Die alte Hansestadt Lübeck hätte ihre Seele in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs um ein Haar verloren - aber vieles konnte unter den Trümmern doch gerettet oder in den vergangenen Jahrzehnten rekonstruiert werden. Wie kein Zweiter weiß Thomas Radbruch mit seiner historisierenden Bildästhetik dieses alte Lübeck einzufangen und darzustellen. Bei ihm gilt abgewandelt Thomas Manns Satz: "Die Welt ist schön."Auf den Spuren des großen Sohnes der Stadt sowie anderer Literaten folgt der Autor den Bildern und präsentiert einen kongenialen Lübeck-Essay, der sowohl die Stadt wie auch die besondere Fotokunst würdigt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2008Die Heiligen und der Mond
Der neue Lübeck-Bildband aus dem Haus Boyens in Heide ist keineswegs für jedermann gemacht. Für wen aber ist er gedacht? Vielleicht nur für die Lübecker selbst, denn die sollten wissen, wie schön ihre Stadt ist. Die Aufmachung des Buchs hingegen hebt dies nicht eben hervor, im Gegenteil. Von Thomas Radbruch sind die Fotografien, von Martin Thoemmes der Text. Mehr erfahren wir nicht über die Autoren. Dabei sollte sich der Verlag mit einem Städtefotografen wie Radbruch doch schmücken. Radbruch wurde in Lübeck geboren, daher die Nähe. Christian Dräger, so erfährt der Leser, hat ein Vorwort geschrieben. Wer ist Christian Dräger? Hat er etwas mit den Dräger-Werken zu tun, die in Lübeck ihren Sitz haben? Dann wäre er in der Tat ein einflussreicher Lübecker Bewohner. Warum wird er dem Leser nicht vorgestellt? Im Einband sind lauter Heiligenfiguren zu sehen. Vermutlich gehören sie alle nach Lübeck, aber in dem Buch geht es nicht um Heiligenfiguren, jedenfalls nicht vordergründig. Verwirrend ist auch, dass der Text von Thoemmes mit einer Betrachtung über "Nicht-Orte" beginnt. Lübeck ein Nicht-Ort? Ach nein, auch in Lübeck gibt es Nicht-Orte, will der Autor uns sagen, und wahrscheinlich meint er das zivilisationskritisch. Wer will das aber wissen angesichts dieser herrlichen Stadt, die Wilhelm II. mal die "deutscheste aller deutschen Städte" nannte? Thoemmes zitiert das, fügt freilich hinzu, als wolle er sich für ein Zitat vom Kaiser entschuldigen: "dessen problematischer Charakter hysterischer Züge nicht entriet". Ja, was ist das für ein schwülstiges Deutsch, auch nicht besser als der Wilhelminismus. Thoemmes sagt uns zwar auch nicht viel über den Fotografen, beginnt aber mitten im Text eine Polemik gegen jene, die kritisch meinen, Radbruchs Bilder seien schöner als die Stadt selbst. Wieso diese Polemik? Der Leser findet die Bilder doch schön. Natürlich inszeniert der Fotograf die Stadt. Natürlich ist Lübecker Alltag nicht so schön wie die Inszenierung. Gerade darin liegt aber der Reiz des Bildbands. Irgendwann gibt man es auf, sich mit dem Text herumzuplagen, der einen immerzu arrogant wissen lässt, man müsse eigentlich sowieso schon alles wissen. Lieber schwelgt der Leser in den Fotos. Die Bilder der Stadt im Schnee und im Nebel sind die schönsten. Und die Aufnahme vom Vollmond, der wie ein Lampion zwischen den beiden Türmen der Marienkirche hängt.
F.P.
"Lübeck und Travemünde" von Thomas Radbruch (Fotos) und Martin Thoemmes (Text), mit einem Geleitwort von Christian Dräger. Boyens Verlag, Heide 2007. 104 Seiten, 78 Farbfotografien. Gebunden, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der neue Lübeck-Bildband aus dem Haus Boyens in Heide ist keineswegs für jedermann gemacht. Für wen aber ist er gedacht? Vielleicht nur für die Lübecker selbst, denn die sollten wissen, wie schön ihre Stadt ist. Die Aufmachung des Buchs hingegen hebt dies nicht eben hervor, im Gegenteil. Von Thomas Radbruch sind die Fotografien, von Martin Thoemmes der Text. Mehr erfahren wir nicht über die Autoren. Dabei sollte sich der Verlag mit einem Städtefotografen wie Radbruch doch schmücken. Radbruch wurde in Lübeck geboren, daher die Nähe. Christian Dräger, so erfährt der Leser, hat ein Vorwort geschrieben. Wer ist Christian Dräger? Hat er etwas mit den Dräger-Werken zu tun, die in Lübeck ihren Sitz haben? Dann wäre er in der Tat ein einflussreicher Lübecker Bewohner. Warum wird er dem Leser nicht vorgestellt? Im Einband sind lauter Heiligenfiguren zu sehen. Vermutlich gehören sie alle nach Lübeck, aber in dem Buch geht es nicht um Heiligenfiguren, jedenfalls nicht vordergründig. Verwirrend ist auch, dass der Text von Thoemmes mit einer Betrachtung über "Nicht-Orte" beginnt. Lübeck ein Nicht-Ort? Ach nein, auch in Lübeck gibt es Nicht-Orte, will der Autor uns sagen, und wahrscheinlich meint er das zivilisationskritisch. Wer will das aber wissen angesichts dieser herrlichen Stadt, die Wilhelm II. mal die "deutscheste aller deutschen Städte" nannte? Thoemmes zitiert das, fügt freilich hinzu, als wolle er sich für ein Zitat vom Kaiser entschuldigen: "dessen problematischer Charakter hysterischer Züge nicht entriet". Ja, was ist das für ein schwülstiges Deutsch, auch nicht besser als der Wilhelminismus. Thoemmes sagt uns zwar auch nicht viel über den Fotografen, beginnt aber mitten im Text eine Polemik gegen jene, die kritisch meinen, Radbruchs Bilder seien schöner als die Stadt selbst. Wieso diese Polemik? Der Leser findet die Bilder doch schön. Natürlich inszeniert der Fotograf die Stadt. Natürlich ist Lübecker Alltag nicht so schön wie die Inszenierung. Gerade darin liegt aber der Reiz des Bildbands. Irgendwann gibt man es auf, sich mit dem Text herumzuplagen, der einen immerzu arrogant wissen lässt, man müsse eigentlich sowieso schon alles wissen. Lieber schwelgt der Leser in den Fotos. Die Bilder der Stadt im Schnee und im Nebel sind die schönsten. Und die Aufnahme vom Vollmond, der wie ein Lampion zwischen den beiden Türmen der Marienkirche hängt.
F.P.
"Lübeck und Travemünde" von Thomas Radbruch (Fotos) und Martin Thoemmes (Text), mit einem Geleitwort von Christian Dräger. Boyens Verlag, Heide 2007. 104 Seiten, 78 Farbfotografien. Gebunden, 24,90 Euro.
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