• Gebundenes Buch

16 Kundenbewertungen

Der 12-jährige Théo ist ein stiller, aber guter Schüler. Dennoch glaubt seine Lehrerin Hélène besorgniserregende Veränderungen an ihm festzustellen. Doch keiner will das hören. Théos Eltern sind geschieden und mit sich selbst beschäftigt. Der Junge funktioniert und kümmert sich um die unglückliche Mutter und den vereinsamten Vater. Um ihren Sohn müssen sie sich keine Sorgen machen. Doch Théo trinkt heimlich, und nur sein Freund Mathis weiß davon. Der Alkohol wärmt und schützt ihn vor der Welt. Eines Tages wird ihn der Alkohol ganz aufsaugen, das weiß Théo. Doch wer sollte ihm helfen? Hélène,…mehr

Produktbeschreibung
Der 12-jährige Théo ist ein stiller, aber guter Schüler. Dennoch glaubt seine Lehrerin Hélène besorgniserregende Veränderungen an ihm festzustellen. Doch keiner will das hören. Théos Eltern sind geschieden und mit sich selbst beschäftigt. Der Junge funktioniert und kümmert sich um die unglückliche Mutter und den vereinsamten Vater. Um ihren Sohn müssen sie sich keine Sorgen machen. Doch Théo trinkt heimlich, und nur sein Freund Mathis weiß davon. Der Alkohol wärmt und schützt ihn vor der Welt. Eines Tages wird ihn der Alkohol ganz aufsaugen, das weiß Théo. Doch wer sollte ihm helfen? Hélène, seine Lehrerin, würde es tun, wie aber soll das gehen, ohne dass er die Eltern verrät? Mathis beobachtet das alles voller Angst. Zu gerne würde er sich seiner Mutter anvertrauen, allerdings ist Théo sein einziger Freund. Und einen Freund verrät man nicht. Außerdem würde er damit auch demjenigen in den Rücken fallen, der den Minderjährigen den Alkohol besorgt. Und der ist es, der das gefährliche Spiel in dem schneebedeckten Park vorschlägt, bei dem Théo bewusst den eigenen Tod in Kauf nimmt.Wer möchte nicht denen gegenüber loyal sein, die er liebt? In ihrem neuen Roman erzählt Delphine de Vigan von der manchmal gefährlichen Komplexität unserer Beziehungen. Dabei erweist sie sich einmal mehr als unbestechliche Chronistin zwischenmenschlicher Missstände.
Autorenporträt
DELPHINE DE VIGAN, geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Roman ¿No & ich¿ (2007), für den sie mit dem Prix des Libraires und dem Prix Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Ihr Roman ¿Nach einer wahren Geschichte¿ (DuMont 2016) stand wochenlang auf der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015 den Prix Renaudot. Zuletzt erschien bei DuMont ihre Romane ¿Dankbarkeiten¿ (2019) und ¿Das Lächeln meiner Mutter¿ (2020). Die Autorin lebt mit ihren DORIS HEINEMANN, geboren 1957, studierte Romanistik und Germanistik in Köln und Montpellier, arbeitete als Sprachlehrerin, als Übersetzerin im Generalsekretariat des EG-Ministerrats und übersetzt seit 1997 Literatur, u. a. von Christian Gailly, Gabriel Chevallier, Theresa Révay, Yann Queffélec, Jean-Claude Derey und Olivier Rolin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2018

Wie ein elektrischer Schlag

Delphine de Vigan erzählt in ihrem Roman "Loyalitäten" von familiären Brüchen, krankhaften Beziehungen und verborgenen Antrieben.

In der Buchhandelsausgabe von Delphine de Vigans Roman "Loyalitäten", der in Frankreich dieses Jahr erschienen ist und gleich übersetzt wurde, finden sich zwei Interviews: Eines haben die Journalisten von "Marie Claire", ein anderes jene von "Les Inrockuptibles" geführt. Botschaft: Der Autorin ist das Kunststück gelungen, es beiden recht zu machen, dem Magazin für weibliche Mode und der linksrockigen Kulturzeitschrift. Das ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass die Schriftstellerin seit "No & ich" (2007) international bekannt ist und ihr Roman "Nach einer wahren Geschichte" (2015) von Roman Polanski verfilmt wurde (2017). Es sagt aber auch einiges über die verschiedenen literarischen Sensibilitäten aus, die Vigan zu berühren vermag.

Die im Titel genannten Loyalitäten sind zunächst die der Kinder zu ihren Eltern. Im Zentrum steht der zwölfjährige Théo Lubin, ein Scheidungskind, das es schier zerreißt: Seine Mutter schweigt den Vater und Théos Leben dort systematisch tot. Das führt dazu, dass Théo die Situation seines Vaters nicht ansprechen kann: Der steht am Abgrund, vegetiert - von Arbeitslosigkeit, Armut, Depression und Medikamentenmissbrauch ruiniert - in einer verwahrlosten, zugemüllten Wohnung vor sich hin. Wenn er beim Vater ist, versucht Théo den Schein zu wahren, räumt auf, putzt, kocht, kauft ein; der Kampf wirkt aussichtslos, und Théo beginnt, sich mit Alkohol zu betäuben.

Gemeint ist zweitens die Treue der Kinder zueinander, besonders die von Mathis, Théos bestem Freund, der ihn bewundert: "Théo spricht wenig, aber er lässt sich nichts gefallen. Er wird gefürchtet. Respektiert. Er hat sich nie prügeln, nicht einmal drohen müssen. In seinem Innern grollt etwas, das jeden von einem Angriff und Kommentar abhält." Mathis macht das Abenteuer des heimlichen Trinkens erst mit und hält anschließend auch dann noch zu seinem Freund, als dessen selbstzerstörerische Tendenz offensichtlich wird; Mathis belügt seine Eltern und versucht, das Schlimmste zu vermeiden.

Drittens sind die Loyalitäten der Erwachsenen zu den Kindern im Spiel: Im Zentrum steht hier die Lehrerin Hélène, die ahnt, dass mit Théo nicht alles zum Besten steht, und deshalb nichts unversucht lässt, um ihm zu helfen; dabei verrennt sie sich mitunter, wird ausfällig und übergriffig, etwa als sie Théos Mutter zur Rede stellt und vor der Wohnung spioniert. Der verborgene Antrieb ihres Tuns ist, dass sie dem Kind in sich treu bleiben möchte, das von seinem Vater misshandelt wurde.

Die letzte der Loyalitäten sind die zwischen Erwachsenen, die intakte zwischen den Lehrern Hélène und Frédéric, aber auch die schwer beschädigte zwischen den Eltern von Mathis. Céciles und Williams in Routine und Gleichgültigkeit erstickende Ehe geht der Auflösung entgegen, als Cécile entdeckt, was ihr bürgerlich-distinguierter Gatte allabendlich in seinem Arbeitszimmer treibt: Unter Pseudonym betreibt er einen Blog und betätigt sich als Troll, und zwar mittels "Texten, deren rassistische, antisemitische, homophobe und frauenfeindliche Tendenzen sich nicht leugnen ließen". Vigan entführt den Leser in eine wenig erfreuliche Welt: die der scheiternden Ehen, des sozialen Abstiegs, der verletzten Kinder. Es gibt mehrere Gründe, warum ihr das gelingt. Da wären die Perspektiven von vier Erzählern - zwei Jungen, Théo und Mathis, sowie zwei Frauen, Hélène und Cécile -, die sich kapitelweise abwechseln und komplementäre Sichtweisen entwickeln. So gelingt es der Autorin, facettenreiche Porträts zu entwerfen, die authentisch wirken. Der Falle eines wohlfeilen Miserabilismus entgeht der Text zudem durch falsche Fährten: Die von Lehrerin Hélène befürchtete Misshandlung ist keine, Théos Lage ist schlimm, aber eben der Treue zum Vater und der Blockade der Mutter geschuldet; die unbegründete Vermutung, er würde körperlich gequält, ist Hélènes eigenen Erfahrungen als Prügelkind geschuldet.

Das Verfahren wendet Vigan später direkt auf den Leser an: Als Andeutungen über Williams suspektes Treiben am Rechner fallen, denkt man ans Schlimmste und ist geradezu erleichtert, als Cécile herausfindet, "nur" einen reaktionären Wutbürger geehelicht zu haben. Die Entlarvung erzeugt einen Realitätseffekt: Der Leser versteht seine Katastrophenängste als das, was sie sind, Projektionen, und schenkt der trist geschilderten Welt im Roman umso leichter Glauben. Das hat "Loyalitäten" zum Beispiel "Tage ohne Hunger" (2001) voraus. In diesem Roman, der voriges Jahr auf Deutsch erschienen ist, erzählt Vigan die Magersucht der neunzehnjährigen Laure. Die langsame Genesung und (im Rückblick) die Krankheit und ihre Ursachen werden auf viel direktere, eindimensionalere Weise geschildert.

Die erzählerische Raffinesse von "Loyalitäten" hat einen weiteren Vorteil, sie verringert einen Eindruck, der Vigan sicher unrecht tut, der sich jedoch aufdrängt: dass sie den Zeitgeist jagt, indem sie Anthologie-Stücke zu den psychosozialen Problemen der Gegenwart schreibt. Wenn sie das tut, dann als Zeitzeugin: Ihren Romanen ist anzumerken, dass Vigan auf persönlichen Erfahrungen (eine psychisch kranke Mutter, die eigene Magersucht) aufbauen kann. Entscheidend freilich ist, dass sie es als Autorin tut: Die Erfahrungen, die Problemthemen sind literarisch verwandelt. Im Zentrum steht die Not der Kinder, die Vigan mit Empathie, aber ohne Rührseligkeit beschreibt: "Und jedes Mal war ihm, als würde er das Leid seiner Mutter in seinen eigenen Körper aufnehmen. Manchmal war es ein elektrischer Schlag, manchmal ein Schnitt oder ein Faustschlag, aber immer war es sein Körper, in dem sich der Schmerz fortsetzte, als müsse Théo seinen Teil tragen."

Die geheimnisvollen "unsichtbaren Verbindungen", "leise gemachte Versprechungen", die uns mit unseren Nächsten verknüpfen: "Das sind die Sprungbretter, auf denen sich unsere Kräfte entfalten, und die Gruben, in denen wir unsere Träume begraben." Ein schöner, ein erschreckender Gedanke und ein gutes Thema für einen Roman.

NIKLAS BENDER

Delphine de Vigan:

"Loyalitäten".

Aus dem Französischen von Doris Heinemann. DuMont Buchverlag, Köln 2018. 176 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»[Delphine de Vigan] ist wie Virginie Despentes und Annie Ernaux eine Vertreterin der radikal zeitgenössischen französischen Literatur, eine Seismografin gesellschaftlicher Gewalt.« Ute Cohen, DIE LITERARISCHE WELT »Wie ein elektrischer Schlag« Niklas Bender, FAZ »Man kann wirklich ganz knallhart diese Abgründe in zwischenmenschlichen Strukturen und in der Gesellschaft [...] erkennen, sodass beim Lesen einem die Luft im Halse stecken bleibt und es ist faszinierend zu sehen, wie klar sie die Sachen auf den Punkt bringt.« Birgit Koß, DLF KULTUR »Mit Annie Ernaux, Virginie Despentes, Leïla Slimani und Édouard Louis gehört Delphine de Vigan zur Liga französischer Literaten, die das Erzählen mit einer schonungslosen Gesellschaftsanalyse verbinden.« Martina Läubli, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG »Die französische Autorin kleidet innere Tumulte in klare Sprache.« Silke Müller, STERN »Die unterschiedlichen Perspektiven, die sie einnimmt, [...] sind so präzise dargelegt, als könne sie sich als winzige Spionin in die Köpfe der unterschiedlichsten Menschen abseilen.« Jana Felgenhauer, SPIEGEL ONLINE »Raffiniert lotet Delphine de Vigan auch die dunklen Seiten von Loyalität aus.« Luzia Stettler, SRF 52 Beste Bücher »Ein großer Roman [...]: zeitgemäß, melancholisch und wahrhaftig.« Juliane Bergmann, NDR KULTUR »Ein Roman, der einem lange nachgeht.« Sabine Grimkowski, SWR2 Lesenswert Kritik »Delphine de Vigan seziert großartig eine komplexe Situation.« Martina Koch, GLAMOUR »Der Roman ist total packend, am Ende ist man fassungslos.« Anna Eube, WELT.DE/ICONIST »Ähnlich wie Annie Ernaux schaut [Delphine de Vigan] in die Herzen.« Monika Helfer, NEWS »Beim Lesen lässt sich [das Drama, die Verlorenheit und die Ausweglosigkeit] nur deshalb ertragen, weil Vigan so unglaublich gut schreibt. Präzise, dabei empathisch und authentisch, gibt sie ihren Protagonisten eine Stimme, der man zuhören will.« Solveig Bach, NTV.DE »Sie beschreibt präzise, drückt nicht auf die Tränendrüse und findet dennoch Formulierungen, die lange nachwirken. Ein Roman, der dazu auffordert, genauer hinzuschauen, ehrlich zu sich und anderen zu sein.« Anne Burgmer, KÖLNER STADT-ANZEIGER »Ein Appell gegen das Wegsehen und Schönreden« Theresa Lippe, HESSISCHE ALLGEMEINE »170 Seiten, die zeigen, wie Literatur auf höchstem Niveau geht.« Jutta Engelmayer, STADTRADIO GÖTTINGEN »Beklemmend und zugleich raffiniert erzählt.« Katharina Bellgardt, WESTFÄLISCHER ANZEIGER »[Es gelingt] Delphine de Vigan durch ihre genauen Beobachtungen, ihre liebevollen Schilderungen von Théos zähem Kampf aus diesem 12-jährigen Jungen einen eindrucksvollen Helden zu machen.« Gabriele Knetsch, BAYERN 2 DIWAN »Delphine de Vigan schreibt leise, vielschichtig und eindringlich über menschliche Abgründe und innere Kämpfe ganz normaler Menschen.« Jeannette Villachica, ALLGEMEINE ZEITUNG »Erschreckend nüchtern - [...] Das Buch kommt wie eine ort- und zeitlose Fallstudie daher und enthält doch alles, was den Menschen ausmacht. Große Literatur auf kleinem Raum.« Stephan Hermsen, NEUE RUHR ZEITUNG »Gerade diese Beobachtung, dass trotz aller Liebe und vieler Bemühungen umeinander, jeder seine Geheimnisse behält und mit ihnen leben muss, macht 'Loyalitäten' so lesenswert.« Anne Simon, GALORE LITERATUR »Fesselnd entwirft Delphine De Vigan in inneren Monologen der Beteiligten das Bild eines emotional vernachlässigten Jungen.« Carsten Schrader, KULTURNEWS »Delphine de Vigans in Frankreich vielfach ausgezeichneten Romanfiguren brennen sich ins literarische Gedächtnis, ich kann sie einfach nicht vergessen.« Marc Iven, GEISTESBLÜTEN »Offen, ehrlich, schonungslos und direkt. 'Loyalitäten' ist ein dichtes und intensives Buch, dass mit nicht loslässt und mir noch lange zu denken geben wird.« Alexandra Stiller, BUECHERKAFFEE.DE »Jeder Satz sitzt bombenfest, kein Wort ist überflüssig. [...] Delphine de Vigan hat mit 'Loyalitäten' ein verdammt gutes Buch geschrieben.« Monika Drummer, BUCHUNDWORT.DE »Kurz und knapp: eines der Bücher des Jahres, schon vor dem Herbst. Selten hat mich eine Geschichte so vereinnahmt, aber auch verstört und insbesondere ein Gefühl von Empathie in mir erzeugt.« Wolf Gierens, Lesesaal Buchhandlung & Café, Hamburg »Was bedeutet es, 'loyal' zu sein? Ein wahrhaftes Drama, das sich wie ein Krimi liest und mich so ergriffen hat, wie 'Ein wenig Leben' von Hanya Yanagihara.« Rafael Ulbrich, Thalia Buchhandlung Augsburg »Was passiert, wenn nichts mehr sicher scheint - in der Familie nicht, in der Schule nicht und auch nicht im Freundeskreis und Beruf? Die Antworten können manchmal schmerzhaft sein. Das haben sie mit guter Literatur gemeinsam. Und dazu gehört dieser Roman, der beeindruckt.« Heike Heymann-Rienau, Geschäftsführerin Kurt Heymann Buchzentrum GmbH »Der kurze Roman erschüttert, lässt einen zuweilen den Atem anhalten - und tröstet mit einem winzigen Hoffnungsschimmer. [...] Ein Buch wie eine überscharfe Fotografie, hart, klar und präzise. Großartig.« Kerstin Dittert, www.femundo.de »Mit einer beeindruckenden Intensität und Prägnanz erzählt Delphine de Vigan, was Loyalität bedeutet und welche Konflikte sie in der Familie, aber auch im näheren Umfeld auslösen kann. Ein überwältigender und dichter Roman, der einem nicht zuletzt wegen seiner präzisen Sprache den Atem verschlägt.« Liesa Rebbig, www.mscaulfield.com »Ein aufwühlendes, fesselndes, tiefbewegendes Buch, das sich mit atemloser Spannung liest. Das Beste, was ich in diesem Jahr gelesen habe und einfach nur zu empfehlen!« Melanie Seibel, vorablesen.de…mehr