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Königin Luise von Preußen (1776-1810) galt lange als bedeutendste Frau der deutschen Geschichte. Zeit ihres Lebens für ihre Schönheit und Volkstümlichkeit bewundert, schließlich zur Todfeindin Napoleons und Symbolfigur des nationalen Widerstandes stilisiert, wurde sie nach ihrem frühen Tod wie eine Heilige verehrt, die den Kampf um die Einheit der Deutschen begonnen hatte. Als ihr zweiter Sohn Wilhelm 1871 als deutscher Kaiser aus dem Krieg gegen Frankreich zurückkehrte, wurde ihr Leben "über den Tod hinaus" zum Gründungsmythos des Deutschen Reiches. Über zwei Jahrhunderte ging eine immense…mehr

Produktbeschreibung
Königin Luise von Preußen (1776-1810) galt lange als bedeutendste Frau der deutschen Geschichte. Zeit ihres Lebens für ihre Schönheit und Volkstümlichkeit bewundert, schließlich zur Todfeindin Napoleons und Symbolfigur des nationalen Widerstandes stilisiert, wurde sie nach ihrem frühen Tod wie eine Heilige verehrt, die den Kampf um die Einheit der Deutschen begonnen hatte. Als ihr zweiter Sohn Wilhelm 1871 als deutscher Kaiser aus dem Krieg gegen Frankreich zurückkehrte, wurde ihr Leben "über den Tod hinaus" zum Gründungsmythos des Deutschen Reiches. Über zwei Jahrhunderte ging eine immense Wirkung von Königin Luise aus. Ihre Tugenden, ihr Durchhaltewillen und ihre Vaterlandsliebe galten als vorbildlich. Philipp Demandt verfolgt die Glorifizierung dieser Frau durch Kunst und Literatur, von der Kindererziehung bis zur Kriegspropaganda, von der napoleonischen Ära bis in die Nazizeit. Er erzählt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte ihrer berühmten Sarkophagskulptur und spürt ihren bekannten wie vergessenen Monumenten nach, vom Brandenburger Tor bis zum Eisernen Kreuz, von der Goslarer Kaiserpfalz bis zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Autorenporträt
Philipp Demandt ist promovierter Kunsthistoriker. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.02.2004

Die unsichtbare Macht
Leben und Nachleben der Königin Luise von Preußen
Der Herrscher, der nicht sterben will, ist eines der Urgesteine in der Gedächtnisgeschichte. So imaginierten sich die über Jahrhunderte von Kleinstaaterei gebeutelten Deutschen des 19. Jahrhunderts ihren Kaiser Barbarossa, der im Kyffhäuser schlummert, um eines Tages zurückzukehren und das „Reich” wiederherzustellen. Die jüngste Geschichte lehrt, dass der unsichtbar gewordene Herrscher sogar zu einem regelrechten Leitbild der politischen Ikonographie werden kann, wenn Osama Bin Laden und Saddam Hussein ihre charismatische Kraft gerade aus ihrer visuellen Ungreifbarkeit beziehen. Erneut sitzt der Herrscher in der Erde, doch heißt der Kyffhäuser nun Tora Bora oder schlicht „das Erdloch bei Tikrit”.
Philipp Demandt ist in seinem Buch einem relativ jungen Herrschermythos nachgegangen, der Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit auf eindrückliche Weise verknüpft. Das Sterben und lange Nachleben der Königin Luise von Preußen ist bisher noch kaum so umfassend dargelegt worden. Demandt untersucht die Stationen und Strukturen dieser Gedächtnisgeschichte, in deren Mittelpunkt eine Frau steht, deren Tod im Alter von 34 Jahren am 19. Juli 1810 einen nationalen Schock auslöste. Und es gelingt Demandt zweifellos, die großen historischen Bögen in einer Reihe von Miniaturen anschaulich zu machen.
Das Phänomen der „Sichtbarkeit” des Luisenmythos ist vor allem an die fortdauernde Präsenz in Werken der Kunst gebunden. Daher liegt es nahe, dass der Kunsthistoriker Demandt dem visuellen Aspekt besondere Beachtung schenkt. Neben einer fundierten Analyse von Christian Daniel Rauchs 1813 vollendeter Sarkophagstatue im Park von Charlottenburg blättert er den ganzen Bilderatlas des Luisenkultes vom Sammelbildchen bis zum Kinofilm auf.
Die Rekonstruktion der Luisenikonographie nimmt ihren Ausgang von dem Initialwerk, Rauchs Liegestatue der Königin, die ältere Portraits schlagartig in den Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung treten ließ. Schon einen Monat nach Luises Tod hatte Friedrich Wilhelm III. den Baubeginn für das Mausoleum verfügt, dessen Ausführung zunächst an international bekannte Bildhauer wie Thorvaldsen oder Canova übertragen werden sollte. Auch Schinkel lieferte die gotische Architekturphantasie einer Grabeskapelle, doch fiel die Wahl auf einen klassizistischen Entwurf. Demandt erklärt einleuchtend, warum der Auftrag nicht an den führenden Bildhauer Berlins, Johann Gottfried Schadow, sondern an den unbekannten Christian Daniel Rauch ging, der zuvor Kammerdiener gewesen war. Schadow war ein Repräsentant des Ancien Régime unter dem „Lüderjahn” Friedrich Wilhelm II., von dem sich der aufgeklärte Bürgerkönig Friedrich Wilhelm III. bewusst absetzen wollte. Schadow rächte sich im übrigen später, wenn er von Rauchs Liegefigur als von einer „drappirten Wurst” sprechen sollte.
Doppelt tote Chimäre
Die Grabskulptur erlangte Stellvertreterfunktion für einen evidenten Mangel an politischer Stärke. Demandt untersucht die Entstehungsgeschichte der Grabfigur und legt die komplexe Synthese von Vorbildern aus der Antike bis Canova dar, die Rauch für seinen Entwurf herangezogen hatte. Dabei ist wichtig, dass der König selbst die Arbeit an der Statue begleitete und erheblichen Einfluss auf dem Künstler ausübte. Für ihn stand allein die Ähnlichkeit als höchste Kategorie des Portraits im Blickpunkt des Interesses – eine Obsession, die der Künstler ablehnte, und die noch in einem so schaurigen Werk ihren Ausdruck findet wie in einer auf Wunsch des Königs „wie lebend” bemalten Büste. Dieser Versuch der Verlebendigung war jedoch so unbefriedigend, dass das Resultat der doppelt toten Chimäre aus Gips und Farbe schnell verborgen und vergessen wurde. Der König drängte jedoch zur Lebensgröße der Statue und offenbart sich zunehmend als ein Pygmalion, dem die Skulptur einen fetischistischen Ersatz für das im Leben entbehrte Objekt der Begierde bot.
Der Kult um Luise wurde schon recht früh zum Kult um die Statue selbst, ein Übertragungsphänomen, in dem sich die alte Wirkungsmacht religiöser Kultbilder und Ikonen spiegelt. Zu den parareligiösen Zügen der Verehrung gesellte sich die Wirkungsgeschichte als nationaler Fetisch: Luises Tod, so die öffentliche Meinung, war von der Niederlage gegen Napoleon herbeigeführt worden, nachdem sie sich 1807 in Tilsit selbst mit dem Kaiser getroffen hatte, um für ihr Land zu vermitteln. Luise sei an gebrochenem Herzen gestorben – eine Deutung der Todesursache, die noch in den Obduktionsberichten zu verifizieren versucht wurde. Da die Niederlage Preußens Luise das Leben geraubt hatte, trug ihre sofort nach dem Tod einsetzende Verehrung von Anfang an die Züge eines nationalen Revisionismus. Dieser gipfelte 1870 im Kniefall Wilhelm I. vor dem Sarkophag seiner Mutter am Vorabend des Feldzugs gegen Frankreich, an dessen Ende die Reichsgründung stand. Zurück in Berlin kniete der frischgekrönte Kaiser am 17. März 1871 gleich ein zweites Mal vor dem Sarkophag Luises nieder. Damit war der Tod der Mutter gerächt, das politische Übertragungsphänomen hatte im Bilde des gebeugten Knies seine Epiphanie gefunden.
Das Bild der lungenkranken Luise wurde durch sein Fortleben verklärt. Schon eine Woche nach ihrem Tod wird sie in der „Vossischen Zeitung” als eine Heilige bezeichnet, nachdem schon die ersten Gerüchte von ihrem Ableben, das von seltsamen Naturerscheinungen begleitet worden sei, mittelalterlichen Prodigienberichten geglichen hatten. Schadows 1812 vollendetes Relief in der kleinen Kirche von Paretz, dem Landsitz des Königspaares, spiegelt die Überlagerung der Verehrung der Herrscherin mit Zügen des Marienkultes.
Philipp Demandt ist es gelungen, den langen Schatten von Luises Nachleben sichtbar zu machen, der noch weit in das 20. Jahrhundert ragt. Dabei ist Luisenkult und Luisenkitsch ein Phänomen, das über die Macht der Bilder ebenso viel verrät wie über die Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts, das den säkularen Kult von Patriotismus und Nation an die Stelle religiöser Erfahrung setzte. Fast emblematische Züge hat es nun, wenn erst das Nachleben die historische Persönlichkeit zu monumentaler Größe anschwellen lässt, ihr Leben sich aber dagegen recht bescheiden ausnimmt.
So steht Demandts 500 Seiten das schmale Bändchen von 100 Seiten gegenüber, in dem die Frankfurter Historikerin Luise Schorn-Schütte dasjenige in konziser Form abhandelt, was man in den theoretisch unbedarften Frühlingstagen der Biographik wohl schlicht „Leben und Werk” genannt hätte. Aber auch Schorn-Schütte nimmt die „Legende” mit in den Titel: Ohne Memoria keine Historia, und vor allem keine Luise.
Doch bietet der Band viel mehr, wenn er Luises politisches Wirken geschickt in den europäischen Kontext einbettet. War ihr direkter politischer Einfluss eher gering, so kam Luise Symbolfunktion beim Umbau des Staates von der höfischen Repräsentation zur romantischen Staatsauffassung eines moralisch vorbildlichen Bürgerkönigtums zu, in dem vor allem ihre Auffassung der Ehe einen Maßstab der Modernität setzte. Mag sein, dass hierin auch ein Anknüpfungspunkt an die heutige Zivilgesellschaft liegt, wenn man gewillt ist, den jüngsten Luisenkult in die Wirkungsgeschichte einzubeziehen. „Bye, bye Bröckelnase” waren die Worte, die die BZ im Michael Jackson, dem „King des Pop”, beim Abschied aus Berlin hinterrief – im Preußenshop Unter den Linden bröckeln gipserne Luisenbüsten wieder munter vor sich hin.
MICHAEL THIMANN
PHILIPP DEMANDT: Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2003. 559 Seiten, 36,90 Euro.
LUISE SCHORN-SCHÜTTE: Königin Luise. Leben und Legende. C. H. Beck Verlag, München 2003. 119 Seiten, 7,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Michael Thimann ist beeindruckt von Philipp Demandts umfassender Arbeit über das Leben und vor allem das Nachleben der mythenumrankten Königin Luise von Preußen. Als diese 1810 im Alter von 34 Jahren starb, löste dies einen nationalen Schock auslöste, der nicht nur in das Geistesleben der Zeit, sondern auch in das politische Leben hineinragte. Beispielsweise wurde damals davon ausgegangen, dass sie aufgrund der Niederlage gegenüber Napoleon an einem gebrochenen Herzen gestorben war und dass erst ihr Sohn Wilhelm durch seinen Frankreichfeldzug diese Niederlage rächen konnte. Auch wenn Luise zu Lebzeiten - zumindest im politischen Leben - keine große Rolle spielte, war ihre symbolische Funktion kaum zu unterschätzen: "Parareligiöse Züge der Verehrung" macht Demandt hier aus. Dieser Aspekt wird in den Schilderungen des Autors recht lebendig, er schafft es "zweifellos, die großen historischen Bögen in einer Reihe von Miniaturen anschaulich zu machen" und dabei noch eine "Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts" zu schreiben, lobt der Rezensent.

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"Eine wirklich qualitätsvolle, reichhaltige und noch dazu gut geschriebene Arbeit."(Günter de Bruyn)