Esta es una novela de gran ambición literaria y que el autor describe así: "Se trata de una historia sencilla y de una novela bastante menos sencilla, por no decir compleja, aunque mucho menos que Tu rostro mañana. Como el título indica, habla del estado de enamoramiento, considerado casi universalmente como algo positivo e incluso 'redentor' a veces, tanto que ese estado parece justificar casi todas las cosas: las acciones nobles y desinteresadas, pero también los mayores desmanes y ruindades. Pero no sólo se habla de eso en Los enamoramientos, también es un libro sobre la impunidad, y sobre la horrible fuerza de los hechos; sobre la inconveniencia de que los muertos puedan volver". ENGLISH DESCRIPTION "The last time I saw Miguel Desvern or Deverne was also the last time he saw his wife, Luisa. This was not only strange, but perhaps also unfair, since she was just that, his wife, and I was just a stranger..." Los enamoramientos, Marías' latest work, is a reflection on the state of infatuation, considered as something positive and even redeeming to the extent of justifying all: the most noble and selfless actions but also the largest excess and abuses. It is also a novel on the impossibility of ever knowing the truth, not even our own.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2012Eine exklusive Liebe
Was geschah mit dem Traumpaar im Café? Javier Marías kehrt mit "Die sterblich Verliebten" an seine glorreichen Anfänge zurück - aber wozu?
Von Katharina Teutsch
Javier Marías gilt nicht zuletzt aufgrund seiner schwelenden Nobelpreisanwärterschaft als einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller Spaniens. Zu den außerdem beliebtesten Autoren seines Landes zählt er, seitdem ihm 1996 ein weltweiter Überraschungserfolg gelang. Monatelang hielt sich "Mein Herz so weiß" - der Titel geht auf eines der für Marías so typischen Macbeth-Zitate zurück - auf den hiesigen Bestsellerlisten. So etwas hatte es bis dato noch kaum unter den Kassenschlagern gegeben: ein Buch, angesiedelt zwischen Chabrolschem Psychothriller und Almodóvarschem Melodram inklusive fundamental-ontologische Betrachtungsweisen der gemeinen Erzählsituation und was dergleichen mehr ist. Marías' jüngster Roman nimmt es damit abermals auf. In der deutschen Übersetzung von Susanne Lange heißt er "Die sterblich Verliebten", im Original "Die Verliebtheiten", was fast besser zum darin ausgestellten Pathos der Beiläufigkeit passt.
Seine Anhänger dürfte es freuen, dass Marías nach weitschweifigen Ausflügen ins epische Fach der Trilogie "Dein Gesicht morgen" nun zu seiner reduzierten Formatstärke zurückgefunden hat. Entstanden ist ein Roman, der die großen Themen des Madrilenen noch einmal aufgreift - und zwar als Destillat einer lang und sorgfältig gehegten Sprachskepsis. Vordergründig geht es um die Geschichte des perfekten Ehepaars Desvern. Jeden Morgen nimmt es in einem Madrider Bistro sein Frühstück ein und wird dabei von einer jungen Frau, der Ich-Erzählerin María, beobachtet: "Ich wünschte ihnen also das Allerbeste, wie den Figuren aus einem Roman oder einem Film, für die man von Anfang an Partei ergreift."
Allerdings endet so eine Parteinahme, zumal in einer Erzählung, selten gut. Wie bereits in "Mein Herz so weiß" spendiert Marías uns auch hier einen spektakulären Auftakt. Schoss sich einst eine Braut nach ihrer Hochzeitsreise scheinbar grundlos ins Herz, ist es jetzt Desvern, der, von Messerstichen übersät, auf einem Parkplatz liegt und seinen Angehörigen Rätsel um sein brutales Ende aufgibt. Ein geisteskranker Parkwächter wird verhaftet, doch es bleibt der Zweifel: Warum er, warum jetzt, wieso auf diese Weise? Eine späterer Besuch im Haus der Witwe lässt María immerhin vermuten: "Sie wird darüber hinwegkommen."
Am gleichen Tag lernt sie den besten Freund des Opfers kennen und beginnt eine Affäre mit ihm, obwohl dieser Díaz-Varela heimlich eine andere liebt. Beharrlich ebnet sich der Witwentröster den Weg zu deren Herzen. Anlass genug für die Skepsis, ob es sich bei dem Tod von Desvern nicht doch um einen kalt geplanten Eifersuchtsmord handelt.
Javier Marías versteht es, solche Zweifel zu schüren. Dazu wendet er einen bewährten Operetten-Trick an: Maria schlummert im Bett des Geliebten, just als eine dubiose Gestalt zu Besuch kommt, die sich partout im Flur über den Auftragsmord an Desvern unterhalten möchte. María belauscht einen Teil der Konversation, beschließt zunächst, nichts gehört zu haben und zu schweigen, entscheidet sich um, lauscht weiter, simuliert Schlaf, redet sich selbst Unwissenheit ein. Dann schlagen aufgeschnappte Satzfetzen um in Verdacht, Ressentiment und schließlich Angst vor dem möglicherweise mörderischen Geliebten.
Das erzeugt eine thrillerhafte Atmosphäre. Allerdings liest man derlei Wahrnehmungsexperimente bei Marías auch nicht zum ersten Mal. Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen?, scheint der Autor zu fragen. Und seine Reflexionen richten sich an ein Publikum, das gewissermaßen im Pluralis Majestatis in die hier ausgerufene Zweiflergemeinde aufgenommen wird: "Sobald wir wissen, dass etwas nicht für unsere Ohren bestimmt ist, setzen wir alles daran, es zu hören, und begreifen nicht, dass man uns manches zu unserem Besten verheimlicht", schreibt Marías an einer Stelle. Oder auch: "Die Versuchung, zu horchen, ist stärker als wir, auch wenn wir wissen, dass sie uns nicht bekommt."
Das Problem solcher an sich ja kluger Gedankenspiele ist, dass sie einer solch aufdringlichen Vermittlung gar nicht bedürften. Erst recht nicht, wenn es um das Wesen der Frau geht, als dessen Kenner sich Marías hier im Kostüm einer weiblichen Ich-Erzählerin geriert: "Wir Frauen neigen auch dazu, unseren Partnern eine Vielzahl verflossener Geliebter zuzuschreiben, und treffen nicht immer ins Schwarze."
Dass Javier Marías ebenfalls nicht immer ins Schwarze trifft, gehört zu seinem erzählerischen Programm. Abermals haben wir es in "Die sterblich Verliebten" mit einen Roman zu tun, der den Zweifel experimentell in seine Figuren einpflanzt. Der Autor sieht dabei zu, wie er sich anschließend im Leser breitmacht, und die Geschichte so ihrem notwendig zerstörerischen Ende entgegentreibt - oder eben auch nicht, was nicht verraten werden soll, aber bedeuten würde, dass wir auf dem Zweifel sitzenbleiben, weil, das will Javier Marías uns wieder und immer wieder mitteilen, niemand wissen kann, ob die Sprache, ob Erzählungen verlässliche Agenten der Wahrheit sind oder nur Werkzeuge der Verschleierung. "Wir hören ,nein'", schreibt er, "und immer kann es ,ja' bedeuten." Jein, möchte man da einwerfen. Denn auch, wenn Marías Zweifel an der Zuverlässigkeit der Rede explizit thematisiert, so erzählt uns er uns am Ende doch eine Geschichte, die von den Entscheidungen ihrer Figuren abhängt, sie damit zu Akteuren macht und also für die Dauer der Lektüre wahr ist.
Der Satz "Ich wollte es nicht wissen" eröffnete den Bestseller von 1996. Am Schluss des neuen Buchs heißt es: "Letztendlich wird mich niemand richten, es gibt keine Zeugen meiner Gedanken." Das ist natürlich Koketterie, denn wir haben der Erzählerin ja Hunderte Seiten lang zugehört, sind Zeugen ihrer Geschichte geworden und damit, so die Rechnung von Marías, mitschuldig geworden. Doch den Dichtern sollte man, Platon ahnte es bereits, nicht trauen. Es fällt uns daher nicht sonderlich schwer, mit dem kleinen, uns anvertrauten Geheimnis zu leben - wenn nötig auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit, denn dieses Buch ist schon geschwätzig genug.
Javier Marías: "Die sterblich Verliebten". Roman.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 430 S., geb., 19,99 [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was geschah mit dem Traumpaar im Café? Javier Marías kehrt mit "Die sterblich Verliebten" an seine glorreichen Anfänge zurück - aber wozu?
Von Katharina Teutsch
Javier Marías gilt nicht zuletzt aufgrund seiner schwelenden Nobelpreisanwärterschaft als einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller Spaniens. Zu den außerdem beliebtesten Autoren seines Landes zählt er, seitdem ihm 1996 ein weltweiter Überraschungserfolg gelang. Monatelang hielt sich "Mein Herz so weiß" - der Titel geht auf eines der für Marías so typischen Macbeth-Zitate zurück - auf den hiesigen Bestsellerlisten. So etwas hatte es bis dato noch kaum unter den Kassenschlagern gegeben: ein Buch, angesiedelt zwischen Chabrolschem Psychothriller und Almodóvarschem Melodram inklusive fundamental-ontologische Betrachtungsweisen der gemeinen Erzählsituation und was dergleichen mehr ist. Marías' jüngster Roman nimmt es damit abermals auf. In der deutschen Übersetzung von Susanne Lange heißt er "Die sterblich Verliebten", im Original "Die Verliebtheiten", was fast besser zum darin ausgestellten Pathos der Beiläufigkeit passt.
Seine Anhänger dürfte es freuen, dass Marías nach weitschweifigen Ausflügen ins epische Fach der Trilogie "Dein Gesicht morgen" nun zu seiner reduzierten Formatstärke zurückgefunden hat. Entstanden ist ein Roman, der die großen Themen des Madrilenen noch einmal aufgreift - und zwar als Destillat einer lang und sorgfältig gehegten Sprachskepsis. Vordergründig geht es um die Geschichte des perfekten Ehepaars Desvern. Jeden Morgen nimmt es in einem Madrider Bistro sein Frühstück ein und wird dabei von einer jungen Frau, der Ich-Erzählerin María, beobachtet: "Ich wünschte ihnen also das Allerbeste, wie den Figuren aus einem Roman oder einem Film, für die man von Anfang an Partei ergreift."
Allerdings endet so eine Parteinahme, zumal in einer Erzählung, selten gut. Wie bereits in "Mein Herz so weiß" spendiert Marías uns auch hier einen spektakulären Auftakt. Schoss sich einst eine Braut nach ihrer Hochzeitsreise scheinbar grundlos ins Herz, ist es jetzt Desvern, der, von Messerstichen übersät, auf einem Parkplatz liegt und seinen Angehörigen Rätsel um sein brutales Ende aufgibt. Ein geisteskranker Parkwächter wird verhaftet, doch es bleibt der Zweifel: Warum er, warum jetzt, wieso auf diese Weise? Eine späterer Besuch im Haus der Witwe lässt María immerhin vermuten: "Sie wird darüber hinwegkommen."
Am gleichen Tag lernt sie den besten Freund des Opfers kennen und beginnt eine Affäre mit ihm, obwohl dieser Díaz-Varela heimlich eine andere liebt. Beharrlich ebnet sich der Witwentröster den Weg zu deren Herzen. Anlass genug für die Skepsis, ob es sich bei dem Tod von Desvern nicht doch um einen kalt geplanten Eifersuchtsmord handelt.
Javier Marías versteht es, solche Zweifel zu schüren. Dazu wendet er einen bewährten Operetten-Trick an: Maria schlummert im Bett des Geliebten, just als eine dubiose Gestalt zu Besuch kommt, die sich partout im Flur über den Auftragsmord an Desvern unterhalten möchte. María belauscht einen Teil der Konversation, beschließt zunächst, nichts gehört zu haben und zu schweigen, entscheidet sich um, lauscht weiter, simuliert Schlaf, redet sich selbst Unwissenheit ein. Dann schlagen aufgeschnappte Satzfetzen um in Verdacht, Ressentiment und schließlich Angst vor dem möglicherweise mörderischen Geliebten.
Das erzeugt eine thrillerhafte Atmosphäre. Allerdings liest man derlei Wahrnehmungsexperimente bei Marías auch nicht zum ersten Mal. Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen?, scheint der Autor zu fragen. Und seine Reflexionen richten sich an ein Publikum, das gewissermaßen im Pluralis Majestatis in die hier ausgerufene Zweiflergemeinde aufgenommen wird: "Sobald wir wissen, dass etwas nicht für unsere Ohren bestimmt ist, setzen wir alles daran, es zu hören, und begreifen nicht, dass man uns manches zu unserem Besten verheimlicht", schreibt Marías an einer Stelle. Oder auch: "Die Versuchung, zu horchen, ist stärker als wir, auch wenn wir wissen, dass sie uns nicht bekommt."
Das Problem solcher an sich ja kluger Gedankenspiele ist, dass sie einer solch aufdringlichen Vermittlung gar nicht bedürften. Erst recht nicht, wenn es um das Wesen der Frau geht, als dessen Kenner sich Marías hier im Kostüm einer weiblichen Ich-Erzählerin geriert: "Wir Frauen neigen auch dazu, unseren Partnern eine Vielzahl verflossener Geliebter zuzuschreiben, und treffen nicht immer ins Schwarze."
Dass Javier Marías ebenfalls nicht immer ins Schwarze trifft, gehört zu seinem erzählerischen Programm. Abermals haben wir es in "Die sterblich Verliebten" mit einen Roman zu tun, der den Zweifel experimentell in seine Figuren einpflanzt. Der Autor sieht dabei zu, wie er sich anschließend im Leser breitmacht, und die Geschichte so ihrem notwendig zerstörerischen Ende entgegentreibt - oder eben auch nicht, was nicht verraten werden soll, aber bedeuten würde, dass wir auf dem Zweifel sitzenbleiben, weil, das will Javier Marías uns wieder und immer wieder mitteilen, niemand wissen kann, ob die Sprache, ob Erzählungen verlässliche Agenten der Wahrheit sind oder nur Werkzeuge der Verschleierung. "Wir hören ,nein'", schreibt er, "und immer kann es ,ja' bedeuten." Jein, möchte man da einwerfen. Denn auch, wenn Marías Zweifel an der Zuverlässigkeit der Rede explizit thematisiert, so erzählt uns er uns am Ende doch eine Geschichte, die von den Entscheidungen ihrer Figuren abhängt, sie damit zu Akteuren macht und also für die Dauer der Lektüre wahr ist.
Der Satz "Ich wollte es nicht wissen" eröffnete den Bestseller von 1996. Am Schluss des neuen Buchs heißt es: "Letztendlich wird mich niemand richten, es gibt keine Zeugen meiner Gedanken." Das ist natürlich Koketterie, denn wir haben der Erzählerin ja Hunderte Seiten lang zugehört, sind Zeugen ihrer Geschichte geworden und damit, so die Rechnung von Marías, mitschuldig geworden. Doch den Dichtern sollte man, Platon ahnte es bereits, nicht trauen. Es fällt uns daher nicht sonderlich schwer, mit dem kleinen, uns anvertrauten Geheimnis zu leben - wenn nötig auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit, denn dieses Buch ist schon geschwätzig genug.
Javier Marías: "Die sterblich Verliebten". Roman.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 430 S., geb., 19,99 [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main