Lesbische Liebeskomödie mit Fleabag-Humor: Die 26-jährige Londonerin Julia trauert ihrer Tanzkarriere nach, steckt in einem sterbenslangweiligen Bürojob fest und hat schlechten Sex mit Männern. Dann lernt sie Sam kennen und schläft zum ersten Mal mit einer Frau. Doch Sam ist nicht irgendeine Frau. Die Künstlerin bezeichnet Sex als ihr Hobby und hält nichts von Monogamie. Sie bringt Julia in Künstlerkreise, in Londons Sexclubs und ständig zum Orgasmus. Mit Sam scheint plötzlich alles möglich. Bye, bye, heteronormativer Bullshit! Doch Julia ist so überwältigt von ihrem neuen, aufregenden Leben, dass sie kaum merkt, wie ihre Liebe eine ungesunde Richtung nimmt.
Kate Davies hat mit ihrem ersten Roman »Love Addict«, in deutscher Übersetzung von Britt Somann, eine zum Schreien komische, authentische Geschichte über Liebe, Abhängigkeit und Selbstfindung geschrieben, die den besten und den schlechtesten Sex enthält, den Sie je gelesen haben.
Kate Davies hat mit ihrem ersten Roman »Love Addict«, in deutscher Übersetzung von Britt Somann, eine zum Schreien komische, authentische Geschichte über Liebe, Abhängigkeit und Selbstfindung geschrieben, die den besten und den schlechtesten Sex enthält, den Sie je gelesen haben.
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensentin Marie-Luise Goldmann lobt die kritische Selbstdistanz der Heldin in Kate Davis' Coming-out-Geschichte um eine junge Lesbe. Wie die Protagonistin ihre Sexualität neu entdeckt, ihr Leben und ihren Sex umorganisiert, wie sie queere Umgangsformen und Räume kennenlernt, erzählt Davis laut Goldmann als ironisches Plädoyer für eine Lebenswelt. Unterhaltsam, witzig und kulturell intelligenter als "Fifty Shades of Grey", findet Goldmann. Ach ja, und es geht auch ganz schön zur Sache, wenngleich es nie pornografisch wird, meint die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2020Was starrst du mich an, o Ungeheuere?
Schöne Bescherung: Die sexuelle Revolution von Kate Davies frisst ihre Töchter
Skandalromane und solche, die es werden wollen, haben normalerweise keine literarischen Vorbilder, sondern geben vor, mit Traditionen zu brechen. Die Britin Kate Davies ist da ein wenig ehrlicher. Mit ihrem nun auf Deutsch erschienenen Debüt "Love Addict" eiferte sie der deutschen Autorin Charlotte Roche ("Feuchtgebiete") nach und wollte eine ähnlich unbefangene Erzählung über den weiblichen Körper in Aktion wagen. So lautete jedenfalls der Plan, doch auf einer Landkarte könnte das Resultat kaum weiter von den "Feuchtgebieten" oder auch Henry Millers "Wendekreis des Krebses" liegen. Denn der einzige Körpersaft, der in Davies' Roman eine tragende Rolle spielt, ist das Meer aus Tränen, das die Protagonistin Julia vergießt. Auf ihrer Suche nach sexueller Befreiung schlittert sie in neue Abhängigkeit, die sich, fernab des Patriarchats, in der LGBT- und Fetischszene entwickelt.
Liegt es auch daran, dass Julia mit Roches Figur der Helen Memel so wenig gemein hat? Vom beruflichen Abstiegskampf im öffentlichen Dienst und den Avancen des männlichen Geschlechts frustriert, törnt Julia in Pornofilmen außer der fremden Inkompetenz nichts mehr an. Ihr Londoner Leben folgt in chronologischen Szenen der Dramaturgie popkultureller Schablonen, die meist unter Verwendung einer Zauberformel rausgeholt werden: "Es schien mir", sagt die Ich-Erzählerin und lässt damit aufhorchen. Eine dieser Schablonen veranlasst Julia dazu, ihr lesbisches Outing als eine große Bescherung zu feiern. Immerhin gehört sie von heute auf morgen einer Community und Subkultur an, lernt einen Jargon inklusive Insider-Witzen und darf Beleidigungen als Kosenamen benutzen. Sie freut sich schon darauf, in sozialen Medien "gleich viel selbstgerechter" aufzutreten und qua Existenz politische Statements zu machen. Der Hauptgewinn scheint ihr die Gleichberechtigung zu sein, die sie sich von einer lesbischen Beziehung erhofft.
Sie hat die Rechnung ohne Sam gemacht: eine Künstlerin, die nach einem Anstarr-Duell in einer Bar (angeblich ein fester Brauch) Julias erste feste Freundin wird. Sam trägt ihren Fetisch im Vornamen spazieren, stapelt zu Hause die Porträts ihrer Verflossenen (figurale Kunst werde in England verkannt) und bezeichnet ein Buch als Bibel, das Julia von ihrem monogamen Lebensmodell "heilen" soll, ob diese nun will oder nicht. Partnerinnen können einander genauso bevormunden, manipulieren und verletzen, wie Männer das beherrschen, muss Julia im Laufe der Beziehung auf die harte Tour lernen. Ohne "Feuchtgebiete"-Ekel, aber mit viel trockenem Humor (einmal sind Julia die anderen Frauen so unangenehm, dass sie sich diese als anglikanische Geistliche vorstellt) spielt "Love Addict" durch, dass ein sexpositives Leben nicht automatisch rosig verläuft, sondern die Revolution auch mal ihre Kinder frisst.
Überheblich kritisiert Julia auf einem Château bei Lyon eine Frau, die rund um die Uhr von ihrer Partnerin an der Leine geführt wird, und übersieht doch, dass ihre eigene Freundin sie peu à peu wie Pawlow seinen Hund konditioniert. Das Besteck und die Wäscheklammern, mit denen sich die Frauen zum Spiel verletzen, verspottet Julia als hausfrauliches Gerät. Sam hat Hilfsmittel nicht nötig, sie kann Zuckerbrot und Peitsche mit bloßen Worten schwingen, sei es im Gespräch oder im Chat der beiden. Eine besonders perfide Bestrafung funktioniert, indem sie Julia haltlose Vorwürfe macht, woraufhin diese sich reflexhaft entschuldigt. Es sind Vorwürfe, die jedes Mal merkwürdig vertraut klingen, da Julia sie im Wortlaut auch an Sam richten könnte ("Das ist Missbrauch", beklagt Sam zum Beispiel). Solche Tricks zu erkennen hilft jedoch nichts, denn über viele Kapitel hört Julia den Leser nicht schreien.
VICTOR SATTLER
Kate Davies: "Love Addict". Roman.
Aus dem Englischen von Britt Somann-Jung. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2020. 512 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schöne Bescherung: Die sexuelle Revolution von Kate Davies frisst ihre Töchter
Skandalromane und solche, die es werden wollen, haben normalerweise keine literarischen Vorbilder, sondern geben vor, mit Traditionen zu brechen. Die Britin Kate Davies ist da ein wenig ehrlicher. Mit ihrem nun auf Deutsch erschienenen Debüt "Love Addict" eiferte sie der deutschen Autorin Charlotte Roche ("Feuchtgebiete") nach und wollte eine ähnlich unbefangene Erzählung über den weiblichen Körper in Aktion wagen. So lautete jedenfalls der Plan, doch auf einer Landkarte könnte das Resultat kaum weiter von den "Feuchtgebieten" oder auch Henry Millers "Wendekreis des Krebses" liegen. Denn der einzige Körpersaft, der in Davies' Roman eine tragende Rolle spielt, ist das Meer aus Tränen, das die Protagonistin Julia vergießt. Auf ihrer Suche nach sexueller Befreiung schlittert sie in neue Abhängigkeit, die sich, fernab des Patriarchats, in der LGBT- und Fetischszene entwickelt.
Liegt es auch daran, dass Julia mit Roches Figur der Helen Memel so wenig gemein hat? Vom beruflichen Abstiegskampf im öffentlichen Dienst und den Avancen des männlichen Geschlechts frustriert, törnt Julia in Pornofilmen außer der fremden Inkompetenz nichts mehr an. Ihr Londoner Leben folgt in chronologischen Szenen der Dramaturgie popkultureller Schablonen, die meist unter Verwendung einer Zauberformel rausgeholt werden: "Es schien mir", sagt die Ich-Erzählerin und lässt damit aufhorchen. Eine dieser Schablonen veranlasst Julia dazu, ihr lesbisches Outing als eine große Bescherung zu feiern. Immerhin gehört sie von heute auf morgen einer Community und Subkultur an, lernt einen Jargon inklusive Insider-Witzen und darf Beleidigungen als Kosenamen benutzen. Sie freut sich schon darauf, in sozialen Medien "gleich viel selbstgerechter" aufzutreten und qua Existenz politische Statements zu machen. Der Hauptgewinn scheint ihr die Gleichberechtigung zu sein, die sie sich von einer lesbischen Beziehung erhofft.
Sie hat die Rechnung ohne Sam gemacht: eine Künstlerin, die nach einem Anstarr-Duell in einer Bar (angeblich ein fester Brauch) Julias erste feste Freundin wird. Sam trägt ihren Fetisch im Vornamen spazieren, stapelt zu Hause die Porträts ihrer Verflossenen (figurale Kunst werde in England verkannt) und bezeichnet ein Buch als Bibel, das Julia von ihrem monogamen Lebensmodell "heilen" soll, ob diese nun will oder nicht. Partnerinnen können einander genauso bevormunden, manipulieren und verletzen, wie Männer das beherrschen, muss Julia im Laufe der Beziehung auf die harte Tour lernen. Ohne "Feuchtgebiete"-Ekel, aber mit viel trockenem Humor (einmal sind Julia die anderen Frauen so unangenehm, dass sie sich diese als anglikanische Geistliche vorstellt) spielt "Love Addict" durch, dass ein sexpositives Leben nicht automatisch rosig verläuft, sondern die Revolution auch mal ihre Kinder frisst.
Überheblich kritisiert Julia auf einem Château bei Lyon eine Frau, die rund um die Uhr von ihrer Partnerin an der Leine geführt wird, und übersieht doch, dass ihre eigene Freundin sie peu à peu wie Pawlow seinen Hund konditioniert. Das Besteck und die Wäscheklammern, mit denen sich die Frauen zum Spiel verletzen, verspottet Julia als hausfrauliches Gerät. Sam hat Hilfsmittel nicht nötig, sie kann Zuckerbrot und Peitsche mit bloßen Worten schwingen, sei es im Gespräch oder im Chat der beiden. Eine besonders perfide Bestrafung funktioniert, indem sie Julia haltlose Vorwürfe macht, woraufhin diese sich reflexhaft entschuldigt. Es sind Vorwürfe, die jedes Mal merkwürdig vertraut klingen, da Julia sie im Wortlaut auch an Sam richten könnte ("Das ist Missbrauch", beklagt Sam zum Beispiel). Solche Tricks zu erkennen hilft jedoch nichts, denn über viele Kapitel hört Julia den Leser nicht schreien.
VICTOR SATTLER
Kate Davies: "Love Addict". Roman.
Aus dem Englischen von Britt Somann-Jung. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2020. 512 S., geb., 23,- [Euro].
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'Love Addict' schafft Kontraste: Es verbindet trockenen, sarkastischen Humor mit der hochgradig toxischen Entwicklung einer Beziehung. Hannah Welte queerBuch.com 20210316