Als die Freundinnen Charlie und Amy nicht nach Hause kommen, beginnt für ihre Familien ein wahrer Albtraum. Eine SMS lässt wahr werden, was alle befürchteten: Die zwei neunjährigen Mädchen wurden entführt. Nur das Paar, das den höchsten Betrag zahlt, wird seine Tochter wiedersehen. Das andere nicht. Längst tickt die Uhr für Detective Inspector Kim Stone und ihr Team, doch die Täter sind ihr immer einen Schritt voraus. Von Stunde zu Stunde verringert sich die Chance, die beiden unversehrt zu ihren Familien zurückzubringen. Stone gibt ihr Äußerstes, um den Fall zu lösen. Sonst muss eines der Kinder den höchsten Preis für ihr Versagen zahlen - sein Leben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2018Wer bietet mehr?
Angela Marsons' grausamer Entführungsfall
Detective Inspector Kim Stone ermittelt im Black Country, einer Region in Mittelengland um Birmingham. Sie ist von Bergbau und Industrie geprägt. "Schwarz" steht für die Kohle im Tagebau. Es ist keine prosperierende Gegend, die Einwohner sind gezeichnet von Arbeitslosigkeit und seelischer Zerrüttung. Stones Polizeirevier heißt Halesowen: "Die West Midlands Police war für fast 2,9 Millionen Einwohner zuständig", damit ist einiges gesagt. In ihrer Kindheit hat Kim Stone Selbstbehauptung gelernt, herumgeschoben in Pflegefamilien, traumatisiert.
Der Plot von "Lost Girls. Was kostet ein Leben?" ist so einfach wie entsetzlich: Zwei neunjährige Mädchen aus befreundeten, relativ wohlhabenden Familien sind entführt worden. Die Familie, die den höchsten Preis für ihr Kind bezahlt, wird es zurückbekommen, die andere nicht. Nur wenige Monate zuvor hatte es einen ähnlichen Fall gegeben, der unaufgeklärt blieb, nur eines der entführten Mädchen kehrte zurück.
Die britische Autorin Angela Marsons ist im Black Country geboren und lebt dort noch immer. Vor ihrem Erfolg als Autorin hat sie für einen Sicherheitsdienst gearbeitet. Davon mag ihre Serienheldin Kim Stone profitiert haben. Marsons' Krimis erschienen zunächst nur digital; seit der ersten Story "Silent Scream" (2015) hat ihr Digitalverlag Bookouture nach eignene Angaben mehr als 2,5 Millionen Kopien verkauft, übersetzt in mehr als zwei Dutzend Sprachen. Auf Deutsch versucht der Piper Verlag, Marsons als gedruckte Autorin aufzubauen. "Lost Girls" ist bereits das vierte Taschenbuch der Reihe.
Kim Stone ist eine durchaus taugliche Heldin. Sie ist keine liebenswürdige Person, freundliche Verbindlichkeit im Dienst bekommt sie zähneknirschend höchstens hin, wenn es unbedingt sein muss. Der Name Stone ist Programm, sie ist impulsiv, zuweilen aggressiv, wenn ihr ins Handwerk gepfuscht wird. Das macht sie fehleranfällig, indessen nicht unbelehrbar. Im aktuellen Fall muss sie als leitende Ermittlerin für ihr Team, von oben angeordnet, eine Profilerin und einen Verhandlungsexperten akzeptieren; sie ist schlau genug, deren Kompetenzen abzurufen.
Angela Marsons macht aus dem Kampf um das Leben der Mädchen und gegen die Zeit kein Jagdspektakel. Gleichwohl sind die Entführer zu extremer seelischer und körperlicher Grausamkeit fähig. Sie schildert das aufreibende Geschäft der Polizei als akribische Recherche, die immer wieder in Sackgassen führt. Weil Stones Einsatzzentrale im Elternhaus eines der Mädchen eingerichtet ist, entwickelt sich zunehmend ein Psychodrama zwischen den zwei Familien, die irgendwann in Konkurrenz versuchen, das Drama zu ihren Gunsten zu entscheiden. Immer wieder fügt Marsons Kapitel ein aus der Perspektive der gequälten Mädchen, der Seitenwechsel baut zusätzlich Spannung auf.
Die Sprache von "Lost Girls" ist holzschnittartig: "Das Zimmer explodierte in einer Kakophonie aus Schreien und Stöhnen. Kim richtete den Blick auf die verstörten Mütter und sah mit an, wie die Hände der Frauen sich voneinander lösten." Trotz der literarischen Anspruchslosigkeit, die sich vermutlich der digitalen Abkunft verdankt, erfährt man etwas über die Probleme im Black Country.
ROSE-MARIA GROPP.
Angela Marsons: "Lost Girls". Was kostet ein Leben? Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Elvira Willems. Piper Verlag, München 2017. 512 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Angela Marsons' grausamer Entführungsfall
Detective Inspector Kim Stone ermittelt im Black Country, einer Region in Mittelengland um Birmingham. Sie ist von Bergbau und Industrie geprägt. "Schwarz" steht für die Kohle im Tagebau. Es ist keine prosperierende Gegend, die Einwohner sind gezeichnet von Arbeitslosigkeit und seelischer Zerrüttung. Stones Polizeirevier heißt Halesowen: "Die West Midlands Police war für fast 2,9 Millionen Einwohner zuständig", damit ist einiges gesagt. In ihrer Kindheit hat Kim Stone Selbstbehauptung gelernt, herumgeschoben in Pflegefamilien, traumatisiert.
Der Plot von "Lost Girls. Was kostet ein Leben?" ist so einfach wie entsetzlich: Zwei neunjährige Mädchen aus befreundeten, relativ wohlhabenden Familien sind entführt worden. Die Familie, die den höchsten Preis für ihr Kind bezahlt, wird es zurückbekommen, die andere nicht. Nur wenige Monate zuvor hatte es einen ähnlichen Fall gegeben, der unaufgeklärt blieb, nur eines der entführten Mädchen kehrte zurück.
Die britische Autorin Angela Marsons ist im Black Country geboren und lebt dort noch immer. Vor ihrem Erfolg als Autorin hat sie für einen Sicherheitsdienst gearbeitet. Davon mag ihre Serienheldin Kim Stone profitiert haben. Marsons' Krimis erschienen zunächst nur digital; seit der ersten Story "Silent Scream" (2015) hat ihr Digitalverlag Bookouture nach eignene Angaben mehr als 2,5 Millionen Kopien verkauft, übersetzt in mehr als zwei Dutzend Sprachen. Auf Deutsch versucht der Piper Verlag, Marsons als gedruckte Autorin aufzubauen. "Lost Girls" ist bereits das vierte Taschenbuch der Reihe.
Kim Stone ist eine durchaus taugliche Heldin. Sie ist keine liebenswürdige Person, freundliche Verbindlichkeit im Dienst bekommt sie zähneknirschend höchstens hin, wenn es unbedingt sein muss. Der Name Stone ist Programm, sie ist impulsiv, zuweilen aggressiv, wenn ihr ins Handwerk gepfuscht wird. Das macht sie fehleranfällig, indessen nicht unbelehrbar. Im aktuellen Fall muss sie als leitende Ermittlerin für ihr Team, von oben angeordnet, eine Profilerin und einen Verhandlungsexperten akzeptieren; sie ist schlau genug, deren Kompetenzen abzurufen.
Angela Marsons macht aus dem Kampf um das Leben der Mädchen und gegen die Zeit kein Jagdspektakel. Gleichwohl sind die Entführer zu extremer seelischer und körperlicher Grausamkeit fähig. Sie schildert das aufreibende Geschäft der Polizei als akribische Recherche, die immer wieder in Sackgassen führt. Weil Stones Einsatzzentrale im Elternhaus eines der Mädchen eingerichtet ist, entwickelt sich zunehmend ein Psychodrama zwischen den zwei Familien, die irgendwann in Konkurrenz versuchen, das Drama zu ihren Gunsten zu entscheiden. Immer wieder fügt Marsons Kapitel ein aus der Perspektive der gequälten Mädchen, der Seitenwechsel baut zusätzlich Spannung auf.
Die Sprache von "Lost Girls" ist holzschnittartig: "Das Zimmer explodierte in einer Kakophonie aus Schreien und Stöhnen. Kim richtete den Blick auf die verstörten Mütter und sah mit an, wie die Hände der Frauen sich voneinander lösten." Trotz der literarischen Anspruchslosigkeit, die sich vermutlich der digitalen Abkunft verdankt, erfährt man etwas über die Probleme im Black Country.
ROSE-MARIA GROPP.
Angela Marsons: "Lost Girls". Was kostet ein Leben? Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Elvira Willems. Piper Verlag, München 2017. 512 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Hochspannend. Intelligent. Ein perfekter Krimi.", nisnis-buecherliebe.de, 13.02.2018