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Seit den 50er Jahren bis zu seinem Tod 1995 war Louis Malle einer der vielseitigsten und erfolgreichsten europäischen Filmregisseure. In Frankreich entstanden Filme wie "Fahrstuhl zum Schafott", "Zazie", "Das Irrlicht" und "Aufwiedersehen, Kinder"; in den USA "Atlantic City", "Mein Essen mit Andre" und "Wanja - 42ste Straße". In diesem sehr persönlichen und umfassenden Buch beschreibnt Malle seine Entwicklung als Künstler; seine Leidenschaft für Jazzmusik, seine Arbeit mit Schauspielern wie Jeanne Moreau und Burt Lancaster; die scharfen Kontroversen, ausgelöst durch Filme, in denen er sich mit…mehr

Produktbeschreibung
Seit den 50er Jahren bis zu seinem Tod 1995 war Louis Malle einer der vielseitigsten und erfolgreichsten europäischen Filmregisseure. In Frankreich entstanden Filme wie "Fahrstuhl zum Schafott", "Zazie", "Das Irrlicht" und "Aufwiedersehen, Kinder"; in den USA "Atlantic City", "Mein Essen mit Andre" und "Wanja - 42ste Straße". In diesem sehr persönlichen und umfassenden Buch beschreibnt Malle seine Entwicklung als Künstler; seine Leidenschaft für Jazzmusik, seine Arbeit mit Schauspielern wie Jeanne Moreau und Burt Lancaster; die scharfen Kontroversen, ausgelöst durch Filme, in denen er sich mit Prostitution, Inzest und Kollaboration während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich auseinandersetzte; die für ihn sehr wichtige Zeit der Dreharbeiten von "Calcutta" in Indien und seine Entscheidung, in den 70er Jahren in die USA zu gehen. Grundlage des Buches bildet eine Reihe von Gesprächen in den Jahren von 1990 bis 1992 zwischen Louis Malle und Phillip French, einem der angesehendsten Filmkritiker Großbritanniens, der damit ein einmaliges Dokument über Louis Malle vorlegt.
Autorenporträt
Seit den 50er Jahren war der 1995 verstorbene Louis Malle einer der vielseitigsten und erfolgreichsten europäischen Filmregisseure - ein Vorläufer der Nouvelle Vague. In Frankreich entstanden so bekannte Filme wie Fahrstuhl zum Schafott mit Jeanne Moreau und in den USA Atlantic City mit Burt Lancaster.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.1998

Irrlicht im Rückspiegel
Kleine Fluchten: Louis Malle spricht über Louis Malle

Kinoerinnerungen sind intime, an Träume heranreichende Reminiszenzen. Sie sind ebenso fragwürdig wie unbestreitbar, chimärisch wie wahrhaftig. Der erste Film von Louis Malle, an den ich mich erinnern kann, war "Das Irrlicht" (1963) mit dem weltentrückten Maurice Ronet, er verschaffte mir einen unauslöschlichen ersten und düsteren Einblick in die Welt des französischen Bürgertums. Lange Zeit habe ich nach ähnlichen Bildern Ausschau gehalten, bei Louis Malle. Niemals und nirgends habe ich sie wiedergefunden. Heute, nach der Lektüre dieser ausführlichen Selbstauskunft, ahne ich den Grund dafür: Malle war mit einem fast instinkthaften Fluchtreflex ausgestattet. Immer wenn etwas erreicht war, wurde es nicht festgehalten, sondern geflohen. Kontinuierliche Rastlosigkeit geistert durch die Zeilen dieser Interviews. Und was er, beispielsweise, in "Irrlicht" gefunden und uns vermacht hatte, war für ihn immer schon passé. Die Geschichte dieser Fluchten hat Philip French in "Louis Malle über Louis Malle" aufgezeichnet.

Louis Malle hat so gut wie alle Genres ausprobiert und Stile wie Moden erprobt. In seinen Filmen zeigt er sich als ein diskreter Liebhaber der Moden. Über seinen Beruf sagt er, daß man ihn nicht erlernen könne oder, anders herum, von anderen Regisseuren nichts lernen könne. Er hat in frühen Jahren Robert Bresson über alle Maßen bewundert und nichts von ihm übernommen: eine produktive Verkennung. Seine ersten Erfolge hatte er als Assistent von Jacques Cousteau in spektakulären Unterwasserfilmen. Er hat Jeanne Moreau wenn nicht entdeckt, so doch zum ersten Mal ihrer lasziven Schönheit und unseren Wünschen angemessen ins Bild gesetzt: angstvoll und fahl in "Fahrstuhl zum Schafott" (1957) , unwiderstehlich in "Die Liebenden" (1958). An diesem Film irritiert, daß er die genuin aristokratische Komödie Vivant Denons aus dem Ancien régime in eine Kritik der französischen Bourgeoisie der fünfziger Jahre glaubte übersetzen zu müssen. Die Sache geht so nicht auf; Malle ahnt, ja weiß es, doch verdankt er diesem Mißverständnis und Jeanne Moreau seinen frühen Ruhm.

Malle spricht eher altmodisch-psychologisch und konventionell über die Kinematographie, so wie andere über Romane und Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts sprechen. Das kann Tarnung sein, möglicherweise aber auch ein Herkunftsrest aus dem Milieu, das er am besten gekannt und am häufigsten geschildert hat: das katholische Großbürgertum im tiefsten Frankreich. Die Zentripetalkräfte dieser Klasse machen auch verständlich, gelegentlich sogar zwingend, daß man von Privatem nicht spricht; denn an intimen Mitteilungen haftet im juste milieu immer ein bißchen Klassenverrat. Allenfalls ließe sich Louis Malles Leben, von dem wir prima vista in diesem Buch sehr wenig erfahren, in der Wahl seiner Sujets und deren Beurteilung im Rückspiegel der Interviews entziffern. Wie ein Romanheld von George Santayana erklärt er zum "Dieb von Paris" (1966), einem 68er-Film à rebours, der die kommende Revolte vor ihrem Erscheinen historisierte und individualisierte: "Mit diesem Film beendete ich die erste Phase meines Schaffens. Was ich unmittelbar danach machte, rührte aus meiner eigenen großen Verwirrung." Tatsächlich ist der Film antiklerikal, doch er ist es in einer Weise, wie dies zur Jahrhundertwende die Gemüter erregt hatte. So gesehen fällt er weit hinter Félix Fenéon zurück.

"Lacombe Lucien" (1974): ein kräftiger Bauernjunge (der wie zufällig an Jim Morrison erinnert: das war eben die Physiognomie der Zeit) wird zum Kollaborateur - Patrick Modiano hat an dem Buch mitgearbeitet. Malle erzählt in einer Episode von Jean-Pierre Melville, dem es gelungen war, einen jungen Franzosen, der zur Waffen-SS wollte, für die Résistance zu gewinnen. Die filmische Darstellung der unentschiedenen, weil das Böse unterschwellig legitimierenden Ambiguität, die Marcel Ophüls so schockiert hatte, verteidigt Malle mit dem wiederum zweideutigen Hinweis, ihm sei am Moralisieren nicht gelegen. Malle will, implizit, nicht gelten lassen - dies ist der Kern von Ophüls' Vorwurf -, daß so bedrängend nahe und folgenschwere historische Ereignisse nicht fiktionalisiert werden dürfen. Auf anderer Ebene und mit schärferen Akzenten hat diese Diskussion in Claude Lanzmanns Verdikt gegen den Spielberg-Film "Schindlers Liste" ihren bislang letzten Höhepunkt erreicht. Es verblüfft, daß Malle für eine (erfundene) historische Episode denselben Gestus des bloßen Zeigenwollens reklamiert, wie er dies, zu Recht, für seinen Dokumentarfilm "Calcutta" (1969) beansprucht.

Der Wert dieses sehr umfangreichen, fast immer gut kommentierten Interviewbuches tritt vor allem dann zutage, wenn der Fragende, Malles Freund und Bewunderer Philip French, an Kontroversen erinnert, deren Kontext zwar nach dreißig, vierzig Jahren vergessen, deren Gegenstand aber nach wie vor aktuell ist. Nicht immer kann sich der Interviewer der Neigung entziehen, dem Künstler genau die Fragen zu stellen, die diesen unversehens auf dem Glatteis des Selbstlobs ausrutschen lassen.

Die schönsten, mit großer Leidenschaft vorgetragenen Passagen gelten den Filmen "Atlantic City" (1979) und "Mein Essen mit André" (1981). Vor allem im Fall des letzteren schafft es Malle, die Geschichte einer geheimen Verführung zu erzählen: wie der ordinäre Kinogänger überlistet werden kann, ins Theater zu gehen, ohne dies zu bedauern oder überhaupt zu bemerken.

Zu monieren ist die Schlafmützigkeit des Verlages, der dem Buch Bilder von miserabler, fast schon historischer (Raub-) Druckqualität beigefügt hat. HANNS ZISCHLER

Philip French (Hrsg.): "Louis Malle über Louis Malle". Aus dem Englischen übersetzt von Petra Schreyer. Mit einem Nachwort von Volker Schlöndorff. Alexander Verlag, Berlin 1998. 342 S., br., 44,- DM.

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