So wurde über China und seine jüngste Geschichte noch nie geschrieben - der Schriftsteller Li Dawei ist eine Entdeckung! Die Helden seines Romans sind ein junger Comiczeichner Dawei und sein sprechender Kater Haohao. Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam setzt die subversive Kraft fantastischer Bilder gegen Monotonie und Hoffnungslosigkeit einer verlorenen Generation.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2010Die Katze auf dem heißen Cash-Trip
Warum dem Sino-Kapitalismus frönen, wenn es doch das Original gibt, sagt sich Li Daweis tierischer Romanheld
Es beginnt in Peking im Frühling des Jahres 1989. Der Kunststudent Li Dawei verliebt sich in die Studentenführerin Kleine Kim und folgt ihr auf den Platz des Himmlischen Friedens. Während er Ausschau nach ihr hält, rollen bereits die Panzer. Gegen Mitternacht fallen die ersten Schüsse, und das Zentrum der Stadt verwandelt sich in ein Schlachtfeld: "Es war Krieg!" Dawei rettet sich in letzter Sekunde in eine Seitenstraße, wo er sich gemeinsam mit einem streunenden Kater vor den Soldaten verbirgt. Als die "blutige Morgendämmerung" anbricht, nimmt er das Tier mit zu sich nach Hause. Kleine Kim sieht er nicht wieder, doch wenige Tage nach dem Massaker weht ein Hauch von Magie durch sein Leben. Der Kater, der mittlerweile auf den Namen Haohao hört, beginnt zu sprechen.
Es dauert eine Weile, bis wir erfahren, was er zu sagen hat. Der 1963 geborene chinesische Schriftsteller Li Dawei beschreibt zunächst einmal in kurzen, lose miteinander verbundenen Szenen, wie sein literarisches Alter Ego sich "nach der Katastrophe" als Straßenmaler und Aushilfsredakteur durchschlägt - und sich darüber wundert, dass seine ehemaligen Kommilitonen ihren Frieden mit dem System machen. Die "Kids of Mao & Coke" eröffnen nach westlichem Vorbild eingerichtete Bars, verfassen Klatschkolumnen und überzeugen sich gegenseitig davon, dass sie in China freier seien als in jedem anderen Land der Welt. So entsteht nach und nach das Bild einer materialistisch orientierten Schicht junger Chinesen, die sich im goldenen Käfig des Kaderkapitalismus recht wohl zu fühlen scheinen: "Ein typischer Fall des Stockholm-Syndroms."
Der Einzige, der den Ausbruch wagt, ist der sprechende Kater. Damit ändert sich der Tonfall, und aus der mit leiser Ironie erzählten Alltagsgeschichte wird eine bizarre Tierfabel. Der ehrgeizige Haohao beschließt, ein amerikanischer Trickfilmstar zu werden. Er wandert aus, verdingt sich als Tellerwäscher und Mäusejäger in einem kantonesischen Restaurant in Los Angeles und spricht schließlich in einem Filmstudio vor. Er bekommt seine erste Rolle und ist schon bald auf dem besten Weg, dem "fiesen Fettsack Garfield" Konkurrenz zu machen. Das ist recht lustig erzählt, zugleich aber auch etwas kompliziert ausgedacht: Der Kater wird nicht selbst zum Schauspieler, sondern steht nur Modell für eine Zeichentrickfigur - genau wie Li Dawei für seinen Roman einen literarischen Doppelgänger entworfen hat, der obendrein Comics zeichnet.
Schwarzweiße Illustrationen, die ein Künstler namens Sheng Tao beigesteuert hat, verteilen sich über das ohnehin schon reichlich überladene Buch, und so tritt neben das realistische Porträt der Generation von 1989 und die groteske Geschichte der "Cartoon-Katze" Haohao auch noch eine trendgerechte "graphic novel". Kein Teil passt zum anderen, und es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser zusammengeflickte Roman ein Opfer seiner Entstehungsbedingungen ist. Li Dawei, der seit 2001 in den Vereinigten Staaten lebt, hat den Roman auf Englisch geschrieben. Noch bevor ein amerikanischer Verlag auf ihn aufmerksam wurde, vermittelte die freie Lektorin Anne Rademacher das im Entstehen begriffene Manuskript an den Albrecht Knaus Verlag und besorgte auch gleich die Übersetzung. Auch das ist die Globalisierung: Der in Englisch abgefasste Roman eines chinesischen Schriftstellers erscheint zuerst auf Deutsch und damit in einer Sprache, die der Autor selbst nicht einmal beherrscht. Das Resultat ist enttäuschend.
KOLJA MENSING
Li Dawei: "Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam". Roman. Aus dem Englischen und hrsg. von Anne Rademacher. Mit Zeichnungen und Comics von Sheng Tao. Knaus Verlag, München 2009. 304 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum dem Sino-Kapitalismus frönen, wenn es doch das Original gibt, sagt sich Li Daweis tierischer Romanheld
Es beginnt in Peking im Frühling des Jahres 1989. Der Kunststudent Li Dawei verliebt sich in die Studentenführerin Kleine Kim und folgt ihr auf den Platz des Himmlischen Friedens. Während er Ausschau nach ihr hält, rollen bereits die Panzer. Gegen Mitternacht fallen die ersten Schüsse, und das Zentrum der Stadt verwandelt sich in ein Schlachtfeld: "Es war Krieg!" Dawei rettet sich in letzter Sekunde in eine Seitenstraße, wo er sich gemeinsam mit einem streunenden Kater vor den Soldaten verbirgt. Als die "blutige Morgendämmerung" anbricht, nimmt er das Tier mit zu sich nach Hause. Kleine Kim sieht er nicht wieder, doch wenige Tage nach dem Massaker weht ein Hauch von Magie durch sein Leben. Der Kater, der mittlerweile auf den Namen Haohao hört, beginnt zu sprechen.
Es dauert eine Weile, bis wir erfahren, was er zu sagen hat. Der 1963 geborene chinesische Schriftsteller Li Dawei beschreibt zunächst einmal in kurzen, lose miteinander verbundenen Szenen, wie sein literarisches Alter Ego sich "nach der Katastrophe" als Straßenmaler und Aushilfsredakteur durchschlägt - und sich darüber wundert, dass seine ehemaligen Kommilitonen ihren Frieden mit dem System machen. Die "Kids of Mao & Coke" eröffnen nach westlichem Vorbild eingerichtete Bars, verfassen Klatschkolumnen und überzeugen sich gegenseitig davon, dass sie in China freier seien als in jedem anderen Land der Welt. So entsteht nach und nach das Bild einer materialistisch orientierten Schicht junger Chinesen, die sich im goldenen Käfig des Kaderkapitalismus recht wohl zu fühlen scheinen: "Ein typischer Fall des Stockholm-Syndroms."
Der Einzige, der den Ausbruch wagt, ist der sprechende Kater. Damit ändert sich der Tonfall, und aus der mit leiser Ironie erzählten Alltagsgeschichte wird eine bizarre Tierfabel. Der ehrgeizige Haohao beschließt, ein amerikanischer Trickfilmstar zu werden. Er wandert aus, verdingt sich als Tellerwäscher und Mäusejäger in einem kantonesischen Restaurant in Los Angeles und spricht schließlich in einem Filmstudio vor. Er bekommt seine erste Rolle und ist schon bald auf dem besten Weg, dem "fiesen Fettsack Garfield" Konkurrenz zu machen. Das ist recht lustig erzählt, zugleich aber auch etwas kompliziert ausgedacht: Der Kater wird nicht selbst zum Schauspieler, sondern steht nur Modell für eine Zeichentrickfigur - genau wie Li Dawei für seinen Roman einen literarischen Doppelgänger entworfen hat, der obendrein Comics zeichnet.
Schwarzweiße Illustrationen, die ein Künstler namens Sheng Tao beigesteuert hat, verteilen sich über das ohnehin schon reichlich überladene Buch, und so tritt neben das realistische Porträt der Generation von 1989 und die groteske Geschichte der "Cartoon-Katze" Haohao auch noch eine trendgerechte "graphic novel". Kein Teil passt zum anderen, und es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser zusammengeflickte Roman ein Opfer seiner Entstehungsbedingungen ist. Li Dawei, der seit 2001 in den Vereinigten Staaten lebt, hat den Roman auf Englisch geschrieben. Noch bevor ein amerikanischer Verlag auf ihn aufmerksam wurde, vermittelte die freie Lektorin Anne Rademacher das im Entstehen begriffene Manuskript an den Albrecht Knaus Verlag und besorgte auch gleich die Übersetzung. Auch das ist die Globalisierung: Der in Englisch abgefasste Roman eines chinesischen Schriftstellers erscheint zuerst auf Deutsch und damit in einer Sprache, die der Autor selbst nicht einmal beherrscht. Das Resultat ist enttäuschend.
KOLJA MENSING
Li Dawei: "Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam". Roman. Aus dem Englischen und hrsg. von Anne Rademacher. Mit Zeichnungen und Comics von Sheng Tao. Knaus Verlag, München 2009. 304 S., geb., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Dieser Roman des 1963 in Peking geborenen Li Dawei könnte so kurzweilig und erhellend sein, seufzt Burkhard Müller. Streckenweise hat er sich mit der Geschichte um den Studenten Dawei, dem es eigentlich hauptsächlich darum geht, eine gewisse Kim ins Bett zu kriegen und der in den Strudel der politischen Ereignisse von 1989 gerät, auch tatsächlich amüsiert. Und der Roman hat ihm die Augen geöffnet, was die jungen Leute, die sich auf dem Platz des himmlischen Friedens für mehr Demokratie engagierten, bewegte, auch wenn er überrascht ist, wie wenig offensichtlich gedacht wurde. Das Ganze wird für ihn aber durch einen "ausgesprochen infantilen Zug", der sich in einem sprechenden Kater manifestiert, der der Hauptfigur zuläuft, ruiniert und auch die Entscheidung, Comics in den Roman zu integrieren, die Müller zudem öde gezeichnet und blöd erzählt findet, tragen zu seiner Enttäuschung bei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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