Am 7. Mai 1915 torpedierte ein deutsches U-Boot den Passagierdampfer »Lusitania«, der von New York nach Liverpool unterwegs war. Binnen weniger Minuten versank das Schiff in den eisigen Fluten des Atlantiks und riss fast 1200 Menschen in den Tod, darunter viele Kinder und Frauen.
Mit dieser kaltblütig herbeigeführten Schiffskatastrophe bestätigten die Deutschen ihren Ruf als "Barbaren" und provozierten die USA zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Gestützt auf anschauliche Zeitzeugenberichte und umfangreiches Archivmaterial legt Willi Jasper erstmals eine spannend geschriebene Kulturgeschichte dieses welterschütternden Ereignisses und seiner Folgen vor.
Mit dieser kaltblütig herbeigeführten Schiffskatastrophe bestätigten die Deutschen ihren Ruf als "Barbaren" und provozierten die USA zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Gestützt auf anschauliche Zeitzeugenberichte und umfangreiches Archivmaterial legt Willi Jasper erstmals eine spannend geschriebene Kulturgeschichte dieses welterschütternden Ereignisses und seiner Folgen vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2015Es herrschte grenzenlose Panik
Das sicherste Schiff sank in achtzehn Minuten: Zwei Bücher handeln vom Untergang der "Lusitania" heute vor hundert Jahren.
Die Geschichte des Untergangs der "Lusitania" hat die Zeitgenossen in Bann geschlagen: Schon als das unter britischer Flagge fahrende Schiff vor genau hundert Jahren von einem deutschen U-Boot vor der Küste Südirlands versenkt wurde, beherrschte das Thema wochenlang die Medien. Nun sind zum runden Jahrestag zwei neue Bücher über die damaligen Ereignisse erschienen.
Bei Erik Larson steht noch einmal die Geschichte selbst im Vordergrund, und der ehemalige Reporter des "Wall Street Journal" und der "Times" erzählt sie fesselnd. Man wird hineingesogen in die politische Gemengelage des Weltkriegsjahres 1915 und auch in die Situation an Bord der "Lusitania". Aus persönlichen Erinnerungen und Briefen, Telegrammen und historischen Dokumenten entsteht eine Geschichte, die immer wieder zwischen Handlung und Reflexion wechselt.
Das Resultat erinnert an mancher Stelle an die Hollywood-Verfilmung des Untergangs der "Titanic". Zumal auch im Fall der "Lusitania" eine gewisse Hybris des Kapitäns ins Spiel kam. Unterschätzte man auf der Kommandobrücke der "Titanic" die Gefahr der Eisberge, weil man das Schiff unsinkbar meinte, nahm man auf der "Lusitania" die Bedrohung durch deutsche U-Boote nicht ernst genug. Auf die Warnung der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft hin, dass Schiffe unter den Flaggen Großbritanniens oder seiner Verbündeten in den Gewässern vor der irischen Südküste - von den Deutschen zur "Kampfzone" erklärt - zerstört werden könnten, hatte die Cunard Line mit einer Antwortnote reagiert: "Die Wahrheit ist, die ,Lusitania' ist das sicherste Schiff auf dem Meer. Sie ist schneller als jedes U-Boot. Kein deutsches Kriegsschiff kann sie einholen oder ihr nahe kommen." Am 7. Mai 1915 kam es anders.
"Das Schiff sank", so berichtet der U-Boot-Kommandant Walter Schwieger in seinen Erinnerungen, "mit unglaublicher Schnelligkeit. Auf seinen Decks herrschte eine grenzenlose Panik. Überfüllte Rettungsboote flogen, von unsachlichen Händen bedient, sinnlos von der Höhe des Bootsdecks ins Wasser herab und zerschellten. Verzweifelte Menschen rannten hilflos die langen Decks auf und ab. Frauen und Männer sprangen ins Wasser und versuchten, die kieloben treibenden Boote durch Schwimmen zu erreichen." Die "Lusitania" sank innerhalb von nur achtzehn Minuten.
Was nun medial und politisch folgte, wird noch einmal in Willi Jaspers kompakter "Kulturgeschichte" der Katastrophe lebendig. Der Tod von fast 1200 Menschen, darunter 270 Frauen und Kleinkinder und nicht zuletzt 128 amerikanische Staatsbürger, verschärfte nicht nur die innenpolitische Debatte in den Vereinigten Staaten über einen Kriegseintritt, sondern auch die mediale Auseinandersetzung zwischen den Kriegsparteien.
Jasper zitiert aus der "Westfälischen Tageszeitung": "Endlich ist unseren U-Booten ein großer Fang gelungen. (. . .) Wir Deutschen freuen uns von ganzem Herzen über den gelungenen Schlag und sehen dem allgemeinen Wutgeheul und Entrüstungsschrei kühl lächelnd entgegen. (. . .) Keine Sentimentalität; Kampf bis aufs Messer mit dem gemeinen Krämervolk . . .!" Der Berliner Kulturwissenschaftler erinnert auch daran, dass sich selbst Thomas Mann dem deutschen Jubel über die Versenkung der "Lusitania" anschloss. Dem stellt Jasper pointiert die Fassungslosigkeit gegenüber, mit der die Nachricht von der Versenkung der "Lusitania" von der Presse in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und in anderen neutralen oder bereits Krieg führenden Ländern aufgenommen wurde.
Dabei herrschte nicht nur eine politische Lager übergreifende Empörung über die menschliche Katastrophe, sondern vor allem auch Entsetzen über das Ende der zumindest auf See bisher meist praktizierten Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten. Die vielleicht den Krieg entscheidende Folge: In den Vereinigten Staaten verschoben sich nun die politischen Gewichte mehr und mehr zugunsten der Befürworter eines Kriegseintritts.
THOMAS SPECKMANN
Erik Larson: "Der Untergang der Lusitania". Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs.
Aus dem Englischen von Regina Schneider. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2015. 462 S., geb., 25,- [Euro].
Willi Jasper: "Lusitania". Kulturgeschichte einer Katastrophe.
be.bra Verlag, Berlin 2015. 208 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das sicherste Schiff sank in achtzehn Minuten: Zwei Bücher handeln vom Untergang der "Lusitania" heute vor hundert Jahren.
Die Geschichte des Untergangs der "Lusitania" hat die Zeitgenossen in Bann geschlagen: Schon als das unter britischer Flagge fahrende Schiff vor genau hundert Jahren von einem deutschen U-Boot vor der Küste Südirlands versenkt wurde, beherrschte das Thema wochenlang die Medien. Nun sind zum runden Jahrestag zwei neue Bücher über die damaligen Ereignisse erschienen.
Bei Erik Larson steht noch einmal die Geschichte selbst im Vordergrund, und der ehemalige Reporter des "Wall Street Journal" und der "Times" erzählt sie fesselnd. Man wird hineingesogen in die politische Gemengelage des Weltkriegsjahres 1915 und auch in die Situation an Bord der "Lusitania". Aus persönlichen Erinnerungen und Briefen, Telegrammen und historischen Dokumenten entsteht eine Geschichte, die immer wieder zwischen Handlung und Reflexion wechselt.
Das Resultat erinnert an mancher Stelle an die Hollywood-Verfilmung des Untergangs der "Titanic". Zumal auch im Fall der "Lusitania" eine gewisse Hybris des Kapitäns ins Spiel kam. Unterschätzte man auf der Kommandobrücke der "Titanic" die Gefahr der Eisberge, weil man das Schiff unsinkbar meinte, nahm man auf der "Lusitania" die Bedrohung durch deutsche U-Boote nicht ernst genug. Auf die Warnung der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft hin, dass Schiffe unter den Flaggen Großbritanniens oder seiner Verbündeten in den Gewässern vor der irischen Südküste - von den Deutschen zur "Kampfzone" erklärt - zerstört werden könnten, hatte die Cunard Line mit einer Antwortnote reagiert: "Die Wahrheit ist, die ,Lusitania' ist das sicherste Schiff auf dem Meer. Sie ist schneller als jedes U-Boot. Kein deutsches Kriegsschiff kann sie einholen oder ihr nahe kommen." Am 7. Mai 1915 kam es anders.
"Das Schiff sank", so berichtet der U-Boot-Kommandant Walter Schwieger in seinen Erinnerungen, "mit unglaublicher Schnelligkeit. Auf seinen Decks herrschte eine grenzenlose Panik. Überfüllte Rettungsboote flogen, von unsachlichen Händen bedient, sinnlos von der Höhe des Bootsdecks ins Wasser herab und zerschellten. Verzweifelte Menschen rannten hilflos die langen Decks auf und ab. Frauen und Männer sprangen ins Wasser und versuchten, die kieloben treibenden Boote durch Schwimmen zu erreichen." Die "Lusitania" sank innerhalb von nur achtzehn Minuten.
Was nun medial und politisch folgte, wird noch einmal in Willi Jaspers kompakter "Kulturgeschichte" der Katastrophe lebendig. Der Tod von fast 1200 Menschen, darunter 270 Frauen und Kleinkinder und nicht zuletzt 128 amerikanische Staatsbürger, verschärfte nicht nur die innenpolitische Debatte in den Vereinigten Staaten über einen Kriegseintritt, sondern auch die mediale Auseinandersetzung zwischen den Kriegsparteien.
Jasper zitiert aus der "Westfälischen Tageszeitung": "Endlich ist unseren U-Booten ein großer Fang gelungen. (. . .) Wir Deutschen freuen uns von ganzem Herzen über den gelungenen Schlag und sehen dem allgemeinen Wutgeheul und Entrüstungsschrei kühl lächelnd entgegen. (. . .) Keine Sentimentalität; Kampf bis aufs Messer mit dem gemeinen Krämervolk . . .!" Der Berliner Kulturwissenschaftler erinnert auch daran, dass sich selbst Thomas Mann dem deutschen Jubel über die Versenkung der "Lusitania" anschloss. Dem stellt Jasper pointiert die Fassungslosigkeit gegenüber, mit der die Nachricht von der Versenkung der "Lusitania" von der Presse in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und in anderen neutralen oder bereits Krieg führenden Ländern aufgenommen wurde.
Dabei herrschte nicht nur eine politische Lager übergreifende Empörung über die menschliche Katastrophe, sondern vor allem auch Entsetzen über das Ende der zumindest auf See bisher meist praktizierten Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten. Die vielleicht den Krieg entscheidende Folge: In den Vereinigten Staaten verschoben sich nun die politischen Gewichte mehr und mehr zugunsten der Befürworter eines Kriegseintritts.
THOMAS SPECKMANN
Erik Larson: "Der Untergang der Lusitania". Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs.
Aus dem Englischen von Regina Schneider. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2015. 462 S., geb., 25,- [Euro].
Willi Jasper: "Lusitania". Kulturgeschichte einer Katastrophe.
be.bra Verlag, Berlin 2015. 208 S., geb., 19,95 [Euro].
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