Jacqueline Mosers Debutroman ist ein starkes Stück Literatur aus der Schweiz: Die in Basel lebende Autorin schreibt mit grandioser Präzision eindringliche Szenerien einer Jugend am Rhein. Hauptfigur ist die abwesende Mutter.
"Lose Tage" erzählt von einem Geschwisterpaar, von Adrian und Carla, von ausgelassenen Schwärmereien, der Liebe zur Musik und vielen mal bunten, mal grauen Augenblicken im Leben von Kindern, die erwachsen werden - und bald danach: erwachsen sind. In diesem Buch, so Arno Geiger, "fügt sich ein Moment zum nächsten, was zunächst "lose" erscheint, fügt sich unspektakulär zu einem Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile".
Ein leiser und eindringlicher, poetisch starker, eigenwilliger, kleiner-großer Roman - ein Mosaik, gebaut aus vielen schillernden Teilchen, ein Album, ein wundersam gestaltetes Tableau.
"Der Autorin distanzierter Blick auf ihre Figuren erinnert an Anton Tschechow, der in seinen Stücken und Erzählungen nichts anderes tat, als das Leben zu beschreiben, wie es ist. Genau das tut die Autorin auch." Carlo Bernasconi
"Lose Tage" erzählt von einem Geschwisterpaar, von Adrian und Carla, von ausgelassenen Schwärmereien, der Liebe zur Musik und vielen mal bunten, mal grauen Augenblicken im Leben von Kindern, die erwachsen werden - und bald danach: erwachsen sind. In diesem Buch, so Arno Geiger, "fügt sich ein Moment zum nächsten, was zunächst "lose" erscheint, fügt sich unspektakulär zu einem Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile".
Ein leiser und eindringlicher, poetisch starker, eigenwilliger, kleiner-großer Roman - ein Mosaik, gebaut aus vielen schillernden Teilchen, ein Album, ein wundersam gestaltetes Tableau.
"Der Autorin distanzierter Blick auf ihre Figuren erinnert an Anton Tschechow, der in seinen Stücken und Erzählungen nichts anderes tat, als das Leben zu beschreiben, wie es ist. Genau das tut die Autorin auch." Carlo Bernasconi
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Beate Tröger preist begeistert Reife und Souveränität dieses Romandebüts von Jacqueline Moser, dessen erzählerische Zurückhaltung sie besonders reizvoll findet. Die Schweizer Autorin, die hauptberuflich Lehrerin ist und bisher als Schriftstellerin erst durch vier Erzählungen hervorgetreten ist, erzählt darin von Adrian und Clara, deren Mutter sie als Kinder verließ und damit auch das Erwachsenenleben der Geschwister prägt, fasst Tröger zusammen. Kein Wort zuviel mache Moser, wenn sie zögernd und in einzelnen Episoden ihre Charaktere entwickle und dabei den Verlust, den die Protagonisten in ihrer Kindheit erlitten haben, fühlbar werden lässt. Dabei verzichtet die Autorin auf moralische Wertungen und schlägt insbesondere mit dem "spröden Ton" und der Verweigerung einer stringent erzählten Geschichte die Leser in Bann, versichert Tröger. Sie findet, dass dieser Roman ein hervorragender Auftakt für das Programm des gerade gegründeten Frankfurter Weissbooks Verlags darstellt, dessen Maxime "klein aber fein" lautet, wie die Rezensentin mitteilt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2008Ein Lob des Losen
Jacqueline Moser im Literaturhaus Frankfurt
Es passt, dass "weissbooks", der neue Frankfurter Verlag der beiden Ex-Suhrkamp-Mitarbeiter Rainer Weiss und Anya Schutzbach, sich bei seiner ersten Frankfurter Autorenlesung mit einem Buch vorstellte, das ebenfalls ein Debüt ist. "Lose Tage" heißt der Romanerstling Jacqueline Mosers, aus dem Ende der neunziger Jahre fast ein Suhrkamp-Titel geworden wäre. Verdient hätte der jetzt zum Buch gewordene Text es schon damals - was die 1965 in Basel geborene Schweizer Schriftstellerin in den gut besuchten Lesesaal des Literaturhauses Frankfurt mitgebracht hatte, setzt ohne jede Anfängerunsicherheit einen sicheren und eigenen Ton.
Das Buch beginnt damit, dass ein junger Mann im Graubündner Bergdorf Riein ein Bauernmädchen beim Spielen mit einem Hund beobachtet. Einige Monate später kehrt er zurück und heiratet es. Als Adrian und Carla, die beiden Kinder des Paares, etwa fünf und zwei Jahre alt sind, passiert das, was Kindheit und Jugend der Geschwister prägen wird. Die Mutter verlässt die Familie. Viel geredet wird darüber von den Erwachsenen nicht, nachgedacht aber durchaus, gerade von den Kindern. Adrian, sagte Moser im Gespräch mit Literaturhaus-Chefin Maria Gazzetti, suche nach der ursprünglichen Familie, seine Schwester, die sich nicht mehr an die Mutter erinnern könne, sei sehr viel eher darauf vorbereitet, dass sich in ihrem seit jeher von wechselnden Kindermädchen bestimmten Leben alles verändern könne. Während Adrian an festen Strukturen hänge, sei seine Schwester die modernere Persönlichkeit.
So lose, wie Carla das Leben nimmt, so zeitgenössisch ist die Form der Wirklichkeitswiedergabe, die Moser in "Lose Tage" entwickelt. Um zu zeigen, wie das, an was wir uns erinnern, oder das, was wir erlebt haben, in uns weiterwirkt und das Kontinuum unseres Lebens in seine Einzelteile zerlegt, unterteilt sie ihren Roman in viele kleine Texte, die meist nicht einmal eine Buchseite lang sind. Scheinbar wahllos springen sie zwischen den beiden Geschwistern sowie ihrer Kindheit und Jugend hin und her. Eben hat der junge Adrian sich noch von einer Nachbarin verführen lassen, da begegnet die kleine Carla dem Tod ihres Wellensittichs auch schon mit dem tapferen Kinderwunsch, jetzt wolle sie ein Pferd.
Eine große Linie ist dabei durchaus erkennbar - Adrian macht ein Tonstudio auf, heiratet, bekommt einen Sohn und wird von Frau und Kind verlassen. Carla wird Musikerin, freundet sich mit einem Kollegen an und muss am Ende des Buches die Entscheidung treffen, ob sie diesem nach Tokio folgt. Die Eigenart des Buches besteht jedoch aus den ungeordneten Sprüngen zwischen Kindheit und Jugend. Sie machen aus "Lose Tage" einen paradoxen Entwicklungsroman, in dem Entwicklung stattfindet, aber nicht erzählt wird. Wie und warum Carla und Adrian zwischen dem einen und dem anderen Text zu dem werden, was sie sind, muss der Leser sich sowohl aus dem erschließen, was erzählt, als auch aus dem, was verschwiegen wird. Passend für einen Roman, der um die Abwesenheit der Mutter kreist, bleibt die Macht, die das Fehlen ausüben kann, auf diese Weise immer präsent.
Als sie anfing, ihr Buch zu schreiben, sagt die heute als Lehrerin arbeitende Moser, gab es mehr Figuren als jetzt: "Ich wollte nahe an der Realität bleiben." Jetzt weiß sie: "In der Literatur muss man immer reduzieren, weil man sonst ein Durcheinander bekommt und die Leser nichts mehr verstehen." Dass sie es geschafft hat, Adrians und Carlas Geschichte zu einer zwanglosen Ordnung zu reduzieren, die den Leser dazu zwingt, sich seinen eigenen Reim auf die Sache zu machen, verrät ihre Könnerschaft. Für einen Verlag, der nicht über den Ruf seiner Macher und das klare Design seiner Titel von sich reden machen will, sondern, wie Anya Schutzbach sagt, durch seine Autoren, war es der denkbar beste Einstand.
FLORIAN BALKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jacqueline Moser im Literaturhaus Frankfurt
Es passt, dass "weissbooks", der neue Frankfurter Verlag der beiden Ex-Suhrkamp-Mitarbeiter Rainer Weiss und Anya Schutzbach, sich bei seiner ersten Frankfurter Autorenlesung mit einem Buch vorstellte, das ebenfalls ein Debüt ist. "Lose Tage" heißt der Romanerstling Jacqueline Mosers, aus dem Ende der neunziger Jahre fast ein Suhrkamp-Titel geworden wäre. Verdient hätte der jetzt zum Buch gewordene Text es schon damals - was die 1965 in Basel geborene Schweizer Schriftstellerin in den gut besuchten Lesesaal des Literaturhauses Frankfurt mitgebracht hatte, setzt ohne jede Anfängerunsicherheit einen sicheren und eigenen Ton.
Das Buch beginnt damit, dass ein junger Mann im Graubündner Bergdorf Riein ein Bauernmädchen beim Spielen mit einem Hund beobachtet. Einige Monate später kehrt er zurück und heiratet es. Als Adrian und Carla, die beiden Kinder des Paares, etwa fünf und zwei Jahre alt sind, passiert das, was Kindheit und Jugend der Geschwister prägen wird. Die Mutter verlässt die Familie. Viel geredet wird darüber von den Erwachsenen nicht, nachgedacht aber durchaus, gerade von den Kindern. Adrian, sagte Moser im Gespräch mit Literaturhaus-Chefin Maria Gazzetti, suche nach der ursprünglichen Familie, seine Schwester, die sich nicht mehr an die Mutter erinnern könne, sei sehr viel eher darauf vorbereitet, dass sich in ihrem seit jeher von wechselnden Kindermädchen bestimmten Leben alles verändern könne. Während Adrian an festen Strukturen hänge, sei seine Schwester die modernere Persönlichkeit.
So lose, wie Carla das Leben nimmt, so zeitgenössisch ist die Form der Wirklichkeitswiedergabe, die Moser in "Lose Tage" entwickelt. Um zu zeigen, wie das, an was wir uns erinnern, oder das, was wir erlebt haben, in uns weiterwirkt und das Kontinuum unseres Lebens in seine Einzelteile zerlegt, unterteilt sie ihren Roman in viele kleine Texte, die meist nicht einmal eine Buchseite lang sind. Scheinbar wahllos springen sie zwischen den beiden Geschwistern sowie ihrer Kindheit und Jugend hin und her. Eben hat der junge Adrian sich noch von einer Nachbarin verführen lassen, da begegnet die kleine Carla dem Tod ihres Wellensittichs auch schon mit dem tapferen Kinderwunsch, jetzt wolle sie ein Pferd.
Eine große Linie ist dabei durchaus erkennbar - Adrian macht ein Tonstudio auf, heiratet, bekommt einen Sohn und wird von Frau und Kind verlassen. Carla wird Musikerin, freundet sich mit einem Kollegen an und muss am Ende des Buches die Entscheidung treffen, ob sie diesem nach Tokio folgt. Die Eigenart des Buches besteht jedoch aus den ungeordneten Sprüngen zwischen Kindheit und Jugend. Sie machen aus "Lose Tage" einen paradoxen Entwicklungsroman, in dem Entwicklung stattfindet, aber nicht erzählt wird. Wie und warum Carla und Adrian zwischen dem einen und dem anderen Text zu dem werden, was sie sind, muss der Leser sich sowohl aus dem erschließen, was erzählt, als auch aus dem, was verschwiegen wird. Passend für einen Roman, der um die Abwesenheit der Mutter kreist, bleibt die Macht, die das Fehlen ausüben kann, auf diese Weise immer präsent.
Als sie anfing, ihr Buch zu schreiben, sagt die heute als Lehrerin arbeitende Moser, gab es mehr Figuren als jetzt: "Ich wollte nahe an der Realität bleiben." Jetzt weiß sie: "In der Literatur muss man immer reduzieren, weil man sonst ein Durcheinander bekommt und die Leser nichts mehr verstehen." Dass sie es geschafft hat, Adrians und Carlas Geschichte zu einer zwanglosen Ordnung zu reduzieren, die den Leser dazu zwingt, sich seinen eigenen Reim auf die Sache zu machen, verrät ihre Könnerschaft. Für einen Verlag, der nicht über den Ruf seiner Macher und das klare Design seiner Titel von sich reden machen will, sondern, wie Anya Schutzbach sagt, durch seine Autoren, war es der denkbar beste Einstand.
FLORIAN BALKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main