Schuld sind immer die anderen
Deutlicher hätte Josch, der Schwimmmeister, nicht werden können. Er findet es eine Schnapsidee, dass Leonie nach ihrem Praktikum im Schwimmbad bei ihm eine Ausbildung beginnen will. Die Vierzehnjährige ist dem mehr als doppelt so alten Mann wie eine herrenlose Katze
zugelaufen und gewährt ihm seitdem das Privileg, ihr bester Freund zu sein. Leonie kreist wie ein…mehrSchuld sind immer die anderen
Deutlicher hätte Josch, der Schwimmmeister, nicht werden können. Er findet es eine Schnapsidee, dass Leonie nach ihrem Praktikum im Schwimmbad bei ihm eine Ausbildung beginnen will. Die Vierzehnjährige ist dem mehr als doppelt so alten Mann wie eine herrenlose Katze zugelaufen und gewährt ihm seitdem das Privileg, ihr bester Freund zu sein. Leonie kreist wie ein Planet um ihr Idol, flirtet mit Josch und nutzt ihn als Mentor, wenn ihr in einer fantastischen Welt angesiedeltes Buchmanuskript nicht vom Fleck kommen will. Gegen Leonies Schreibhemmung hilft angeblich nur ein nächtlicher Tauchgang im geschlossenen Schwimmbad. Josch hat keine Qualifikation als Tauchlehrer. Leonie weiß das, dringt verbotenerweise doch ins Bad ein und verunglückt dabei tödlich. Dass Josch sich damals beim ersten verbotenen gemeinsamen Tauchgang nicht gegen Leonies Gequengel duchsetzen konnte, wird er sein Leben lang bereuen. Leonies schwärmerische Tagebucheinträge lassen Josch blöd dastehen; die zu vermutende enge Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem ihm anvertrauten Kind wirkt mehr als sonderbar. Der Unfall erregt erhebliches Aufsehen, dem Josch sich durch Flucht entzieht. Wie wir auf seiner abenteuerlichen Reise entdecken werden, ist Josch vor Forderungen bisher immer nur geflüchtet. Josch trägt nie Schuld an Geschehnissen, im Gegenteil, die Dinge verschwören sich stets gegen ihn. Zusammen mit der blinden Maria macht Josch sich auf den Weg zu seinem 15-jährigen Sohn nach Südfrankreich, zu dem der Kontakt abgerissen ist und für den er seit Jahren keinen Unterhalt mehr zahlt. Maria hat Josch im Schwimmbad kennengelernt, als sie forsch den Gegenverkehr im Sprungbecken verscheuchte - bevor sie selbst vom Sprungturm sprang. Marias selbstbewusstes Auftreten entspricht kaum Joschs Vorstellung von einem behinderten Menschen. Zusätzlich ist Wnuks Held schüchtern und vermeidet deshalb, mit Maria über ihre Behinderung zu sprechen. Der körperlich unversehrte Mann ist so stark mit sich beschäftigt, dass für Maria in diesem Leben kaum Platz bleibt.
Schade, dass Josch nicht intensiver über seine Beziehung zu Leonie nachgedacht hat. Als Jammertyp, in dessen Leben von Anfang an die Eltern an allem Schuld sind, hat Oliver Wnuk seinen chaotischen Bademeister gut getroffen. Joschs ungewöhliche Beziehung zu Leonie, die er wie alles andere einfach erleidet, markiert den starken Auftakt eines Romans, der anschließend dem planlosen Chaos seiner Hauptfigur folgt. Wer Lust auf ein Roadmovie mit einem völlig verpeilten Helden hat, sollte hier zugreifen.