Eine strukturierte Einführung in Luhmanns Systemtheorie
Luhmanns Systemtheorie ist keine leichte Kost. Sie ist selbstreferentiell, was bedeutet, dass sie auch auf sich selbst angewendet werden kann. Die Soziologie als Teil der Gesellschaft liefert eine Beschreibung der Gesellschaft, zu der sie
selbst gehört. Es entsteht eine zirkuläre, paradoxe Situation, die Maturana und Varela in „Der Baum…mehrEine strukturierte Einführung in Luhmanns Systemtheorie
Luhmanns Systemtheorie ist keine leichte Kost. Sie ist selbstreferentiell, was bedeutet, dass sie auch auf sich selbst angewendet werden kann. Die Soziologie als Teil der Gesellschaft liefert eine Beschreibung der Gesellschaft, zu der sie selbst gehört. Es entsteht eine zirkuläre, paradoxe Situation, die Maturana und Varela in „Der Baum der Erkenntnis“ (für die Biologie, aber letztlich allgemeingültig) treffend illustriert haben.
Um Luhmanns Systemtheorie verstehen zu können, ist eine intensive Auseinandersetzung mit seiner Begriffswelt erforderlich. Hierzu gehören Definitionen für System, Organisation, Kommunikation, Ego und Alter, Interaktion und Autopoiesis, um nur Beispiele zu nennen. So bestehen Systeme nicht aus Dingen, sondern aus Operationen. Diese folgen den Prinzipien „System/Umwelt-Differenz“ und „Autopoiesis“. Ein autopoietisches System produziert und reproduziert sich selbst und ist damit operativ geschlossen.
Das Buch ist wohl strukturiert. Erläuterungen der Autorin Margot Berghaus, Einschübe von Zitaten Luhmanns und zahlreiche Karikaturen wechseln sich ab. Das Buch ist in 21 Kapitel untergliedert, was dazu führt, dass den Lesern neue Begrifflichkeiten in überschaubaren Portionen serviert werden. Für die Vertiefung gibt es die (zahlreichen) Originalwerke von Niklas Luhmann, der die Systemtheorie für sich selbst zur Lebensaufgabe erklärt hat. Seine Theorie ist in der Wissenschaft etabliert; die Systemtheorie erhebt den Anspruch, universell zu sein.
Luhmann ist gleichzeitig Systemtheoretiker und Konstruktivist. Wenn man bislang verschiedene Werke über Konstruktivismus gelesen hat, wirken seine Ausführungen zum Thema erhellend. Er war überzeugt davon, dass Systeme real in der Wirklichkeit existieren und dass man die Welt nur durch beobachten erkennen kann. Da nichts in der Welt der direkten Erkenntnis zugänglich ist, entsteht eine Beobachterabhängigkeit und damit eine Konstruktion der Wirklichkeit. Dabei bleibt immer ein „blinder Fleck“, etwas was der Beobachter nicht sieht, weil er selbst in das zu Beobachtende eingeschlossen ist. Maturana und Varela haben das Phänomen in „Der Baum der Erkenntnis“ am Beispiel des Auges verdeutlicht. Luhmann stellt, ebenso wie Heinz von Foerster, die Abbildbeziehung zwischen Welt und Erkenntnis in Frage. Es können immer nur von Beobachtern konstruierte Realitäten verglichen werden. Ob es im Zuge der Evolution eine Annäherung an die wirkliche Welt gibt, also an das „Ding an sich“ (im Sinne von Kant), wie in der evolutionären Erkenntnistheorie angenommen und von Hoimar von Ditfurth beschrieben, ist für die Systemtheorie irrelevant.
Margot Berghaus vermittelt einen verständlichen Einblick in Luhmanns Systemtheorie. Auf den letzten Seiten erläutert sie weitergehende Zusammenhänge und beschreibt das Verhältnis zwischen Gesellschaft, Kommunikation und Evolution. Das Buch beinhaltet mehr Erläuterungen zur Theorie und weniger kritische Auseinandersetzung. Letztere setzt voraus, dass die Grundzüge der Theorie verstanden wurden, wozu das Buch einen wichtigen Beitrag leistet.