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Volker Brauns Verse, die, wie so oft, sich im Kontext europäischer Aufklärungsgeschichte bewegen und mit Fragmenten der Kolonialgeschichte operieren, fragen nach den offenen Rechnungen, die unsere porösen Demokratien aus ihrer überkommenen Kolonialmachtzeit noch zu begleichen haben.Kongenial von Ann Cotten, einer ebenso begnadeten Dichterin, ins Englische übertragen. Weil Raubkunst und Räuberstaat keine nationalen Phänomene waren und sind, sondern globalisierte Enteignung und Vernichtung. Die Sprache der Aufhebung des Unrechts ist international.

Produktbeschreibung
Volker Brauns Verse, die, wie so oft, sich im Kontext europäischer Aufklärungsgeschichte bewegen und mit Fragmenten der Kolonialgeschichte operieren, fragen nach den offenen Rechnungen, die unsere porösen Demokratien aus ihrer überkommenen Kolonialmachtzeit noch zu begleichen haben.Kongenial von Ann Cotten, einer ebenso begnadeten Dichterin, ins Englische übertragen. Weil Raubkunst und Räuberstaat keine nationalen Phänomene waren und sind, sondern globalisierte Enteignung und Vernichtung. Die Sprache der Aufhebung des Unrechts ist international.
Autorenporträt
Volker Braun, geboren 1939 in Dresden. Studium der Philosophie. Lebt in Berlin. 2000 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Werke u. a.: Provokation für mich, 1966; Großer Frieden, 1976; Training des aufrechten Gangs, 1979; Hinze-Kunze-Roman, 1984; Die Übergangsgesellschaft, UA 1987; Bodenloser Satz, 1989; Die hellen Haufen, 2011; Demos, 2016; Handbibliothek der Unbehausten, 2016; Verlagerung des geheimen Punkts. Schriften und Reden, 2019; Große Fuge, 2021
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den guten Willen erkennt Rezensent Tobias Lehmkuhl durchaus in Volker Brauns Mini-Epos des berühmten Luf-Boots, das deutsche Kolonialisten aus Papua-Neuguinea raubten und das jetzt im Humboldt-Forum ausgestellt ist. Aber auch wenn völlig klar sei, auf welcher Seite der Dichter steht, findet der Rezensent das Unterfangen politik heikel. Seltsam deutsch findet er zum einen die Worte und Gedanken, die Braun den Menschen aus Papua-Neuguinea in den Mund legt, ohne ihnen und ihrer Kultur einen Namen zu geben. Zum anderen erscheinen ihm die Verse selbst ein wenig hüftsteif, "wie in deutsche Eiche gekerbt". Eine Passionsgeschichte, meint Lehmkuhl, wie gemacht für für den Museumsshop.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2022

Mensch als Unwetter
Volker Brauns lyrisches Mini-Epos des Luf-Bootes

Ein Buch, geschrieben wie für den Museumsshop des Humboldt-Forums: In einer Art Wechselgesang lässt Volker Braun Eduard Hernsheim und einen namenlosen Einheimischen aus Papua-Neuguinea zu Wort kommen. Der eine wird sich das Luf-Boot aneignen, das heute in der Ausstellung des Berliner Ethnologischen Museums zu sehen ist, der andere spricht für sein Volk, das den "Eisenschiffen" aus Nordeuropa nichts entgegenzusetzen hat.

Das Boot bauen die Bewohner der Insel Luf als letztes Zeugnis ihrer Schiffsbaukunst, wenn auch längst nicht mehr genug von ihnen am Leben sind, es zu steuern. Dafür haben die deutschen Kolonialisten gesorgt: "Wir fuhren mit dem Kanonenboot / Hyäne und der Corvette Carola zur Züchtigung / der Aufsässigen und schossen die Hütten / in Brand." Es ist keine Frage, auf welcher Seite Volker Braun steht.

Und doch hat "Luf-Passion" ein Geschmäckle kultureller Aneignung. Zwar wird den Eingeborenen in Brauns Text eine eigene Kultur zugebilligt, die von den deutschen Händlern und Soldaten einst geflissentlich ignoriert wurde, um die Unterwerfung als eigene zivilisatorische Mission zu verklären. Aber einen Namen gibt Braun den Menschen dieser Kultur nicht, nicht der Kultur als Ganzer und nicht ihren einzelnen Vertretern (erwähnt wird allein der Name von Häuptling Levinan, für den das Prachtboot gebaut wird). Stattdessen legt Braun seinem Eingeborenen-Sprecher ein anachronistisches westliches Vokabular und ebenso billige wie windschiefe Metaphern in den Mund: "Wir lebten im Land und im Wasser. / Wir schrieben auf den Wind und den Sand / Wir gingen erhobenen Hauptes / Mein Kopf / ist wie leergeblasen. Mit Monsterwellen / konnten wir umgehn und Vulkanen nicht / mit dem Hurrican Mensch." (sic)

Braun hat in seinen sechzehnteiligen Zyklus Meeres-Gedichte von Johannes Bobrowski und Sibylla Schwarz eingebaut, amtliche Berichte und einen Text von Diderot, der sich schon im achtzehnten Jahrhundert gegen den Kolonialismus wandte. Aber überall dort, wo er selbst dichtet, auch wenn er eine vergewaltigte Eingeborene zu Wort kommen lässt, klingen seine Verse nach Volker Braun: Bei ihm scheint jedes Wort wie in Stein gemeißelt oder zumindest wie in deutsche Eiche gekerbt (und nicht in papua-neuguineisches Einbaum-Holz). Das lässt an Brecht denken oder an eine imaginäre Antike, nicht aber an die Zeit der Handlung (wenn man denn von Handlung sprechen kann).

Interessanterweise ist Brauns "Luf-Passion", die sich fraglos an ein internationales Publikum richtet, eine englische Übersetzung der Dichterin Ann Cotten beigegeben (die auch das letzte Gedicht des Zyklus verfasst hat). Bei Cotten nun klingt, was bei Braun etwas Ehern-Hüftsteifes an sich hat, kraftvoll und direkt: "Half of them / were already destroyed anyway and / the others we drove into the water I watched this." Dagegen Braun: "Die Hälfte / war ohnehin hin und die andern / ins Wasser getrieben. Da habe ich zugesehn." Beigegeben sind dem Band mit roter Farbe übermalte und bespritzte historische Fotografien von Eingeborenen Papua-Neuguineas. Ein Hinweis auf das Blut, das geflossen ist? Es würde passen zu dieser recht plakativen Passions-Geschichte. TOBIAS LEHMKUHL

Volker Braun: "Luf-Passion". Deutsch/englische Ausgabe.

Ins Englische von Ann Cotten. Faber und Faber, Leipzig 2022. 64 S., Abb., geb., 20,- Euro.

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