findet sie, und besingt ihre Heimatstadt Bonn und ein schönes Mädchen von außerhalb, das möglicherweise Anlass geben könnte zu einer Dichtung, zu einem weltberühmten, touristisches Potenzial entfaltenden Heimatgedicht.

Wo sie auch sind, wohin sie auch streben, am Ende verorten sie sich hartnäckig am Rhein. Und lassen uns dort das Fantastische im Realismus finden, das Spielerische im Ernst.

«Andreas Stichmann ist ein Spezialist für gerade so weit ins Fantastische verrückte Geschichten, dass zwar die Ränder verschwimmen, man das Zentrum aber umso klarer sieht ... Das hat Stil und Humor.» Frankfurter Allgemeine Zeitung
Autorenporträt
Andreas Stichmann, 1983 in Bonn geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Für den Erzählungsband 'Jackie in Silber' (2008) sowie die Romane 'Das große Leuchten' (2012) und 'Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk' (2017) erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem den Hamburger Förderpreis für Literatur, den Clemens-Brentano-Preis, den Kranichsteiner Literaturförderpreis und den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis. Andreas Stichmann hat zwei Kinder. Er lebt in Berlin, von wo aus er Südostasien und zuletzt Nordkorea bereiste. 'Eine Liebe in Pjöngjang' (2022), sein dritter Roman, war für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Andreas Stichmanns Erzählband entflammt bei Rezensent Dirk Knipphals eine neue Kurzgeschichten-Euphorie. Denn wie Stichmann es schaffe, auf wenigen Seiten der Geschichten meist über unscheinbare Schicksale und Mikro-Ereignisse in einem bundesrepublikanischen Setting große Gefühle von Wehmut und Heimat zu wecken und das Ganze mit lakonischem Humor vor dem Kitsch zu bewahren, kann Knipphals kaum glauben. Es geht etwa um die junge, am Rhein in einem Zelt wohnende Punkerin Motte, um die eher pragmatische Liebesnacht zwischen zwei verwitweten Nachbarn, oder um eine "herzumdrehende" unglückliche Romanze zwischen einem grasdealenden Flüchtling und einer jungen Frau namens Asfael - aber immer, wenn es ins "Niedliche" zu kippen drohe, setze Stichmann gekonnt andere Akzente, erzähltechnisch spannende Klammern oder "klemmende" Unterhaltungen, staunt Knipphals. Geradezu "lehrbuchhaft" gelungen komponierte Geschichten, die besser nicht funktionieren könnten, meint der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH
Immer ist es überraschend, Stichmanns Geschichten zu lesen, Geschichten ohne besonderen Effekt ... dabei aber dermaßen kunstvoll, dass einem die Zeit nie lang wird und die Geschichten immer noch weitergehen sollten, aber Stichmann denkt nicht dran ... Großartig. Judith von Sternburg Frankfurter Rundschau 20240403

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2024

Ein Motel namens Loreley
Angenehm unverschwatzt: Andreas Stichmanns Erzählungen führen vom Rhein bis nach Indonesien

Andreas Stichmanns jüngster Roman "Eine Liebe in Pjöngjang" handelte von einer Gruppe Berliner Kulturmenschen, die zur politisch betreuten Eröffnung einer Bibliothek nach Nordkorea reisen. Die Hauptfigur, eine Verbandspräsidentin mit DDR-Hintergrund, verfällt dem Charme der Dolmetscherin Sunmi. Romantische Bezüge und realistische Beobachtung verbinden sich in diesem kleinen, weltläufigen Roman über eine Liebe zwischen den Lebensaltern und Systemen. Über die beiden Frauen heißt es einmal: "Sie entschieden gemeinsam, dass Vorstellungskraft alles war. Phantasie keinesfalls! Weil Phantasie nach Seifenblasen und Walt Disney klang. Vorstellungskraft, weil es ernst, anstrengend und technisch klang. Und deutsch."

Seifenblasen-Phantasie sucht derzeit die Bestsellerlisten heim, etwa in den geschwellten Schwarten von Rebecca Yarros oder Carissa Broadbent. Vorstellungskraft bietet dagegen Stichmanns neuer, angenehm unverschwatzter Erzählband "Loreley", der auch insofern ziemlich "deutsch" ist, als er auf beiläufige Weise mit Rhein-Motiven spielt und immer wieder die Nähe zum großen Fluss sucht. Stichmann wurde 1983 in Bonn geboren.

Die erste Geschichte erzählt von einer jungen Frau, die "seit fünf Wochen so sonderbar über Heimat nachdenken muss". Das ist insofern unverdächtig, als es sich um eine Bonner Punkerin mit dem Spitznamen Motte handelt, die schnorrend durch die Stadt zieht, sich für Geschichte interessiert, einiges von Brentano weiß und nicht ohne Talent an einem Fluss-Gedicht schreibt: "mein rhein / bin dein / du klobiges gewässer / du grünblaue sülze".

In der zweiten Erzählung bekommen wir es mit einem Schläger zu tun, der sich zum Pfleger gewandelt hat. Der Ich-Erzähler findet diese rüpelhafte Vergangenheit nicht ganz in Ordnung, allerdings ist er selbst Patient in jener Klinik mit Rheinblick, wo sein alter Bekannter Alexander Germ - Germ wie der Knödel - vom kantigen Grobian zum molligen Kümmerer wurde. Dass etwas mit der Wahrnehmung dieses Erzählers nicht stimmt, wird deutlich, als der Pfleger in der Mitte der Geschichte mit gutmütigem Lachen bekennt, dass er nicht Germ, sondern Pepe Schwertens heiße. "Ich irre mich in einem fort", lautet das verzagte Eingeständnis des Erzählers. Und man weiß nicht, ob man ihm nun glauben soll, dass er bloß wegen einer "atypisch verlaufenden Nesselsucht" Langzeitpatient in der Klinik sei. Auf skurrile Weise ist diese Geschichte mit dem Titel "Verwechslungen" um eine nur angedeutete Familienkatastrophe herumgeschrieben.

Stichmanns Figuren verfügen über keine festgenähten Identitäten, sie stehen leicht, manchmal auch ziemlich weit neben sich. Als hätten sie sich falsch ins Leben eingewählt. So Beate Zimmermann, der vor zwei Jahren der Ehemann gestorben ist. Zu Beginn der Geschichte "Einblick" findet sie sich unverhofft im Schlafzimmer ihres Nachbarn wieder, eines neuerdings ebenfalls verwitweten Sinologieprofessors, der sich gerade seiner Hose entledigt hat und auffordernd aufs Bett klopft. Stumm steht er im Halbdunkel, während sein Genital in der Unterhose - Beate hat ein Faible für bildkräftige Worte - schwillt wie ein "Aufbackcroissant". Die Initiative übernimmt sie in einer weiteren Geschichte, in der sie sich auf ihre alten Tage noch "ein paar Freiheiten rausnehmen" will. Sie verkauft ihr Haus, von dessen Terrasse sie nur auf Zehenspitzen Rheinblick hatte, und übernimmt das Motel Loreley in einer Kurve der B 42.

Die Erzählung "Dynamitfischen" spielt erwartungsgemäß nicht am Rhein. Ein Südostasienkorrespondent ist mit einem einheimischen Fischer in der indonesischen Inselwelt unterwegs, auf der Suche nach einer zugkräftigen Story und dem mysteriösen "Robbenmann", der Anschläge verübt haben soll. Auf zwanzig Seiten inszeniert Stichmann hier einen soften Clash der Kulturen, eine Abfolge wohlwollender Missverständnisse und Wunderlichkeiten, seien es die angeschwemmten Regenjacken, die auf einer Insel zur Mode der Saison geworden sind, oder der Versuch des Fischers, dem Korrespondenten zu zeigen, dass er sich noch immer aufs traditionelle Handwerk versteht. Und kurze Zeit zappelt auch schon ein fetter Fisch im Netz, "muskulös wie des Deutschen Unterschenkel. Gekonnt und mit stolzer Geste drückt Thoai ihn am Hals zusammen, die feinen Zähne stülpen sich aus. Der Deutsche erschrickt. Thoai schleudert das Wesen, das im Mondschein glänzt, über Bord. 'Auch hässliche Tiere lieben ihre Kinder'", kommentiert der aphoristisch aufgelegte Fischer. Etwas zu viel der Wunderlichkeit besteht allerdings darin, dass er keine "Muräne" im Netz hat, sondern gleich eine veritable "Moräne" - eine Gletscherablagerung. Von solchen Lektoratsschwächen abgesehen, ist es der Ton, der diese Geschichten lesenswert macht, jene feine Kunst, die Befremdlichkeit des Lebens in überraschenden Beobachtungen und manchmal leicht exzentrischen Formulierungen aufscheinen zu lassen.

Stichmanns Figuren begleitet ein laues Katastrophengefühl, das besonders unangenehm werden kann, wenn es durch nichts Äußeres begründet erscheint: "So aber musste er sein ewiges Katastrophengefühl als einen Teil seiner Person begreifen." Immerhin gibt es auch Momente der Erleuchtung und Entspannung, etwa wenn Sarah in der Geschichte "Entlassen" berichtet, wie ihr das Therapiepferd Tristan "so warm in die Hand schnauft". So weiß sie: "Diese Tiere sind uns nicht unfreundlich gesonnen." Das ist doch mal ein Anfang, um etwas Weltvertrauen aufzubauen. Die gute Nachricht für Leser: Dieser Erzählband kann uns für einen Nachmittag das Therapiepferd ersetzen. WOLFGANG SCHNEIDER

Andreas Stichmann: "Loreley". Erzählungen.

Rowohlt Verlag,

Hamburg 2024.

128 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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