Ein lebensmüder Mann geht einen Faustschen Pakt ein: er verkauft sich als lebende Kunstware und wird entmenschlicht. Doch eines Tages möchte er diesen Handel rückgängig machen und seine Seele zurückgewinnen...
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2009Adams Auferstehung im Spind
Eine Satire auf das Pathos der Prominenz: Eric-Emmanuel Schmitts Roman „Als ich ein Kunstwerk war”
Als Dramatiker und Romancier ist der Franzose Eric-Emmanuel Schmitt ein wahrer Tausendsassa. Das beweist er auch mit seinem neuen, jetzt auf Deutsch erschienenen Roman „Als ich ein Kunstwerk war”. Gegenstand dieses vergnüglich zu lesenden Buchs ist ein faustischer Pakt. Ein am Erlebnis seiner eigenen Bedeutungslosigkeit verzweifelnder junger Mann namens Tazio Firelli will sich umbringen. Daran hindert ihn Mephisto, der unter dem Namen Peter-Zeus Lama firmiert. Der ist ein sehr erfolgreicher Künstler, der es versteht, das Publikum mit immer neuen Provokationen zu verblüffen, die ihm stetig wachsenden Ruhm und Gewinn verschaffen.
Dieser von der blinden Gunst einer kunstsinnigen Öffentlichkeit zum Künstlerfürsten erhobene Lama macht dem an der vermeintlichen Nichtigkeit seiner eigenen Existenz verzweifelnden Tazio den Vorschlag, ihm das zu verschaffen, was er vermeintlich nicht hat: Bedeutung, Anerkennung, Bewunderung. Die muss Tazio umso mehr vermissen, als er der jüngere Bruder der beiden wegen ihrer Schönheit weltbekannten Firelli-Zwillinge ist, die in Werbung und Film ungeheure Erfolge feiern und die allein damit, den Schatten der Nichtswürdigkeit, in dem Tazio zu kümmern wähnt, nur noch schwärzer einfärben. Umso verlockender für ihn also der Pakt, den ihm Peter-Zeus Lama vorschlägt.
Um den Preis, dass er sich mit Leib und Seele Lama anheim gibt, er also darauf verzichtet, eine freie, selbstbestimmte Person zu sein, verspricht der Künstler Tazio, aus ihm ein Kunstwerk zu erschaffen, dem das Staunen der Welt sicher ist, ihm also eine Anerkennung zuteil wird, die er bislang so schmerzlich vermisste, dass er sich umbringen wollte. Nach kurzer Überlegung lässt sich Tazio von dieser Verlockung verführen und willigt ein. Sein vermeintlicher Tod durch Selbstmord wird nun ebenso wie seine Beerdigung, an der er selbst verkleidet beiwohnt, inszeniert. Angesichts der zahlreich erschienenen Trauergäste beschleichen Tazio jedoch erste Zweifel. „Hatte ich mich getäuscht? Diese in Tränen aufgelösten jungen Mädchen, diese informationsgeilen Journalisten, dieser feierliche Ernst der Prominenz, all das galt mir, mir, der ich mich für Luft gehalten hatte . . . ”
Seine fingierte Beerdigung, die als eine große Show inszeniert wird und die ihm postum alles das verschafft, was er zu Lebzeiten bitter entbehrte, ist der erste, unverzichtbare Schritt zu seiner Verwandlung in ein Kunstwerk. Die wird mit Hilfe einer viele Stunden dauernden Operation ins Werk gesetzt, die aus Tazio eine lebendige menschliche Statue erschafft, deren Schöpfung Peter-Zeus Lama dem Pakt gemäß für sich beansprucht und der er den Namen „Adam zwei” gibt. Bei einer Vernissage in des Künstlers weitläufiger Villa wird die verblüffend lebenswirkliche Plastik des zum Schweigen verpflichteten „Adam zwei” einem staunenden Publikum vorgestellt. Das macht eine riesige Sensation, von der weltweit Schlagzeilen künden und die Peter-Zeus Lamas Künstlerruhm in neuem Glanz erstrahlen lässt.
Auch „Adam zwei” alias Tazio ist zunächst außer sich ob des Glücks, endlich jene Anerkennung überreich gefunden zu haben, die zu seinem Kummer bislang von seinen zwei Zwillingsbrüdern monopolisiert worden war. Allein, ob dies ein Segen war, daran kommen ihm erste Zweifel, als der Künstler von ihm verlangt, für Akt-Aufnahmen, mit denen er sein neues Kunstwerk propagieren will, zu posieren. Dagegen protestiert „Adam zwei” mit dem schönen Argument: „Meine Nacktheit gehört mir.” Oder auch: „Ich hab keine Lust, als Plakat im Spind einer Supermarktkassiererin zu enden.”
Dieser Widerspruch macht deutlich, dass weder die Umwandlung von Tazio mittels einer Operation in das Kunstwerk „Adam zwei”, noch dessen sich überschlagende Bewunderung durchs Publikum diesem das Bewusstsein seiner eigenen Menschenwürde genommen haben. Ja, in dem Maße, wie Peter-Zeus Lama die gut geölte Maschine der Verwertung seines neuen Kunstwerks anwirft, um dessen Preis in neue, schwindelnde Höhen zu treiben, desto hartnäckiger werden die Widerstände, mit denen „Adam zwei” seine lärmende Vermarktung zu verhindern sucht. Unterstützung erfährt er dabei allein von Fiona, der Tochter des blinden (!) Malers Carlos Hannibal, die „Adam zwei” bei seinen kleinen Fluchten aus dem goldenen Käfig der Malervilla kennenlernt, wo sie ihrem Vater bei der Arbeit an der Staffelei, die er am Strand aufgestellt hat, assistiert.
Fiona und ihr als Künstler erfolgloser Vater, der pleinair nichts anderes malt, als „eine ganz bestimmte Luft, nämlich die Morgenluft zwischen dem grenzenlosen Meer und dem grenzenlosen Himmel” sind die beiden Einzigen, die in „Adam zwei” den Menschen erkennen und nicht ein perfektes Kunstwerk sehen. Dank Fiona, die sich in „Adam zwei” verliebt, weil sie in ihm menschliche Eigenschaften entdeckt, derer sich dieser zuvor nie bewusst gewesen war, gelingt es diesem, sich nach mancherlei aberwitzigen Kapriolen aus dem faustischen Pakt zu befreien, der ihn auf Gedeih und Verderb an Peter-Zeus Lama fesselt.
Eric-Emmanuel Schmitt ist mit diesem Buch eine mit leichter Hand hingetuschte satirische Parabel gelungen, die in mancherlei Facetten funkelt. Verächter des gegenwärtigen Kunstbetriebs etwa, die sich darüber verwundern, dass ein mit Edelsteinen besetzter menschlicher Schädel zum teuersten Kunstwerk aller Zeiten avanciert, werden unter dessen Lektüre ebenso auf ihre Kosten kommen wie jene, die über einen billig inszenierten Starkult à la „Deutschland sucht den Superstar” die Nase rümpfen.
JOHANNES WILLMS
ERIC-EMMANUEL SCHMITT: Als ich ein Kunstwerk war. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Inés Koebel. Ammann Verlag, Zürich 2009. 235 Seiten, 19,95 Euro.
Eric-Emmanuel Schmitt Foto: Anita Schiffer-Fuchs
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Satire auf das Pathos der Prominenz: Eric-Emmanuel Schmitts Roman „Als ich ein Kunstwerk war”
Als Dramatiker und Romancier ist der Franzose Eric-Emmanuel Schmitt ein wahrer Tausendsassa. Das beweist er auch mit seinem neuen, jetzt auf Deutsch erschienenen Roman „Als ich ein Kunstwerk war”. Gegenstand dieses vergnüglich zu lesenden Buchs ist ein faustischer Pakt. Ein am Erlebnis seiner eigenen Bedeutungslosigkeit verzweifelnder junger Mann namens Tazio Firelli will sich umbringen. Daran hindert ihn Mephisto, der unter dem Namen Peter-Zeus Lama firmiert. Der ist ein sehr erfolgreicher Künstler, der es versteht, das Publikum mit immer neuen Provokationen zu verblüffen, die ihm stetig wachsenden Ruhm und Gewinn verschaffen.
Dieser von der blinden Gunst einer kunstsinnigen Öffentlichkeit zum Künstlerfürsten erhobene Lama macht dem an der vermeintlichen Nichtigkeit seiner eigenen Existenz verzweifelnden Tazio den Vorschlag, ihm das zu verschaffen, was er vermeintlich nicht hat: Bedeutung, Anerkennung, Bewunderung. Die muss Tazio umso mehr vermissen, als er der jüngere Bruder der beiden wegen ihrer Schönheit weltbekannten Firelli-Zwillinge ist, die in Werbung und Film ungeheure Erfolge feiern und die allein damit, den Schatten der Nichtswürdigkeit, in dem Tazio zu kümmern wähnt, nur noch schwärzer einfärben. Umso verlockender für ihn also der Pakt, den ihm Peter-Zeus Lama vorschlägt.
Um den Preis, dass er sich mit Leib und Seele Lama anheim gibt, er also darauf verzichtet, eine freie, selbstbestimmte Person zu sein, verspricht der Künstler Tazio, aus ihm ein Kunstwerk zu erschaffen, dem das Staunen der Welt sicher ist, ihm also eine Anerkennung zuteil wird, die er bislang so schmerzlich vermisste, dass er sich umbringen wollte. Nach kurzer Überlegung lässt sich Tazio von dieser Verlockung verführen und willigt ein. Sein vermeintlicher Tod durch Selbstmord wird nun ebenso wie seine Beerdigung, an der er selbst verkleidet beiwohnt, inszeniert. Angesichts der zahlreich erschienenen Trauergäste beschleichen Tazio jedoch erste Zweifel. „Hatte ich mich getäuscht? Diese in Tränen aufgelösten jungen Mädchen, diese informationsgeilen Journalisten, dieser feierliche Ernst der Prominenz, all das galt mir, mir, der ich mich für Luft gehalten hatte . . . ”
Seine fingierte Beerdigung, die als eine große Show inszeniert wird und die ihm postum alles das verschafft, was er zu Lebzeiten bitter entbehrte, ist der erste, unverzichtbare Schritt zu seiner Verwandlung in ein Kunstwerk. Die wird mit Hilfe einer viele Stunden dauernden Operation ins Werk gesetzt, die aus Tazio eine lebendige menschliche Statue erschafft, deren Schöpfung Peter-Zeus Lama dem Pakt gemäß für sich beansprucht und der er den Namen „Adam zwei” gibt. Bei einer Vernissage in des Künstlers weitläufiger Villa wird die verblüffend lebenswirkliche Plastik des zum Schweigen verpflichteten „Adam zwei” einem staunenden Publikum vorgestellt. Das macht eine riesige Sensation, von der weltweit Schlagzeilen künden und die Peter-Zeus Lamas Künstlerruhm in neuem Glanz erstrahlen lässt.
Auch „Adam zwei” alias Tazio ist zunächst außer sich ob des Glücks, endlich jene Anerkennung überreich gefunden zu haben, die zu seinem Kummer bislang von seinen zwei Zwillingsbrüdern monopolisiert worden war. Allein, ob dies ein Segen war, daran kommen ihm erste Zweifel, als der Künstler von ihm verlangt, für Akt-Aufnahmen, mit denen er sein neues Kunstwerk propagieren will, zu posieren. Dagegen protestiert „Adam zwei” mit dem schönen Argument: „Meine Nacktheit gehört mir.” Oder auch: „Ich hab keine Lust, als Plakat im Spind einer Supermarktkassiererin zu enden.”
Dieser Widerspruch macht deutlich, dass weder die Umwandlung von Tazio mittels einer Operation in das Kunstwerk „Adam zwei”, noch dessen sich überschlagende Bewunderung durchs Publikum diesem das Bewusstsein seiner eigenen Menschenwürde genommen haben. Ja, in dem Maße, wie Peter-Zeus Lama die gut geölte Maschine der Verwertung seines neuen Kunstwerks anwirft, um dessen Preis in neue, schwindelnde Höhen zu treiben, desto hartnäckiger werden die Widerstände, mit denen „Adam zwei” seine lärmende Vermarktung zu verhindern sucht. Unterstützung erfährt er dabei allein von Fiona, der Tochter des blinden (!) Malers Carlos Hannibal, die „Adam zwei” bei seinen kleinen Fluchten aus dem goldenen Käfig der Malervilla kennenlernt, wo sie ihrem Vater bei der Arbeit an der Staffelei, die er am Strand aufgestellt hat, assistiert.
Fiona und ihr als Künstler erfolgloser Vater, der pleinair nichts anderes malt, als „eine ganz bestimmte Luft, nämlich die Morgenluft zwischen dem grenzenlosen Meer und dem grenzenlosen Himmel” sind die beiden Einzigen, die in „Adam zwei” den Menschen erkennen und nicht ein perfektes Kunstwerk sehen. Dank Fiona, die sich in „Adam zwei” verliebt, weil sie in ihm menschliche Eigenschaften entdeckt, derer sich dieser zuvor nie bewusst gewesen war, gelingt es diesem, sich nach mancherlei aberwitzigen Kapriolen aus dem faustischen Pakt zu befreien, der ihn auf Gedeih und Verderb an Peter-Zeus Lama fesselt.
Eric-Emmanuel Schmitt ist mit diesem Buch eine mit leichter Hand hingetuschte satirische Parabel gelungen, die in mancherlei Facetten funkelt. Verächter des gegenwärtigen Kunstbetriebs etwa, die sich darüber verwundern, dass ein mit Edelsteinen besetzter menschlicher Schädel zum teuersten Kunstwerk aller Zeiten avanciert, werden unter dessen Lektüre ebenso auf ihre Kosten kommen wie jene, die über einen billig inszenierten Starkult à la „Deutschland sucht den Superstar” die Nase rümpfen.
JOHANNES WILLMS
ERIC-EMMANUEL SCHMITT: Als ich ein Kunstwerk war. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Inés Koebel. Ammann Verlag, Zürich 2009. 235 Seiten, 19,95 Euro.
Eric-Emmanuel Schmitt Foto: Anita Schiffer-Fuchs
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2009Der Gedankenspieler
Angestrengte Variation über Homunculus: Im neuen Roman von Eric-Emmanuel Schmitt geht ein Lebensmüder einen faustischen Pakt ein und wandelt sich zum Kunstwerk.
Dem Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt muss in den frühen Jahren ein Virus ins literarische Programm geraten sein. Wahrscheinlich waren schon in seinem ersten Bestseller die Blumen des Korans genverändert. Obwohl er sich seither mit Vorliebe finsteren Sujets zuwendet, läuft die Sache am Ende immer auf ein Kindermärchen hinaus. Sein Hitler-Buch "Adolf H." manövrierte unlängst einen erfolgreichen Diktator und einen erfolgreichen Künstler aneinander vorbei in die harmlose Hypothese: Was wäre, wenn.
Der nun vorliegende neue Roman, bei weitem nicht sein bester, hat auch wieder mit Selbstverdoppelung zu tun. Er handelt von einem Lebensmüden, der sich in einem faustischen Pakt mit einem Künstler als Kunstwerk verdingt. Nur schimmert die Machart bei Schmitt immer deutlicher durch. Zuerst ist da die Idee. Die wird mit Nebeneinfällen aufbereitet und durchs Sprachprogramm eines flotten Erzählstils geschickt, ohne dass dadurch die geringste Episode verrutscht. Da ist wohl auch das Virus zu suchen. Für Science-Fiction und ähnliche Genres fehlt diesem Autor, der in seinen Büchern immer irgendeine gute Absicht verfolgt, die präzise Technik des Spannungsaufbaus. Für die Handlungsdichte eines ausgereiften Romans fehlen die Narben und Kerben, die die Arbeit der Sprache am Stoff hinterlässt. Schmitts Romane sind Gedankenspielromane und wären bequem auch als Digest zu lesen, wahlweise im Zweihundert-, Zwanzig- oder Zweiseitenformat.
Ein Mann, Tazio Firelli, steht am Anfang des neuen Buchs an der Steilküste von Palomba Sol. Er setzt gerade zu seinem vierten Selbstmordversuch an, als er von einem Unbekannten mit Elfenbeinstock, beringten Fingern und Edelsteinen in den Zähnen angesprochen wird. "Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden!" - sagt der Unbekannte, ein weltweit erfolgreicher Kunstscharlatan namens Zeus-Peter Lama. In den vierundzwanzig Stunden kann er den Lebensmüden dann überreden, dass dieser die Restzeit seiner Existenz ihm für sein neues Kunstprojekt zur Verfügung stellt. "Unterschreib einfach mit Ich", empfiehlt der Künstler bei der Vertragsunterzeichnung.
Die Verwandlung eines Menschen zum Kunstwerk ist hier nicht Stoff, sondern Programm: ein Homunculus-Prozess in Umkehrversion, der in all seinen ziemlich voraussehbaren Episoden durchgespielt wird. Der junge Mann muss verschwinden und seine Leiche der Trauergemeinde vorgezeigt werden, damit das Kunstwerk glaubwürdig an seine Stelle treten kann und der Coup von Zeus-Peter Lama gelingt, der die Welt bis nach Tokio in Begeisterung versetzt. Die narrative Operation wirkt aber so mühsam wie die chirurgische, die Doktor Fichet, ein Gerichtsmediziner, im Auftrag des Künstlers Lama am Selbstmordkandidaten vornimmt. Wochenlanges Brennen im Leib, wacklige Statuenfüße, unkontrollierte Körperregungen machen diesem die Existenz als Statue zur Qual, ganz abgesehen davon, dass der Arzt vergaß, auch den letzten Keim menschlicher Empfindungen und Gefühle herauszuoperieren.
Das führt dazu, dass der Statuen-Mann mit dem klingenden Namen "Adam zwei" trotz strengster Überwachung - schließlich wird er auf dem Kunstmarkt schon in Millionenhöhe notiert - unten am Meeresstrand dem bescheidenen Maler Carlos Hannibal begegnet, der anders als Lama noch richtige Bilder malt. Dessen stille Tochter Fiona erkennt hinter dem wandelnden Kunstwerk sogleich den menschlichen Kern, und die entflammte Liebe führt dazu, dass das Objekt zum Subjekt zurückverwandelt wird. Hier spätestens setzt Schmitts süßliche Erzählwendung ein, denn hier sind wir wieder bei den echten Dingen. Zeus-Peter Lamas Villa oben am Berg ist längst verschwunden, der Name des Künstlers vergessen, wenn Tazio an der Seite Fionas und ihrer zehn Kinder unten über den Strand geht und zum ersten Mal das Gefühl hat, "wichtig zu sein, ja, auch ich".
Alle Selbstmordkandidaten haben nicht das Glück, diese Erkenntnis negativ aus der Begegnung mit einem Kunstscharlatan zu gewinnen. Auch dem Helden dieses Romans hätte der Umweg erspart bleiben können, wäre oben an der Steilküste von Palomba Sol statt Zeus-Peter Lama gleich Fiona neben ihn getreten. Doch dann wäre Schmitts großes Romanthema verlorengegangen. Auf das Unsichtbare und Unendliche komme es an - sagt der blinde, aber hellsichtige Maler Carlos Hannibal einmal zu Adam zwei: "Warum klar umrissene Dinge malen?" Wir geben die Frage an den Romanautor weiter, nicht aber an die Übersetzerin, die ihre nicht einfache Aufgabe mit Prägnanz und Sprachturbulenz bestens erfüllt hat.
JOSEPH HANIMANN
Eric-Emmanuel Schmitt: "Als ich ein Kunstwerk war". Roman. Aus dem Französischen von Inés Koebel. Ammann Verlag, Zürich, 2009. 235 S., geb., 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Angestrengte Variation über Homunculus: Im neuen Roman von Eric-Emmanuel Schmitt geht ein Lebensmüder einen faustischen Pakt ein und wandelt sich zum Kunstwerk.
Dem Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt muss in den frühen Jahren ein Virus ins literarische Programm geraten sein. Wahrscheinlich waren schon in seinem ersten Bestseller die Blumen des Korans genverändert. Obwohl er sich seither mit Vorliebe finsteren Sujets zuwendet, läuft die Sache am Ende immer auf ein Kindermärchen hinaus. Sein Hitler-Buch "Adolf H." manövrierte unlängst einen erfolgreichen Diktator und einen erfolgreichen Künstler aneinander vorbei in die harmlose Hypothese: Was wäre, wenn.
Der nun vorliegende neue Roman, bei weitem nicht sein bester, hat auch wieder mit Selbstverdoppelung zu tun. Er handelt von einem Lebensmüden, der sich in einem faustischen Pakt mit einem Künstler als Kunstwerk verdingt. Nur schimmert die Machart bei Schmitt immer deutlicher durch. Zuerst ist da die Idee. Die wird mit Nebeneinfällen aufbereitet und durchs Sprachprogramm eines flotten Erzählstils geschickt, ohne dass dadurch die geringste Episode verrutscht. Da ist wohl auch das Virus zu suchen. Für Science-Fiction und ähnliche Genres fehlt diesem Autor, der in seinen Büchern immer irgendeine gute Absicht verfolgt, die präzise Technik des Spannungsaufbaus. Für die Handlungsdichte eines ausgereiften Romans fehlen die Narben und Kerben, die die Arbeit der Sprache am Stoff hinterlässt. Schmitts Romane sind Gedankenspielromane und wären bequem auch als Digest zu lesen, wahlweise im Zweihundert-, Zwanzig- oder Zweiseitenformat.
Ein Mann, Tazio Firelli, steht am Anfang des neuen Buchs an der Steilküste von Palomba Sol. Er setzt gerade zu seinem vierten Selbstmordversuch an, als er von einem Unbekannten mit Elfenbeinstock, beringten Fingern und Edelsteinen in den Zähnen angesprochen wird. "Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden!" - sagt der Unbekannte, ein weltweit erfolgreicher Kunstscharlatan namens Zeus-Peter Lama. In den vierundzwanzig Stunden kann er den Lebensmüden dann überreden, dass dieser die Restzeit seiner Existenz ihm für sein neues Kunstprojekt zur Verfügung stellt. "Unterschreib einfach mit Ich", empfiehlt der Künstler bei der Vertragsunterzeichnung.
Die Verwandlung eines Menschen zum Kunstwerk ist hier nicht Stoff, sondern Programm: ein Homunculus-Prozess in Umkehrversion, der in all seinen ziemlich voraussehbaren Episoden durchgespielt wird. Der junge Mann muss verschwinden und seine Leiche der Trauergemeinde vorgezeigt werden, damit das Kunstwerk glaubwürdig an seine Stelle treten kann und der Coup von Zeus-Peter Lama gelingt, der die Welt bis nach Tokio in Begeisterung versetzt. Die narrative Operation wirkt aber so mühsam wie die chirurgische, die Doktor Fichet, ein Gerichtsmediziner, im Auftrag des Künstlers Lama am Selbstmordkandidaten vornimmt. Wochenlanges Brennen im Leib, wacklige Statuenfüße, unkontrollierte Körperregungen machen diesem die Existenz als Statue zur Qual, ganz abgesehen davon, dass der Arzt vergaß, auch den letzten Keim menschlicher Empfindungen und Gefühle herauszuoperieren.
Das führt dazu, dass der Statuen-Mann mit dem klingenden Namen "Adam zwei" trotz strengster Überwachung - schließlich wird er auf dem Kunstmarkt schon in Millionenhöhe notiert - unten am Meeresstrand dem bescheidenen Maler Carlos Hannibal begegnet, der anders als Lama noch richtige Bilder malt. Dessen stille Tochter Fiona erkennt hinter dem wandelnden Kunstwerk sogleich den menschlichen Kern, und die entflammte Liebe führt dazu, dass das Objekt zum Subjekt zurückverwandelt wird. Hier spätestens setzt Schmitts süßliche Erzählwendung ein, denn hier sind wir wieder bei den echten Dingen. Zeus-Peter Lamas Villa oben am Berg ist längst verschwunden, der Name des Künstlers vergessen, wenn Tazio an der Seite Fionas und ihrer zehn Kinder unten über den Strand geht und zum ersten Mal das Gefühl hat, "wichtig zu sein, ja, auch ich".
Alle Selbstmordkandidaten haben nicht das Glück, diese Erkenntnis negativ aus der Begegnung mit einem Kunstscharlatan zu gewinnen. Auch dem Helden dieses Romans hätte der Umweg erspart bleiben können, wäre oben an der Steilküste von Palomba Sol statt Zeus-Peter Lama gleich Fiona neben ihn getreten. Doch dann wäre Schmitts großes Romanthema verlorengegangen. Auf das Unsichtbare und Unendliche komme es an - sagt der blinde, aber hellsichtige Maler Carlos Hannibal einmal zu Adam zwei: "Warum klar umrissene Dinge malen?" Wir geben die Frage an den Romanautor weiter, nicht aber an die Übersetzerin, die ihre nicht einfache Aufgabe mit Prägnanz und Sprachturbulenz bestens erfüllt hat.
JOSEPH HANIMANN
Eric-Emmanuel Schmitt: "Als ich ein Kunstwerk war". Roman. Aus dem Französischen von Inés Koebel. Ammann Verlag, Zürich, 2009. 235 S., geb., 19,95 Euro.
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