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Ein rätselhaftes Erbe "Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mir nicht glücklich gemacht, ich hätte nicht einziehen dürfen und Landskron und Villach und Kärnten überhaupt meiden müssen von Anfang an." Mit einem Haus am See erbt Kurt Weber auch die Geschichte dieses Hauses und seiner ehemaligen Bewohner, die ihn in Form von Träumen, Rätseln und Fragen an die Vergangenheit heimsucht, und als eines Tages eine alte Frau das Haus betritt und sich in einem Zimmer einschließt, in Ludwigs Zimmer, gerät Kurt unentrinnbar in den Bann ihrer…mehr

Produktbeschreibung
Ein rätselhaftes Erbe "Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mir nicht glücklich gemacht, ich hätte nicht einziehen dürfen und Landskron und Villach und Kärnten überhaupt meiden müssen von Anfang an." Mit einem Haus am See erbt Kurt Weber auch die Geschichte dieses Hauses und seiner ehemaligen Bewohner, die ihn in Form von Träumen, Rätseln und Fragen an die Vergangenheit heimsucht, und als eines Tages eine alte Frau das Haus betritt und sich in einem Zimmer einschließt, in Ludwigs Zimmer, gerät Kurt unentrinnbar in den Bann ihrer Erinnerungsarbeit.Wer ist Ludwig, und was ist in diesem Haus geschehen?

Alois Hotschnig erzählt in diesem Roman aus Erinnerungssplittern und Träumen, aus Beobachtungen und Dialogen in einer düster-schönen und suggestiven Sprache von Liebessehnsucht und Lieblosigkeit und vom Umgang mit Schuld, die bis in die Nazi -Vergangenheit führt.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2001

Moderduft im Ludwigszimmer
Alois Hotschnig öffnet Gräber und findet Ameisen

Der Werbetext des Verlages täuscht vor, es handle sich um einen der Romane, die in Bahnhofsbuchhandlungen massenhaft über die Ladentheke gehen: "Suggestiv und spannend erzählt Alois Hotschnig davon, wie jemand mit einem Haus auch dessen rästelhafte Geschichte erbt und wie ihn das mit der Vergangenheit, mit Liebe und Schuld, konfrontiert." Die etwas holperige Anbiederung ans Thriller-Genre ist eine legitime List, um das neue Werk des Österreichers unter die Leute zu bringen, der im vergangenen Jahrzehnt die Untadeligkeit seiner literarischen Ambitionen mehrfach unter Beweis gestellt und dafür diverse Preise und Auszeichnungen eingesammelt hat. Ein verfallenes Haus am See, ein verbotenes Zimmer, ein verdrängtes Familiendrama sind Ingredienzien, die Spannung nach bewährtem Strickmuster verheißen, und die verkauft sich nun einmal leichter als jene Art von Suggestivität, die Alois Hotschnigs ungleich anspruchsvolleres Anliegen ist.

Der erste Satz nährt noch die Illusion soliden Unterhaltungswerts: "Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mir nicht glücklich gemacht, ich hätte nicht einziehen dürfen und Landskron und Villach und Kärnten überhaupt meiden müssen von Anfang an." Was folgt, läßt freilich schon ahnen, daß wir es hier mit einem Erzähler von heiligem Ernst und gnadenloser Larmoyanz zu tun haben: "Und doch habe ich dieses Haus aufgesucht und betreten und angenommen und mich gleichzeitig von allem getrennt, was mich bis dahin ausgemacht hat, ich habe Landskron angenommen und mich von Vera getrennt, vor allem bin ich geflüchtet, vor dem ich nur flüchten konnte jemals, und habe diesen Ort aufgesucht als Versteck und mich eingenistet darin."

Wer Vera ist, werden wir leider nie erfahren. Er hätte schon als Kind nicht herkommen sollen, führt der Flüchtling weiter aus, aber nun ist es zu spät: Der Großonkel, der auf der Suche nach einem "Anwärter" seine jugendlichen Verwandten regelmäßig an die Wand zu stellen pflegte, um ihre Entwicklung fotografisch zu dokumentieren, hat ausgerechnet ihn, Kurt, zum Erben seines Domizils am Wasser auserkoren. Murrend, aber schicksalsgläubig nimmt der Erwählte das verkommene Anwesen in Besitz, in dem seine "aus dem Haus herausgestorbenen Vorgänger" einen üblen Modergeruch hinterlassen haben. Spätestens jetzt wittert der Leser, enttäuscht oder befriedigt, je nachdem, daß er kein kurzweiliges Gruselszenario zu gewärtigen hat, sondern eine schwervergrätzte Vision der Conditio humana mit psychoanalytischen Seitenblicken: "Kindheit, dachte ich, Moder und Gestank, der sich über mich legen und an mir kleben und schließlich aus mir herausdünsten und so mein Geruch werden würde, wie er es schon einmal war."

Wer trotzdem weiterliest, kriegt einiges geboten: feindselige Nachbarn und mysteriöse Todesfälle, ein Grab voller Ameisen und einen Schuppen voll abgehäuteter Hasenkadaver, Albträume von pulsierenden Leichenbergen und mannshohen toten Vögeln, von einem Kirschbaum, der mit menschlichen Augen behängt ist, von Blut, das aus der Wasserleitung quillt, und von flächendeckendem Hornissenbefall. Ein stattliches Repertoire surrealistischer Schockmotive hat der Autor ausgegraben, um sein Kärntner Seestück zum Menetekel zu stilisieren. Das extrem verdüsterte Innenleben des Erzählers ist offenbar eine Familienkrankheit: "In meiner Verwandtschaft hat man sich immer schon umgebracht, doch für jeden, der geht, kommt einer nach, mindestens einer, an Aussterben ist nicht zu denken." An anderer Stelle heißt es: "Meine Verwandtschaft ist eine einzige gegen mich gerichtete Infektion." Der Satz könnte auch bei Ephraim Kishon stehen, aber Hotschnigs Held zieht uns so unbarmherzig in sein todessüchtiges Lamento hinein, daß jeder humoristische Hintergedanke nach Blasphemie schmecken muß.

Das gilt um so mehr, als die Schreckensbilder, von denen Kurt täglich und nächtlich heimgesucht wird, im Dienste hochseriöser Vergangenheitsforschung stehen. Die Spur, die im geheimnisvoll verschlossenen "Ludwigszimmer" beginnt, führt über familiäre Verstrickungen und Liebeskonflikte zurück ins Grauen der Nazizeit und endet bei einem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen, der unversehens ein Stück Realität, der nüchterne Beobachtung in das angestrengte Raunen, Rätseln und Räsonieren bringt. Kurts finstere Fährtensuche wird begleitet vom schrittweisen Sterben seines Nachbarn, eines gewissen Herrn Gärtner, dessen wortreiche Monologe jene menschliche Befindlichkeit umkreisen, die Samuel Becketts Pozzo einst in dem wunderbar lakonischen Satz zusammenfaßte: "Sie gebären rittlings über dem Grabe, der Tag erglänzt einen Augenblick und dann von neuem die Nacht." Man kann es, wie Alois Hotschnig sprachmächtig demonstriert, auch viel weitschweifiger sagen. Zuweilen aber findet der Autor zu einer aphoristischen Konzentration, um die selbst Beckett ihn beneidet hätte: "Wer ein Gewissen hat, fällt selbst hinein." Genau das muß sich der Verlag gedacht haben, als er Hotschnigs prätentiösem Prosastück das Etikett eines romantischen Reißers aufklebte. Hoffentlich wird's kein Reinfall.      

KRISTINA MAIDT-ZINKE

Alois Hotschnig: "Ludwigs Zimmer". Roman. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2000. 174 S., geb., 29,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kristina Maidt-Zinke rezensiert Alois Hotschnigs Roman "Ludwigs Zimmer", erschienen 2000 bei Kiepenheuer und Witsch. Sie bemerkt, dass der Verlag den Text als spannenden Thriller bewirbt, was laut Maidt-Zinke jedoch irreführend ist. Stattdessen durchzieht Hotschnigs Werk eine düstere Erforschung der menschlichen Existenz und Familientragödien. Zentrale Elemente sind ein verfallenes Haus und surreale Schreckensbilder. Hervorgehoben wird eine Spurensuche, die tief in die Nazizeit führt und von einer ernüchternden Realität begrenzt wird. Maidt-Zinke lobt die sprachliche Kraft des Autors, obwohl sie die Idee einer romantischen Verpackung kritisch sieht. Insgesamt scheint sie das Buch trotz seiner Schwere hoch zu schätzen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Faszinierende an Hotschnigs Prosa ist [...] die Sprache, in der der Autor diese Heimat-, Erinnerungs- und Vergangenheitssuche, letztendlich auch Ich-Suche erzählt.« spiegel.de
Kristina Maidt-Zinke rezensiert Alois Hotschnigs Roman "Ludwigs Zimmer", erschienen 2000 bei Kiepenheuer und Witsch. Sie bemerkt, dass der Verlag den Text als spannenden Thriller bewirbt, was laut Maidt-Zinke jedoch irreführend ist. Stattdessen durchzieht Hotschnigs Werk eine düstere Erforschung der menschlichen Existenz und Familientragödien. Zentrale Elemente sind ein verfallenes Haus und surreale Schreckensbilder. Hervorgehoben wird eine Spurensuche, die tief in die Nazizeit führt und von einer ernüchternden Realität begrenzt wird. Maidt-Zinke lobt die sprachliche Kraft des Autors, obwohl sie die Idee einer romantischen Verpackung kritisch sieht. Insgesamt scheint sie das Buch trotz seiner Schwere hoch zu schätzen.

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