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Ludwig Thoma (1867-1921), einer der populärsten deutschen Dichter, wird hier vorgestellt mit Blick auf die Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielten, Frauen, die er liebte, verehrte, ablehnte und haßte. Die Autorin schlägt ein neues Kapitel aus seiner Biographie auf. Das Ergebnis ist mehr als überraschend.

Produktbeschreibung
Ludwig Thoma (1867-1921), einer der populärsten deutschen Dichter, wird hier vorgestellt mit Blick auf die Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielten, Frauen, die er liebte, verehrte, ablehnte und haßte. Die Autorin schlägt ein neues Kapitel aus seiner Biographie auf. Das Ergebnis ist mehr als überraschend.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2000

Weiberfeind, Weiberheld
Eine Biografie widerlegt Ludwig Thomas Behauptung, er sei kein Mann der Frauen gewesen
Von Franz Freisleder
„Das Weibliche” habe in seinem Leben keine Rolle gespielt, schreibt Ludwig Thoma in seinen „Erinnerungen”, in denen seine Ehe mit keinem Wort vorkommt. Dass Bayerns populärster Dichter mit derlei Äußerungen untertreibt und ablenkt, weiß man spätestens seit 1928, als Walther Ziersch unter dem Titel „Ludwig Thoma, die Geschichte seiner Liebe und Ehe” dessen Briefe an seine frühere Frau Marion herausgab. Und vollends widerlegt ihn jetzt die Historikerin Martha Schad mit ihrem jüngsten Band „Ludwig Thoma und die Frauen” (Verlag Friedrich Pustet, 284 Seiten, 35 Bilder, 54 Mark).
Allen Seiten gegenüber schonungslos objektiv, hat die Autorin bisher zum Teil unveröffentlichte Zeugnisse aus Briefwechseln und Tagebüchern zusammengetragen, Aussagen von Zeitzeugen hinzu gefügt und Nachkommen von Frauen interviewt, die den Dichter kannten. In vielen Einzelfällen gelingt ihr der Nachweis, welche Erlebnisse mit Frauen sich in seinen Werken verschlüsselt wiederfinden.
Ludwig Thoma, das erfahren wir in dieser fesselnden Dokumentation, war weder Weiberfeind noch Weiberheld, weder Frauenfreund noch Frauenknecht allein – er war alles zusammen! Und dabei nur selten wirklich glücklich. Seine Mutter empfand er vor allem als ständig unzufriedene Mahnerin aus der Ferne, während er nach dem frühen Tod des Vaters zwischen Verwandten und Seminaren hin und her geschoben wurde. Erste (und wohl letzte) vorbehaltlose Zuneigung erfuhr er vom Familienfaktotum Viktoria Pröbstl, die ins Haus kam, als er zwei Jahre alt war und noch in Dachau seinen Junggesellenhaushalt führte. „So uneigennützige Liebe kann ich nicht mehr finden. . .”, schrieb er nach ihrem Tod im November 1902 in sein Tagebuch. In dem Lustspiel „Witwen” setzte er ihr ein literarisches Denkmal.
Vielleicht hätte sich Thomas Verhalten zu Frauen anders gestaltet, wäre er nicht als junger mittelloser Rechtspraktikant Mitte der neunziger Jahre vom Vater der angebeteten Hanna Sachs, Tochter eines wohlhabenden Nürnberger Kommerzienrats, gedemütigt worden. Wie tief ihn das damals traf, zeigt nicht nur der autobiografische Simplicissimus-Beitrag „Als Referendar” von 1902, sondern sehr viel später noch einmal die 1920 im Miesbacher Anzeiger erschienene Geschichte „Der Vertrag”. Fürs eigene Leben zog er offenbar daraus die Konsequenz, die sein 1902 veröffentlichtes Gedicht „Frühlingsahnen” zum Inhalt hat:
„Doch wenn es geschehen müßt,
Daß mich kein ledig Mädchen küßt,
Dann ist das allerbeste:
Ich hüpf um eines Andern Frau
Und lebe wie der Kuckuck schlau
vergnügt im fremden Neste. ”
Doch Martha Schad kann an Beispielen belegen, dass Thoma als Kuckuck weder besonders schlau noch längere Zeit vergnügt war: Weil er eine verheiratete Dame aus der Münchner Gesellschaft nicht mehr los wird, wendet er sich im Sommer 1901 Hilfe suchend an seinen Verleger Albert Langen. Er bittet ihn, die Simplicissimus-Redaktion auf einige Zeit „par distance” von Berlin aus führen zu dürfen. Langen zeigt Verständnis, nimmt ihn das Jahr darauf auch für fünf Wochen nach Paris mit, wo er hinreichend Bekanntschaften mit „graziösen, liebenswürdigen Ludern” macht. Dadurch in Geldschwierigkeiten, verlangt er von Verlagsleiter Georg Mischek einen Vorschuss, da er „kein verfüg- und verfickbares Geld mehr” habe.
Frauen waren „Objekte”
Aus Frankreich zurück, zieht Thoma in die Barer Straße 38, wo er mit der Tochter der Pensionsinhaberin, die mit dem Major Robert von Xylander verheiratet ist, ein Verhältnis anfängt. Weil seine Kontakte mit einem gewissen „Frl. F. Zanoli” für ihn selbst nicht ohne Folgen bleiben, muss er sich im Februar 1905 in ärztliche Behandlung begeben. Frauen waren für ihn um diese Zeit, wie er einmal schrieb, lediglich „Objekte”. Das ändert sich, als er im Mai 1905 seine erste große Liebe, die Tänzerin Marietta de Rigardo, kennenlernt. Die in Manila geborene uneheliche Tochter eines Schweizer Konsuls ist um diese Zeit mit einem Berliner Kabarettisten verehelicht, dem sie Thoma zum Zwecke der Heirat (1907), lapidar gesagt, für 16 000 Goldmark abkauft.
Bei der temperamentvollen Marion jedoch (so nennt sie sich jetzt) spielt bald ein junger Mann namens U. Engelhardt den Kuckuck. Es kommt 1911 zur Scheidung – doch Thoma hängt an ihr. Sie darf ihr Zimmer auf der Tuften behalten. Erst 1918 komplimentiert er sie aus dem Haus. Er hat in Maidi von Liebermann die zweite, letzte große Liebe seines Lebens gefunden – und ist wieder in eine Ehe eingebrochen. Doch Willy von Liebermann bleibt hart. So wird Maidi 1921 Thomas Haupterbin, ohne seine Frau gewesen zu sein.
Vielen Spuren geht Martha Schad in ihrem Buch noch nach: zu Frauen etwa wie Thinka Ganghofer, Helene Taschner, Dora Stieler oder Lena Christ, die Thoma bewunderte und schätzte, oder Pazifistinnen, Politikerinnen und Schriftstellerinnen wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Else Lasker-Schüler und Constanze Hallgarten, die er hasste und verhöhnte. So geriet, was als Spezialthema angelegt ist, zu einer neuen Biografie, die uns Thoma so nahe bringt wie bisher kaum eine Veröffentlichung. Ein Rest von Rätselhaftigkeit, wie ein so freier Geist, der vor dem Ersten Weltkrieg auch eine Art bayerischer Tucholsky war, später im Miesbacher Anzeiger so viel politischen Ungeist verbreiten konnte, wird gleichwohl immer bleiben. . .
1907 heiratet Thoma die Tänzerin Marietta de Rigardo.
Fotos:Verlag
Seine Mutter (3. von links) empfand Ludwig Thoma stets als Mahnerin.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.1996

Bessere Nerven als jedes Tier
Ein Jäger auf der Pirsch: Ludwig Thoma und die Frauen

Daß in Leben und Werk eines Literaten Frauen eine Rolle spielen, ist keine neue Erkenntnis. Daß die Literaturwissenschaft sich für das Thema interessiert, ist schon seltener. Für Ludwig Thoma hat es Gertrud Rösch in einer Regensburger Examensarbeit abgehandelt. Jetzt beschäftigt sich damit auch Martha Schad.

Das Thema ist mehrteilig: Einmal sind die realen Beziehungen darzustellen; das reicht vom Mutter-Sohn-Verhältnis zum Umgang mit der Kinderfrau und Haushälterin, mit den Schwestern, Schwägerinnen und Basen, zu mehr oder minder lockeren erotischen Bindungen, bis zur Ehegattin und "Scheidungspartnerin", bis zur Freundin der letzten Lebensjahre. Da ist viel zu recherchieren, aus Briefen oder Tagebüchern zu rekonstruieren und in das gesellschaftliche Umfeld einzuordnen.

Dann könnte man die Werke auf Autobiographisches untersuchen, ein besonders schwieriges Vorhaben, wenn man die Diskussion um "Fiktion und Realität" in der Literaturwissenschaft bedenkt. Als weitere Komponente der "Frauenforschung" um Thoma könnte man das Werk daraufhin befragen, wie dem Autor die weiblichen Gestalten gelingen, wie er Fiktion und eventuell reales Erleben in den literarischen Texten umsetzt. Um so interessanter bei einem Autor, dem nach eigenem Bekenntnis keine Liebesszene literarisch gelungen ist. Als letztes Forschungsgebiet bietet sich die Frage an, wie Thoma mit seinen Kolleginnen von der schreibenden und dichtenden Zunft umging.

Das veröffentlichte literarische Werk Thomas ist umfangreich: sechs, sieben oder acht Bände umfassen die Gesammelten Werke in den Ausgaben von 1922, 1956 und 1968. Zwei starke Bände mit Briefen Thomas liegen vor; damit ist aber nur ein Bruchteil erschlossen. Richard Lemp, der beste Kenner der Thoma-Überlieferung und der Altmeister der Thoma-Handschriften-Forschung, hat in seinem Inventar des Thoma-Archivs und in der Bibliographie der Thoma-Werkausgaben und der Thoma-Drucke fast 1800 Nummern aufgereiht, Autographen, Erstdrucke in Zeitungen und Zeitschriften, Ausgaben der Romane und Geschichten, die zunächst im Verlag Langen (dann Langen-Müller) und schließlich bei Piper in München erschienen sind. Leider fehlt bis heute eine historisch-kritische Gesamtausgabe.

Weitläufig ist auch die Literatur über Thoma; auf ihr beruht das Schadsche Buch. Darin ist die Autorin belesen, und sie hat auch das Zentrum der gegenwärtigen Forschung über Thoma ausgemacht: Bernhard Gajek und seine Schüler im Germanistik-Institut der Universität Regensburg. Den textkritischen und kommentierenden Ausführungen, die Gajek den revidierten Ausgaben der wichtigeren Thoma-Romane beigibt, den Forschungen von Gertrud M. Rösch (Frauen um Thoma; Thoma als Journalist), Andreas Pöllinger (Briefwechsel Langen-Thoma) oder Eleonore Nietsch (Femme et société dans l'oeuvre du L. Th.) begegnet man auf Schritt und Tritt in den Anmerkungen. Martha Schad handelt über die Frauen aller Kategorien, am ausführlichsten über Marion Thoma (Ehefrau von 1907-1911) und Marie Liebermann von Wahlendorf (nah befreundet von 1918 bis zu Thomas Tod 1921); dabei zitiert sie bisher unbekannte Passagen aus den unter Verschluß stehenden Teilen des Thoma-Archivs.

Manches wird nun deutlicher im Beziehungsgewirr von Thomas letzten Jahren. Auch durch die Befragung von Zeitzeugen oder Personen, die solche noch kannten, bringt sie Belege bei für manche Facetten von Thomas Wesen, so die griffige Formulierung eines jungen, auf der Tuften beschäftigten Gärtners: "In puncto Frauen war Ludwig Thoma kein Menschenkenner! Eine hysterische und eifersüchtige Köchin, eine extravagante Tänzerin und später eine kühl berechnende Freundin."

Die Aufzählung der real und persönlich in Thomas Leben wirkenden Frauen ist wohl ziemlich vollständig; die Analyse der in Thomas Schriftstellerei vorkommenden Frauen fällt demgegenüber viel knapper aus; ausführlicher werden wieder die schreibenden Kolleginnen bedacht, von denen wenige nur Gnade vor dem Auge des Meisters fanden. Der letzte Teil des Buches handelt von Thomas Testament, mit dem Marie von Liebermann Haupterbin wurde. Das hat im Kreis der Geschwister und der bodenständigen Freunde um den Tegernsee Aufsehen und Ärger gemacht, was die Forschung schon wußte; jetzt aber findet sie die Belege übersichtlich zusammengestellt.

Um Thoma hat sich Frau von Liebermann in den letzten Wochen seines Lebens wenig gekümmert, mehr um seinen Nachlaß in den folgenden vierzig Jahren. Mit dessen Sicherung und mit der Überführung in die Münchener Stadtbibliothek hat sie sich die größten Verdienste erworben; darum erhielt sie als erste die Ludwig-Thoma-Medaille.

Martha Schads Buch, gut recherchiert, inhaltsreich, flott geschrieben und mit zahlreichen Fotos und Faksimile-Abbildungen exzellent ausgestattet, ist ohne Zweifel ein wichtiger Beitrag zur Biographie des Schriftstellers. Leider geht die Autorin auf ein für Thoma höchst wichtiges Thema nicht ein: die Jagd. Denn der Vergleich drängt sich auf: Thoma, der große Nimrod, war von vielen Frauen fasziniert und wandte die größten Mühen (manchmal auch große Kosten) auf, um eine Frau, die in sein Visier gekommen war, zu gewinnen. War das Ziel erreicht, dann ließen seine Energien nach. Darüber hätte man in einem Frauenbuch über Thoma gern Näheres gelesen; aber das kann in der zweiten Auflage nachgeholt werden. WILHELM VOLKERT

Martha Schad: "Ludwig Thoma und die Frauen". Pustet Verlag, Regensburg 1995. 283 S., zahlr. Abb., geb., 54,- DM.

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