Lou Brown: 15 Jahre, soziale Außenseiterin, altkluge Nervensäge, 1,78 cm und immer noch am Wachsen. Sie war eine der schnellsten Schwimmerinnen auf dem Weg nach Olympia. Bis sie kurz vor dem Ziel glorios scheiterte. Jetzt trainiert Lou drei megaheiße Jungs, die bisher immer zu cool waren, um mit ihr auch nur zu reden. Für eine Talentshow. In einem Sport, der für sie auch irgendwie neu ist. In einem Fischtank. In, glaubt es oder nicht, Unterwassertanz! Ja, Lous Leben ist sehr schnell sehr seltsam geworden. Aber seltsam ist ja nicht immer schlecht, oder?
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2016Goldfisch mit der Trillerpfeife
Der Traum von Olympia ist geplatzt. Dafür hat Lou jetzt ein Männerballett
„Ich lasse die Träger meines Badeanzugs schnalzen – einmal rechts, einmal links, das bringt Glück.“ Dieses Mal aber versagt das Ritual: Louise Brown, eine der schnellsten Schwimmerinnen im Land, vermasselt die Olympiaqualifikation und nun erscheint ihr das Leben total sinnlos. In der Schule gilt die große, linkische Fünfzehnjährige als Außenseiterin. Ihre einzige Freundin Hannah ist gerade in das Hochleistungstrainingslager gefahren, in dem Lou auch so gerne wäre. Selbst ihre ehemalige Trainerin scheint sie nicht mehr zu kennen. Wie demütigend, in der Cafeteria allein am Tisch zu sitzen.
Als sie sich so richtig schrecklich fühlt, tauchen plötzlich drei Jungs aus ihrer Schule auf, Pete, Roman und Gabriel, die sie als Coach im Unterwasser-Synchronschwimmen engagieren wollen. Sie planen einen Auftritt in einer Talentshow. Lou fühlt sich geschmeichelt und sagt zu – und fasst es nicht, dass die Jungen zu cool sind, sie außerhalb des Hallenbads zum Beispiel in der Schule zu grüßen! Dabei feilt Lou in jeder freien Minute an der Choreografie. Ein weiterer Grund für sie, in Selbstmitleid zu versinken.
Doch „Lou und ihr Männerballett“ ist kein Problembuch, unschlagbar komisch lässt Nat Luurtsema ihre Hauptfigur selbst erzählen. Die sechs Jahre Erfahrung der Autorin als Stand-up Comedian sind in ihrem Romandebüt zu spüren, in komischen Szenen und einer dialogreichen Sprache. Gleichzeitig versteht es die britische Autorin, die mit der großen Umwälzung in Lous Leben einhergehenden seelischen Blessuren offen zu legen: Lou ist acht Jahre lang jeden Tag um fünf Uhr aufgestanden, damit sie eine Stunde später beim Training sein konnte: „Vierzig Bahnen Brust, vierzig Rücken, vierzig Kraul, zehn Schmetterling, dann schnell unter die Dusche, schlafwandlerisch durch den Unterricht und um vier wieder zurück ins Becken. Yolo!“ An den Wochenenden standen Wettkämpfe auf dem Programm.
Und so sieht nun die ehemalige Starschwimmerin nach dem geplatzten Traum von Olympia aus: Eine schüchterne Bohnenstange ohne Hüften und Brüste mit breiten Schultern und vom Chlor verdorbenen Haaren, die sich vor der neuen Aufgabe fürchtet und, um sich bei den Jungen Autorität als Trainerin zu verschaffen, ihre Trillerpfeife einsetzt. Auf keinen Fall darf einer von ihnen, nämlich Gabriel, merken, dass sie etwas für ihn übrig hat. Es dauert eine Zeit, bis die nach Berühmtheit gierende Boygroup – die im Wasser taucht, prustet und die Glieder verrenkt – erkennt, welchen Goldfisch sie mit Lou an Land gezogen hat. So erhält das Mädchen auch im Haifischbecken Schule endlich Beistand.
Der Leser lernt Lous Familie kennen: Die ältere Schwester, die an jeder Hand zehn Verehrer hat, und ihre Eltern, die geschieden sind, aber trotzdem freundschaftlich verbunden, zusammen in einem Haus wohnen, da der Vater zur Zeit arbeitslos ist. Ein Umstand, von dem alle Familienmitglieder profitieren, denn sie werden jeden Tag bekocht und können seine kostenlosen Chauffeurdienste in Anspruch nehmen. Ein weiterer Erzählstrang verläuft entlang des E-Mail-Pingpongs zwischen Lou und Hannah. Die Freundin droht im Trainingslager unter dem Leistungsdruck zu zerbrechen und wird in einer waghalsigen Aktion gerettet. Der vielleicht witzigste Jugendroman des Herbstes ist eine wunderbare Mischung von Tragik und Komik. (ab 13 Jahre)
VERENA HOENIG
Nat Luurtsema:
Lou und ihr Männerballett. cbt Verlag,
München 2016.
336 Seiten, 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der Traum von Olympia ist geplatzt. Dafür hat Lou jetzt ein Männerballett
„Ich lasse die Träger meines Badeanzugs schnalzen – einmal rechts, einmal links, das bringt Glück.“ Dieses Mal aber versagt das Ritual: Louise Brown, eine der schnellsten Schwimmerinnen im Land, vermasselt die Olympiaqualifikation und nun erscheint ihr das Leben total sinnlos. In der Schule gilt die große, linkische Fünfzehnjährige als Außenseiterin. Ihre einzige Freundin Hannah ist gerade in das Hochleistungstrainingslager gefahren, in dem Lou auch so gerne wäre. Selbst ihre ehemalige Trainerin scheint sie nicht mehr zu kennen. Wie demütigend, in der Cafeteria allein am Tisch zu sitzen.
Als sie sich so richtig schrecklich fühlt, tauchen plötzlich drei Jungs aus ihrer Schule auf, Pete, Roman und Gabriel, die sie als Coach im Unterwasser-Synchronschwimmen engagieren wollen. Sie planen einen Auftritt in einer Talentshow. Lou fühlt sich geschmeichelt und sagt zu – und fasst es nicht, dass die Jungen zu cool sind, sie außerhalb des Hallenbads zum Beispiel in der Schule zu grüßen! Dabei feilt Lou in jeder freien Minute an der Choreografie. Ein weiterer Grund für sie, in Selbstmitleid zu versinken.
Doch „Lou und ihr Männerballett“ ist kein Problembuch, unschlagbar komisch lässt Nat Luurtsema ihre Hauptfigur selbst erzählen. Die sechs Jahre Erfahrung der Autorin als Stand-up Comedian sind in ihrem Romandebüt zu spüren, in komischen Szenen und einer dialogreichen Sprache. Gleichzeitig versteht es die britische Autorin, die mit der großen Umwälzung in Lous Leben einhergehenden seelischen Blessuren offen zu legen: Lou ist acht Jahre lang jeden Tag um fünf Uhr aufgestanden, damit sie eine Stunde später beim Training sein konnte: „Vierzig Bahnen Brust, vierzig Rücken, vierzig Kraul, zehn Schmetterling, dann schnell unter die Dusche, schlafwandlerisch durch den Unterricht und um vier wieder zurück ins Becken. Yolo!“ An den Wochenenden standen Wettkämpfe auf dem Programm.
Und so sieht nun die ehemalige Starschwimmerin nach dem geplatzten Traum von Olympia aus: Eine schüchterne Bohnenstange ohne Hüften und Brüste mit breiten Schultern und vom Chlor verdorbenen Haaren, die sich vor der neuen Aufgabe fürchtet und, um sich bei den Jungen Autorität als Trainerin zu verschaffen, ihre Trillerpfeife einsetzt. Auf keinen Fall darf einer von ihnen, nämlich Gabriel, merken, dass sie etwas für ihn übrig hat. Es dauert eine Zeit, bis die nach Berühmtheit gierende Boygroup – die im Wasser taucht, prustet und die Glieder verrenkt – erkennt, welchen Goldfisch sie mit Lou an Land gezogen hat. So erhält das Mädchen auch im Haifischbecken Schule endlich Beistand.
Der Leser lernt Lous Familie kennen: Die ältere Schwester, die an jeder Hand zehn Verehrer hat, und ihre Eltern, die geschieden sind, aber trotzdem freundschaftlich verbunden, zusammen in einem Haus wohnen, da der Vater zur Zeit arbeitslos ist. Ein Umstand, von dem alle Familienmitglieder profitieren, denn sie werden jeden Tag bekocht und können seine kostenlosen Chauffeurdienste in Anspruch nehmen. Ein weiterer Erzählstrang verläuft entlang des E-Mail-Pingpongs zwischen Lou und Hannah. Die Freundin droht im Trainingslager unter dem Leistungsdruck zu zerbrechen und wird in einer waghalsigen Aktion gerettet. Der vielleicht witzigste Jugendroman des Herbstes ist eine wunderbare Mischung von Tragik und Komik. (ab 13 Jahre)
VERENA HOENIG
Nat Luurtsema:
Lou und ihr Männerballett. cbt Verlag,
München 2016.
336 Seiten, 14,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Durchaus famos funktioniert dieser Roman für Rezensentin Marion Klötzer. Er vermengt die Motive des Leistungssports, der körperlichen Komplexe, der ersten Liebe, der Konkurrenz unter Mädchen und eines Projekts mit Jungen, die ausgerechnet eine "Unterwassertanzshow" planen, für die Rezensentin auf selbstironische und höchst amüsante Art. Tiefgang ist auch dabei, obwohl die Wassertanks auch manchmal auslaufen, verspricht sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Der vielleicht witzigste Jugendroman des Herbestes ist eine wunderbare Mischung von Tragik und Komik." Süddeutsche Zeitung