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Der international bekannte Politikwissenschaftler Maruyama Masao erläutert, welche inneren Spannungen der für Japans neuere Geschichte bedeutendste Umbruch - der von 1867/68 - und die auf ihn folgenden Veränderungen in der Gesellschaft auf der Ebene des Ichs erzeugten und wie sie dort verarbeitet wurden. Maruyama untersucht dies anhand von Texten von Politikern, politischen Publizisten und Schriftstellern der Meiji-Zeit (1868-1912). Besonders herausgearbeitet wird, wie sich Loyalität und Rebellion jeweils artikulierten, ob und wie also die mit dem Wechsel der politischen Herrschaft…mehr

Produktbeschreibung
Der international bekannte Politikwissenschaftler Maruyama Masao erläutert, welche inneren Spannungen der für Japans neuere Geschichte bedeutendste Umbruch - der von 1867/68 - und die auf ihn folgenden Veränderungen in der Gesellschaft auf der Ebene des Ichs erzeugten und wie sie dort verarbeitet wurden. Maruyama untersucht dies anhand von Texten von Politikern, politischen Publizisten und Schriftstellern der Meiji-Zeit (1868-1912). Besonders herausgearbeitet wird, wie sich Loyalität und Rebellion jeweils artikulierten, ob und wie also die mit dem Wechsel der politischen Herrschaft einhergehende Verlagerung des Loyalitätsobjekts akzeptiert wurde - oder nicht. Vor allem Maruyamas breite kulturhistorische Perspektive macht dieses in Japan heftig debattierte Buch, das auch einige im Westen gängige Japan-Vorstellungen relativiert und in neuem Licht erscheinen läßt, interessant, instruktiv und zugleich enorm spannend.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.1998

Nur wer die Treue kennt
Masao Maruyamas klassische Kritik der Meiji-Restauration

Masao Maruyama: Loyalität und Rebellion. Herausgegeben, übersetzt und annotiert von Wolfgang Schamoni und Wolfgang Seifert. 2. Auflage. iudicium verlag, München 1997. 187 S., 36,- Mark.

Wenn in diesen Monaten Japan in der Sicht des Westens erneut zum geschichtslosen "economic animal" herunterzukommen droht, über dessen Siechtum, politische Lähmung und Selbstheilungsversuche einzig die Börsen richten, gewinnt die Lektüre von Masao Maruyamas Schriften die geistige Qualität eines Gegengiftes. Das radikalliberale Werk des bedeutenden Ideengeschichtlers und Politikwissenschaftlers (1914 in Osaka geboren, 1996 in Tokyo gestorben) bot auch während der Erfolgsgeschichte der sogenannten Japan AG einen Immunschutz gegen exotistisch-unergründliche Idealisierung des Landes. Vielmehr: es hätte ihn bieten können, denn die ruhmreichen Arbeiten Maruyamas, die in den vierziger und fünfziger Jahren entstanden und in den sechziger Jahren Japans Intellektuellen "eine gemeinsame Sprache gaben" (Kenzaburô Ôe), wurden erst spät ins Deutsche übertragen.

So vielfältig die Einflüsse deutscher Philosophie auf die Methode Maruyamas waren, so elend erlesen war selbst in der Japanologie lange Zeit der Kreis derer, die sein Werk kannten. Die beiden Heidelberger Japanologen Wolfgang Seifert und Wolfgang Schamoni änderten das 1988 mit ihrer Übersetzung von "Denken in Japan" (1957) und abermals 1996 mit "Loyalität und Rebellion" (1960; 1992). Allerdings um den Preis, daß Maruyama, einst sowohl von Japans Konservativen als auch von der Studentenbewegung heftig befehdet, nun hierzulande als Kronzeuge gegen sämtliche feudalen Rückstände der japanischen Nachkriegsdemokratie herhalten sollte. Wie wenig sein Werk als bloße negative Materialausgabe und Mängelkatalog gegen den Souverän, "der auf seinen Rechten schläft", zu vereinnahmen ist, zeigt der Aufsatz "Loyalität und Rebellion", dessen zweite überarbeitete Auflage inzwischen erschienen ist.

Maruyama untersucht den Scheinkonstitutionalismus der Meiji-Zeit (1868-1912) nach dem Sturz des Shogunats in der "Restauration" durch kaisertreue Samurai, und er analysiert die fatalen Folgen der Quasi-Konzentration einer ausgehöhlten Loyalität auf einen gottgleichen Tenno. Enttäuscht wird jeder, der erwartet, der "Modernist" Maruyama lasse von westlicher Aufklärung erfüllte Rebellen gegen die Düsternis des Feudalismus antreten. Loyalität und Rebellion seien Gegensätze, schreibt er, nicht unbedingt Widersprüche. Und er beweist an Texten zeitgenössischer Politiker und Schriftsteller, daß das dynamische und wechselseitige Verständnis des Loyalitätsbegriffs ein Recht zur "eindringlichen Ermahnung" des Patrons durch den Vasallen einschloß. Zur Fesselung durch eine Nationalmoral degenerierte das erst, als der Staat in der Verkörperung des Tenno sich zur ethischen Substanz aufwarf. Ein Selbstbestimmungsrecht des Individuums duldete der Staats-Schintoismus unter dem Gottkaiser also weniger als unter dem persönlichen Treueschwur auf den Feudalherrn.

Japans Christen, seit dem 16. Jahrhundert verfolgt und auch in der Meiji-Zeit der Subversion verdächtigt, hatten in den achtziger Jahren ihren Anteil an der "Bewegung für Freiheit und Volksrechte", die der Meiji-Regierung Verrat am "Geist der Erneuerung" vorwarf. Doch während die radikale Bewegung, die demokratische Versprechen beim Wort nahm, unterdrückt und auch mit Waffengewalt zerschlagen wurde, verzichtete die große Mehrheit der Christen auf Widerstand und unterwarf sich dem Gottkaisertum. Nur eine Handvoll blieb sich treu.

Es hatte sich das autoritäre System gefestigt, dessen Überlegenheitswahn Japan nach Nanking, Pearl Harbor und Hiroshima führen sollte. Und folgt man Maruyama, wirkt noch heute ein Restgift in der politischen Apathie der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn sich im krisenhaften Japan dieser Tage Anzeichen für eine erstarkende Zivilgesellschaft ausmachen lassen, muß Maruyama als ihr Vordenker gelten. Sein Aufsatz aus dem Jahre 1960 jedenfalls hält auch für das Deutschland nach 1989 historische Lehren über den Transfer von Loyalität zwischen Systemen nach einer Revolution bereit. Das Paradox, daß nur "derjenige, der von Anfang an keine Treue kennt, schließlich auch nicht den Willen zu rebellieren hat", gibt uns tatsächlich, wie Murayama am Ende notiert, "eine immerwährende Prophezeiung mit auf den Weg".

UWE SCHMITT

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