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Still living on the Lower East Side and waiting tables in a restaurant, thirty-five-year-old Eric Cash has every reason in the world to be jealous of Ike Marcus, a handsome, well-liked, ambitious young man on the way to the top, until he is supposedly gunned down by two street thugs while walking one night with Eric.

Produktbeschreibung
Still living on the Lower East Side and waiting tables in a restaurant, thirty-five-year-old Eric Cash has every reason in the world to be jealous of Ike Marcus, a handsome, well-liked, ambitious young man on the way to the top, until he is supposedly gunned down by two street thugs while walking one night with Eric.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.06.2008

Die Rückkehr der Bürger ins Ghetto
Richard Price gelingt mit seinem Großstadtroman „Lush Life” im ersten Anlauf ein amerikanischer Klassiker
Niemand kann sich vornehmen, einen Klassiker zu schreiben, und meist dauert es Jahrzehnte, bis sich ein Buch als ein solcher bewiesen hat. Bei „Lush Life” von Richard Price ging es deutlich schneller. Als das New York Magazine in seiner Jubiläumsausgabe zum 40-jährigen Bestehen der Zeitschrift Mitte April einen Kanon New Yorker Kulturikonen seit 1968 aufstellte, fand sich „Lush Life” in der Titelcollage neben Woody Allen, Madonna, Keith Haring und Scorseses „Taxi Driver”. Das war fünf Wochen, nachdem der Roman erschienen war. Und die gefürchtete Literaturkritikerin Michiko Kakutani jubelte in der New York Times, dass „niemand bessere Dialoge schreibt, als Richard Price – weder Elmore Leonard, noch David Mamet, nicht einmal David Chase”. Letzterer ist der Erfinder und Autor der Mafiaserie „The Sopranos”, die in den USA als Blaupause für eine literarische Form des Fernsehens gilt.
Kultur kennt keine Seiten
So viel Jubel klingt nach Hype, nach Pop, nach Hollywood. Und hat Richard Price mit seiner Arbeit für Film und Fernsehen nicht längst die Seiten gewechselt? Price gehört zwar zu den profiliertesten Drehbuchautoren der amerikanischen Ostküste. Er wurde für sein Skript für Martin Scorseses „Die Farbe des Geldes” und für die Drehbuchfassung seines Romans „Clockers” für Oscars nominiert. Für seine Drehbücher zur Serie „The Wire” hätte er fast einen Edgar Allan Poe Award bekommen. Doch schon sein erster Roman „The Wanderers”, in dem er seine Jugend in einer Gang in der nördlichen Bronx verarbeitete, war als Film wichtiger als in Buchform.
Aber zum einen gibt es in der amerikanischen Kultur keine Seiten, die man wechseln könnte. Niemand stellt die Frage, ob einer Drehbuchschreiber oder Literat ist, sondern nur die Frage nach der Qualität. Zum anderen hat Richard Price die literarische Höchstleistung von „Lush Life” gerade deswegen leisten können, weil er das handwerkliche Filmschreiben in den Drehbuchwerkstätten so souverän und selbstverständlich beherrscht. Nur deswegen konnte er einen Roman schreiben, der zum Großteil aus Dialogen und Handlungsszenen besteht und doch so viel mehr vermittelt, als in diesen Dialogen und Szenen steht.
Streng genommen hat er in „Lush Life” einen Polizeiroman geschrieben. Die Geschichte ist schnell erzählt. Nach einer durchzechten Nacht im Bohemeviertel der Lower Eastside helfen der Restaurantmanager und Schriftsteller Eric Cash und der Barkeeper Ike Marcus einem betrunkenen Bekannten nach Hause. In einer dunklen Nebenstraße fällt ein Schuss, und Marcus liegt tot auf dem Trottoir. Der Kriminalbeamte Matty Clark verdächtigt zunächst Cash, findet dann aber gegen Ende des Romans in den Sozialbaublöcken am äußeren Rand des Bohemeviertels den wahren Mörder. Doch die Handlung ist bei aller Spannung nebensächlich, denn „Lush Life” entwickelt seine Größe auf zwei Ebenen – in der Sprache und im Subtext.
Die Sprache bekommt bei Richard Price genau jene Qualität, die Salman Rushdie einmal als die große Freiheit des amerikanischen Englisch beschrieb. Es ist die Neuschöpfung der Sprache zu einem amerikanischen Idiom. Dabei entwickelt das Englische auf den Straßen der amerikanischen Großstädte eine so immense Formenvielfalt, weil es gezwungen ist, auf fremde Sprachen und Kulturen zu reagieren, auf die rapiden Veränderungen der Gesellschaft und der Technologien. Das ist ein antiklassizistisches Sprachmodell, in dem es keinen Platz für akademisches Formverständnis und Regelwerk gibt.
Richard Price lässt in „Lush Life” zwei Sprachwelten aufeinanderprallen. Auf der einen Seite ist da der funktionale Jargon der Polizisten und Politiker, auf der anderen Seite der kodierte Slang der Ghettobewohner und Hipster. Dabei beweist Price nicht nur das sprichwörtliche „Ohr für die Straße”. Er ist kein Chronist, der O-Töne sammelt, um Authentizität zu erzeugen. Vielmehr nutzt er die sprachlichen Vorlagen, um sie literarisch weiterzuentwickeln und dabei den Dialogen eine allegorische Kraft zu verleihen, die ganz ohne die aufdringliche Bildhaftigkeit in den Metaphernfluten dilettantischer Anfängerliteratur auskommt.
Mit diesem sprachlichen Purismus schafft es Price, mit einzelnen Worten oder Formulierungen der Dialoge seinen Figuren Geschichten zu geben und epische Stimmungsbilder zu zeichnen. Genau das ist auch der Grund, warum Richard Price unübersetzbar, deswegen ein amerikanischer Klassiker bleiben wird, und „Lush Life”, wie schon seine anderen Romane, in den lieblosen Taschenbuchreihen deutscher Großverlage untergehen könnte.
Ein diplomatischer Smalltalk
Wenn Richard Price die Kriminalbeamten sagen lässt, ein Verdächtiger „lawyered up”, dann kann man das nur umschreiben, dass nämlich der Verdächtige „also die Aussage verweigert, bis er einen Anwalt zu sprechen bekommt”. So aber komprimiert Price das klassische, widersprüchliche Spannungsfeld des Krimis auf ein Wort, in dem das larmoyante Gefühl der herrischen Polizisten, Gesetze und Regeln hielten sie nur von der Arbeit ab, genauso sich wiederfindet, wie die Empörung der potentiellen Gesetzesbrecher, die nach ihrer Verhaftung vehement ihre Rechte einfordern. Das nichtexistente Verb „Conversate” beschreibt wiederum perfekt die diplomatische Ebene eines Smalltalks zwischen Polizisten und Verdächtigen, hinter der jeder auf einen Fehler des anderen lauert.
Price seziert Jargon und Slang mit der Präzision eines Pathologen, der im vermeintlichen Chaos Spuren einer größeren Wahrheit findet. Diese Wahrheit ist jene immense Spannung, die entsteht, wenn sich gesellschaftliche Strukturen verändern. In diesem Fall hat sich Richard Price mit der Lower Eastside ein Viertel ausgesucht, das seit dem 19. Jahrhundert die verschiedensten Inkarnationen des Ghettos durchlebte – vom Einwandererviertel der Deutschen und Juden über die langen Jahre als Glasscherbenviertel voller Junkies und Verlierer zum Randgebiet von Chinatown. Doch nun kommen die mittelständischen Bürger zurück. Zunächst in Gestalt der Bohemiens und Hipster wie Eric Cash und Ike Marcus. Doch die Spannungen zwischen den ökonomischen Welten sind schon spürbar. In jenem Moment, als sich der Schuss löst, entladen sie sich zum offenen Konflikt. Ein Konflikt, in dem die Kriminalbeamten eine Vermittlerrolle übernehmen müssen, die sie zwar widerwillig, aber im vollen Bewusstsein ihrer Macht ausfüllen.
Was Price mit „Lush Life” demonstriert, ist nichts weniger als die große Kraft der Literatur. Denn die Re-Urbanisierung der Großstädte ist ein so zeitgemäßes wie komplexes Thema. Nur wenige haben es bisher geschafft, die jüngsten Verschiebungen der sozialen Tektonik in den Städten auf den Punkt zu bringen. Bernard Malamud hat die ersten Bewegungen in „Die Mieter” beobachtet, Tom Wolfe das erste Aufflackern der Konflikte im „Fegefeuer der Eitelkeiten” beschrieben. Bei Richard Price aber vollzieht sich der Rückzug der Bürger in die Großstadt als episches Drama. Weil sich dieses Drama in der Realität aber erst entwickelt, hat er das Kunststück geschafft, seinen Klassiker in Echtzeit zu schreiben. Kein Wunder, dass ihn Amerika als solchen feiert.ANDRIAN KREYE
RICHARD PRICE: Lush Life. Farrar, Straus and Giroux, New York 2008. 464 Seiten, 17,99 Euro.
Das amerikanische Englisch muss immer wieder auf fremde Sprachen und neue Kulturen reagieren. Das macht es so lebendig. Foto: Regina Schmeken
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2010

Ich bin doch kein Sozialarbeiter!

Leben und Sterben in Manhattan: Richard Price, einer der Autoren der Kultserie "The Wire", reist mit seinem Roman "Cash" durch Deutschland - einem Buch, das nicht nur Politiker lesen sollten.

Ab und zu erscheint ein Roman, der die Wunden der Zeit bloßlegt, ohne auf seiner Diagnose herumzureiten. Der die richtigen Fragen stellt, ohne sich anzumaßen, die Antworten bereits zu kennen. Ein Buch, das die Vorteile der Fiktion gegenüber der Realität nutzt, ohne sie auszunutzen. Man könnte auch sagen: ein Buch, das die klischeehafte Vorstellung mit dem Leben konfrontiert.

Einen solchen Roman hat der New Yorker Schriftsteller Richard Price vor zwei Jahren mit "Lush Life" veröffentlicht; an Aktualität hat das Werk seither nur gewonnen. Präsident Obama hat es im letzten Sommerurlaub gelesen, und jetzt können auch deutsche Politiker nachziehen. Denn vor wenigen Tagen ist das Werk unter dem Titel "Cash" im S. Fischer Verlag auf Deutsch erschienen. Mit finsterem Realismus erzählt Price aus einer Welt, die keinen Regeln gehorcht - oder wenn, dann höchstens solchen, die niemand mehr versteht. Der Roman beleuchtet das untere Ende Manhattans, genauer: die Lower East Side, ein sogenannter Schmelztiegel der Kulturen, Ethnien und Schichten, in dem sich indes schon lange nichts mehr mischt. Die schicke Bar, wo sich die Reichen abends die Klinke und das Koks in die Hand geben, liegt nur wenige Blocks entfernt von der heruntergekommenen Wohnsiedlung, wo die kleinen Kriminellen mit den großen Kalibern es entweder miteinander oder mit frustrierten Polizisten zu tun bekommen. Hier auf das Gesetz des Stärkeren zu pochen würde voraussetzen, dass tatsächlich irgendwer in der besseren Position ist. Aber im Grunde steckt hier jeder in der ein oder anderen Zwangslage; die meisten ziehen es nur vor, nicht darüber nachzudenken.

Man könne sich das vorstellen "wie in einem dieser riesigen Aquarien", sagt Richard Price, "wo alle möglichen Fische im Kreis schwimmen, scheinbar, ohne einander wahrzunehmen. Aber wehe, ein kleiner Fisch rempelt versehentlich den Hai an." Oder, mit dem Protagonisten seines Buches ausgedrückt: "Die Menschen in dieser Stadt sind Gaffer, dachte er, und ich bin der Autounfall."

Jener Eric Cash, dem die deutsche Fassung ihren mehrdeutigen Titel verdankt, ist Mitte Dreißig und arbeitet im "Berkman", einem angesagten Restaurant der Lower East Side. Wegen Drogenhandels hatte er schon mal mit der Polizei zu tun, seine Freundin hat er bereits eine ganze Weile nicht mehr gesehen, und vom Trinkgeldtopf des Abends zweigt er sich regelmäßig einen Batzen ab. Auf einer Zechtour mit einem Kollegen, dem Barkeeper Ike, werden sie zu Opfern eines Raubüberfalls, bei dem Ike erschossen wird. Er hatte zu dem Jungen mit der Pistole gesagt: "Heute nicht, mein Freund." Verbalen Selbstmord nennt die Polizei so etwas. Eric ist kein Held, er war lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort. Als man ihn vernimmt, verstrickt er sich in Widersprüche und gerät in ein Netz von Verdächtigungen, Anschuldigungen und Verzweiflung.

"Lush Life" ist kein zynischer Titel. Tatsächlich handelt der Roman vom wild wuchernden Leben der Lower East Side im Jahr 2002; ein Mikrokosmos, der sich als Metapher für die Gegenwart eignet. Doch nicht allein deshalb wird ihm auch hierzulande besondere Aufmerksamkeit zuteil, sondern weil der Roman gewissermaßen das literarische Pendant zur hochgelobten amerikanischen Fernsehserie "The Wire" darstellt. Wo die Serie über fünf Staffeln den Zerfall der Stadt Baltimore als Panoramagemälde vorführte, ist "Cash" das fünfhundertseitige Porträt eines entwurzelten Viertels in feinster Miniaturmalerei.

Man muss dieses Werk, bei dem sich ein Verhör schon mal über Dutzende von Seiten erstreckt, das sich auf keine Seite schlägt, keine Gerechtigkeit sucht und keine Moral zu verkünden hat, nicht zur neusten Great American Novel hochstilisieren. Doch wer es aushält, am Ende einer Geschichte zu ahnen, dass dies nur eine unter Millionen möglichen war, dass der Autor da, wo er aufhört, ebenso gut erst hätte anfangen können, dass es, kurz gesagt, immer so weitergeht - der wird "Cash" schätzen für seine Komplexität, seine Vielschichtigkeit, den Mut zur Trostlosigkeit und die konsequente Weigerung des Autors, den Ereignissen eine Logik aufzudrücken, die ihnen nicht innewohnt. "Cash" ist kein Krimi, sondern eine literarische Großreportage aus dem trüben Aquarium der amerikanischen Gesellschaft. Es ist ein schöner kleiner Sarkasmus, dass Richard Price gerade in dieser Woche, da "Sex and the City 2" in die Kinos kommt, auf Lesereise in Deutschland ist. Ein krasserer Gegensatz zum Barbiepuppenabziehbild Amerikas lässt sich nicht denken.

Die sechzig Jahre merkt man Price allenfalls an dem wissenden, klugen Blick an, der ständig durch den Raum schweift, Menschen und Dinge mustert und erst nach einer Dreiviertelstunde, als seine Gefährtin, die Schriftstellerin Lorraine Adams, dazustößt, Grund zum Verweilen findet. Price ist Autor von acht Romanen, aber auch von zahlreichen Drehbüchern, darunter Filme wie "Die Farbe des Geldes", "Sea of Love" und "Sein Name ist Mad Dog". Die beiden Titel jedoch, mit denen sein Name besonders verbunden wird und die im Gespräch am häufigsten fallen, sind "Clockers" und "The Wire".

"Clockers" (1992) war Prices erster Roman über Dempsey, vulgo Jersey City, wo Drogenbanden, Polizei und Bevölkerung sich in Gewalt, Rache und Angst verstricken. Spike Lee verfilmte den Roman, vor allem aber inspirierte er David Simon zu "The Wire", jener Serie, die viele für den großen Ersatzroman unserer Zeit halten (F.A.Z. vom 8. Mai). Price hat am Drehbuch mitgeschrieben, wehrt den Vergleich der Serie mit Literatur jedoch ab. Er sei kein Emile Zola und kein Balzac, und ",The Wire' ist und bleibt eine Fernsehshow, zwar eine großartige, aber eben doch bloß eine Fernsehshow. ,The Wire' gäbe keinen guten Roman her. Die Story ist letztlich eher dünn; die Dimension und Tiefenschärfe liefern allein die Schauspieler." Als Romancier hingegen müsse man die Figuren selbst zum Leben erwecken.

Noch etwas morgendlich blass über seinem schwarzen Polohemd, sitzt Richard Price in der Ecke eines Cafés in Frankfurt-Sachsenhausen. Das "Fellini" muss als Ersatz für das "Schiller's" in New York herhalten, das wiederum das Vorbild für das "Berkman" seines Romans war. Die Recherche für seine Bücher ist Price fast so wichtig wie das Ergebnis. Für "Cash" ist er nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit Drogendealern unterwegs gewesen. Im Buch wechselt denn auch dauernd die Perspektive, von Eric zu den Polizisten und dann zu den Jugendbanden. Und dazwischen irrlichtert Billy, der völlig verstörte Vater des Ermordeten, durch das Buch. Nein, Angst habe er auf seinen Touren durch die Unterwelt nie gehabt, sagt Price. Auch die Dealer hätten gut auf ihn aufgepasst. Warum sie ihm so bereitwillig Einblick gewährt haben, weiß er auch nicht. "Vielleicht weil die Polizei es ihnen befohlen hat?" Man dürfe jedenfalls nicht glauben, dass es den Gangmitgliedern um eine höhere Wahrheit gehe oder gar darum, verstanden zu werden. "Die gehen ja hinterher nicht nach Hause, lesen den Roman oder schauen ,The Wire', um zu gucken, wie realistisch es da zugeht."

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Buch und Serie liegt für ihn in der Intention. ",The Wire' ist als Handlungsanweisung angelegt. Die Serie ist didaktisch - auf künstlerische Weise, aber dennoch. Es geht darum zu zeigen, wie Städte auseinanderbrechen. In einer Staffel geht es um die Schulen, in eine anderen um die Gewerkschaften, die Hafenarbeiter, Menschenhandel, in einer weiteren um den Drogenhandel und die Medien. Es ist eine sehr politische Serie, bei der der Zuschauer etwas begreifen soll." So denke er beim Romanschreiben nicht. Er vertraue schlicht darauf, dass das Geschehen sich dem Leser als Teil eines größeren Ganzen erschließt.

Will er mit seinen Büchern etwas verändern, gar helfen? Noch bevor die Frage recht gestellt ist, schüttelt Price schon den Kopf. "Ich bin kein Sozialarbeiter, sondern Zeuge. Alles, was ich tue, ist hinschauen und hinhören. Eine Version dessen, was ich beobachte, schreibe ich auf."

"Cash" schildert eine umfassende Fremdheit der verschiedenen sozialen Gruppen untereinander: "Es gibt keine Verbindung. Alle haben Scheuklappen an und sehen nur sich selbst und ihre eigenen Leute." So entstehen Paralleluniversen, die füreinander unsichtbar bleiben. Wenn es dann doch einmal zu einer Kollision kommt, sind Missverständnisse nicht weit. "Da wird schon mal abgedrückt, wenn es nur um zwanzig Dollar für einen Take-away geht, der eine Typ versteht den anderen nicht, der wiederum kapiert nicht, dass der andere nicht versteht, was eine Pistole ist, der Dritte ist fassungslos, dass ihm jemand eine Mündung an die Schläfe hält, und glaubt, er ist in einem Film, der Nächste ist betrunken oder high, der daneben hat Angst, weiß aber auch, dass gerade einige Mädchen zuschauen. Und schon sitzt einer für den Rest seines Lebens im Knast. Es gibt solche Idioten und solche."

Nach dem Erscheinen von "Lush Life" vor zwei Jahren sind Price und Adams nach Harlem gezogen, wo auch sein nächstes Buch spielen wird. Price will eine Gegend genau kennenlernen, sie wie ein Schwamm in sich aufsaugen, bevor er darüber schreibt. Von Harlem ist er begeistert. "Da geht es zu wie in meinen Büchern", erzählt er. "In unserem Block gibt es ein Apartmenthaus, betreutes Wohnen für ältere Leute. Daneben ist ein Bed & Breakfast. Daneben ein verlassenes Gebäude. Daneben wohnen zwei schwarze Ärzte aus Ohio. Dann kommen Lorraine und ich, zwei weiße Schriftsteller. Neben uns wohnt ein schwules schwarzer Paar. Daneben wiederum kommt ein sehr respektabel wirkendes Haus mit großer amerikanischer Flagge. Das ist Vorschule und Drogenhöhle in einem. Da fahren Autos vor, die einen setzen ihre Kinder ab, die anderen holen sich ihren Stoff. Alle zehn Schritte eine andere Realität. Das gefällt mir."

FELICITAS VON LOVENBERG

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