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»Luxus ist der Dadaismus des Besitzens.«Luxus - allein das Wort erzeugt vielfältige Vorstellungen: von teurem Schnickschnack, Überfluss und Verschwendung, von Reichtum und Komfort, Geltungskonsum und Statussymbolen. Und es provoziert offenbar klare Meinungen, denn Luxus wird zumeist entweder scharf verurteilt oder vehement verteidigt. Aber wissen die zahlreichen Kritiker und Apologeten des Luxus überhaupt, wovon sie reden? Es gibt nämlich keine Luxusforschung, die vor aller Bewertung systematisch zu bestimmen versucht, wann etwas Luxus ist. Daher steht die Antwort auf eine scheinbar einfache…mehr

Produktbeschreibung
»Luxus ist der Dadaismus des Besitzens.«Luxus - allein das Wort erzeugt vielfältige Vorstellungen: von teurem Schnickschnack, Überfluss und Verschwendung, von Reichtum und Komfort, Geltungskonsum und Statussymbolen. Und es provoziert offenbar klare Meinungen, denn Luxus wird zumeist entweder scharf verurteilt oder vehement verteidigt. Aber wissen die zahlreichen Kritiker und Apologeten des Luxus überhaupt, wovon sie reden? Es gibt nämlich keine Luxusforschung, die vor aller Bewertung systematisch zu bestimmen versucht, wann etwas Luxus ist. Daher steht die Antwort auf eine scheinbar einfache Frage noch aus. Sie lautet: »Was ist Luxus?«Lambert Wiesing leistet in seinem neuen Buch Pionierarbeit, denn er beantwortet diese Frage, und zwar mit dezidiert phänomenologischen Mitteln. Er zeigt, dass Luxus keine Eigenschaft von Dingen oder Handlungen sein kann, sondern durch eine private ästhetische Erfahrung entsteht: die Erfahrung des Besitzens von etwas, das zwar einen Zweck erfüllt, sich darin aber nicht erschöpft. Wird das Besitzen einer übertriebenen, überflüssigen oder irrational aufwendigen Sache von einem autonomen Subjekt als die eigensinnige Befreiung aus einer vereinnahmenden Herrschaft des Zweckrationalismus und Effizienzdenkens erlebt, so ist das - Luxus.
Autorenporträt
Lambert Wiesing, geboren 1963, ist Professor für Philosophie und Inhaber des Lehrstuhls für Bildtheorie und Phänomenologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2005 bis 2008 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Im Suhrkamp Verlag hat er zuletzt veröffentlicht: Luxus (2015), Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie (stw 2171) und Ich für mich. Phänomenologie des Selbstbewusstseins (stw 2314).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Justus Wenzel hat den Verdacht, mit dieser Lektüre selbst so eine Art Luxus zu betreiben. Wenn der Bildtheoretiker Lambert Wiesing darangeht, Luxus mit Adorno, Schiller und Kant als eine Art subversive, befreiende Selbstbegegnung zu definieren, erkennt Wenzel darin ein delikates, ja mitunter selbst subversives Unterfangen. Nicht Geld, sondern Sachkenntnis, nicht Ästhetizismus, sondern Enthusiasmus setzt der Autor dieser Erfahrung voraus, erläutert der Rezensent. Staunend über den Lehrreichtum des Buches, enttäuscht über den Mangel an konkreten Beispielen, folgt er dem Autor zu immer neuen Definitionsanläufen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2015

Enthusiastisches Besitzen
Unvernünftige Ausgaben müssen manchmal schon sein: Lambert Wiesing sondiert den Hang zum Luxus

Luxus ist, was wir nicht haben. Zumindest in der von Helmut Schelsky einst proklamierten nivellierten Mittelstandsgesellschaft. Zumindest im Blick auf die Jachten, Villen und Oldtimer der wirklich Reichen, an deren statistischer Häufigkeit man erkennen kann, dass diese Mittelstandsgesellschaft so nivelliert nun doch nicht ist. Luxus ist dann eben, was wir uns trotzdem gönnen, von Zeit zu Zeit zumindest, als kleine irrationale Flucht aus dem in rationalen Zweck-Mittel-Relationen geordneten Alltag, in dem ein exklusiver Rotwein aus dem Burgund als Begleiter für einen Abend oder ein originales Kunstwerk als Schmuck des Wohnzimmers ziemlich übertrieben erscheint.

Dass, wer zur Zeitmessung eine handgefertigte mechanische Uhr benutzt oder einen alten englischen Sportwagen, um den Weg zur Arbeit zurückzulegen, einen übertriebenen, irrationalen - zum Beispiel monetären - Aufwand betreibt, ist für den in Jena lehrenden Philosophen Lambert Wiesing der Ausgangspunkt einer anregenden Rettung der Luxusphänomene. Luxus wird hier zu einer existentiellen Trotzreaktion, zu einem Aufbegehren gegen die instrumentelle Vernunft. In ihm zeigt sich der Eigensinn des Subjekts angesichts einer durchfunktionalisierten Welt; kurz: "Luxus ist der Dadaismus des Besitzens."

Luxus hält - so die mit feinem, phänomenologischem Besteck entfaltete These dieses Buchs - für den sich seiner Autonomie versichernden Menschen eine genuin ästhetische Erfahrung bereit. Wiesing knüpft, um diese Erfahrung zu beschreiben, an Schillers Vorstellung an, dass der Mensch nur dort ganz Mensch ist, wo er spielt, wo der Gegensatz von Sinnlichkeit und Vernunft aufgehoben ist und wo dem Subjekt dies augenblickshaft bewusst wird. Entsprechend glaubt Wiesing: "Der Mensch erfährt Luxus nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist da ganz Mensch, wo er Luxus erfährt."

Man muss von den eigenen Luxusgütern schon ziemlich berauscht sein, um hier nicht augenblicklich Widerspruch einzulegen: Warum sollte eine genuin ästhetische Erfahrung ausgerechnet im ästhetischen Sperrbezirk des Besitzens stattfinden? Wird nicht gerade die ästhetische Erfahrung spätestens seit Immanuel Kant mit der Zauberformel des "interesselosen Wohlgefallens" freigehalten von jedem Zweck? Und ruht nicht die Idee des Werts der Kultur, von öffentlichen Museen, Theatern und Opernhäusern letztlich auf der Vorstellung, die Erfahrung des Schönen als ästhetische eben interesselos und jenseits des Besitzens machen zu können?

Dreh- und Angelpunkt dieser plausibel entfalteten und gut zu lesenden philosophischen Untersuchung ist dann also der Begriff des Besitzes, den Wiesing auf der einen Seite vom Protz, auf der anderen Seite vom Komfort abgrenzt. Während Protz als eine Form sozialer Kommunikation stets die öffentliche Zurschaustellung braucht, kann die Luxuserfahrung auch in der Sphäre des Privaten zelebriert werden. Und während Komfort als rein sinnliches Erleben gesucht wird, kann Luxus auch ganz schön unbequem daherkommen: Jeder japanische Kleinwagen dürfte mehr Fahrkomfort bieten als ein Aston Martin DB4 GT Zagato von 1960. Nur wer einen solchen Wagen besitzt, weiß, wie es ist, ihn zu besitzen, und zugleich weiß man, wie unvernünftig es ist, ein solches Auto zu fahren. Wobei Wiesing zwischen bloßem Eigentum und dem Besitzen unterscheidet: Eigentum kann man haben, ohne jenes Bewusstsein davon, wie es ist, etwas zu besitzen. Deswegen kann dem Besitzer auch nicht gleichgültig sein, was er besitzt.

In dieser engen, durch Gefühlsqualitäten aufgeladenen Beziehung zu Objekten, verbunden mit der enthusiastischen Kennerschaft, die Voraussetzung für eine solche Beziehung ist, liegt für Wiesing eine besondere Pointe des Luxus verborgen: Der Enthusiast des Besitzens kann keine interesselose Haltung zu seinen Gegenständen einnehmen, er kann - anders als der Ästhetizist der reinen Schönheitserfahrung - etwa nicht von den Entstehungsbedingungen absehen, kann keine kontemplative Distanz zwischen sich und die Dinge bringen: "Wer einen Teppich wegen seiner Millionen von Knoten in seinem Irrationalismus zu schätzen weiß, interessiert sich eben auch für die Frage, wer diese Knoten eigentlich geknüpft hat." Dass der irrationale Enthusiast der Luxusgüter sich gegenüber dem interesselos adorierenden Ästhetizisten am Ende sogar als der erweist, dem sich eine moralisch aufgeklärte ästhetische Erfahrung eröffnet, kann durchaus als eine Anstiftung zum Luxus gelesen werden. Von Zeit zu Zeit zumindest.

THORSTEN JANTSCHEK

Lambert Wiesing: "Luxus".

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2015. 222 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ihm gelingt das Kunststück, ein scheinbar marginales oder gar gänzlich verzichtbares Phänomen aus der Peripherie ins Zentrum der Ästhetik zu rücken. ... Das Buch ist thematisch wie in seiner Durchführung ebenso originell, wie es schlicht und einfach blendend geschrieben ist.« Daniel Martin Feige Philosophische Rundschau