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Erweiterte Neuauflage mit den Filmen "Lost Highway", "The straight story" und "Mulholland Drive". Wohl kaum ein Regisseur hat in den letzten Jahren die Gemüter von Publikum und Kritik mehr erregt als der Amerikaner David Lynch. Seine Filme sind ebenso gewalttätige wie erotische Reisen durch einen amerikanischen Alptraum. Nun gibt es endlich eine erweiterte Neuauflage von LYNCH ÜBER LYNCH.

Produktbeschreibung
Erweiterte Neuauflage mit den Filmen "Lost Highway", "The straight story" und "Mulholland Drive". Wohl kaum ein Regisseur hat in den letzten Jahren die Gemüter von Publikum und Kritik mehr erregt als der Amerikaner David Lynch. Seine Filme sind ebenso gewalttätige wie erotische Reisen durch einen amerikanischen Alptraum. Nun gibt es endlich eine erweiterte Neuauflage von LYNCH ÜBER LYNCH.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.1998

In Finsternis und Verwirrung
Gespräche mit dem amerikanischen Regisseur David Lynch

David Lynch paßt nicht in ein Buch. Er traut der Sprache nicht. Der Filmemacher, Autor und Journalist Chris Rodley führte in den Jahren 1993, 1995 und 1996 eine Reihe von Gesprächen mit dem amerikanischen Regisseur, und er hielt sich dabei, dem Wunsch David Lynchs folgend, an ein einfaches Muster: er stellte Fragen zum Faktischen, und der Filmemacher antwortete. Chronologisch geordnet und mit einleitenden Worten versehen, entstand auf diese Weise ein Überblick über David Lynchs persönliche Entwicklung, seinen künstlerischen Werdegang und die Geschichte seiner Filme. Daß man diesen Gesprächen gerne folgt, hängt an den ergreifenden Bildern seiner Filme. Von dem, der solche Bilder erfand, mehr in seinen eigenen Worten zu erfahren treibt die Neugier des Lesers voran. Man sucht keine Interpretationen, sondern Auskünfte, keinen belehrenden Kommentar, sondern den nicht verzerrten, ungetrübten Originalton.

David Lynch haßt deutende Fingerzeige. Er liebt das Geheimnis. In den Interviews zieht er sich zurück, wenn das Gespräch in die Sackgasse der Filmanalysen gerät. Aber er gibt so viel von sich, seiner Person preis, daß man glauben möchte, hier doch etwas mehr über den Stimmungsmacher erfahren zu haben. Als er in jungen Jahren in Philadelphia mit seiner ersten Frau und dem ersten Kind wohnte, habe er das Fürchten gelernt. "Das Gefühl, dauernd in Gefahr zu sein, war extrem, wir lebten in ständiger Angst. Um uns herum gab es Gewalt, Haß und Dreck. Trotzdem ging der stärkste Einfluß in meinem ganzen Leben von dieser Stadt aus. Und das Timing war perfekt. Ich habe furchtbare Dinge gesehen, aber es war auch ungeheur spannend." Doch sollte man keinen Satz in diesen Gesprächen, der über das Faktische hinausgeht, für gesichert nehmen. Chris Rodley sieht sich einige Male gezwungen, einer Äußerung den Hinweis in Klammern hinzuzufügen, daß Lynch lachte. Bei manchen Antworten gefällt sich der Regisseur im Schwebezustand der Ironie.

Doch was Lynch über sich und sein Fortkommen, das Höhen und Tiefen kannte, mitteilt, gewährt einen Einblick in eine von Ideen besessene Kraft, die alles will und mit nichts oder dem Schlimmsten rechnet. Hier kommt einer ohne die üblichen Klagen aus und ohne große Worte, ein zupackender Skeptiker, der dem schönen Schein des sprachlichen Einverständnisses nicht nachhängt. Diese Zurückhaltung gegenüber dem Vermögen der Sprache korrespondiert mit einem Vertrauen in das Unmittelbare, ob Idee und Bild, ob Intuition und Gefühl. David Lynch ist eine Membran, die aus einem anderen, nicht faßlichen, nicht faktischen Bereich durchläßt, was nur durch wortlose Öffnung, begriffslose Bereitschaft erfahrbar zu sein scheint.

Dieses mystische Verhältnis zu sich selbst ist die Ressource seiner Begabung. Es gibt dafür das Wort Stimmung, im Sinne einer alles durchdringenden Grundbefindlichkeit, und er verwendet es in diesen Gesprächen. Es beschreibt am besten, was Lynch in seinen Filmen erschafft. Es ist mehr als ein Ambiente, mehr als eine Atmosphäre; es ist die Vibration von Dingen, einer Konstellation von Menschen, einer Geschichte. Die Stimmung klingt, ihr korrespondiert ein Sound, und dessen Rhythmen greifen aus, erfassen, umspülen. Ein wenig davon hört man auch in den Gesprächen. David Lynch kreist um das Sagbare und das Unsagbare, und so wird aus dem einfachen Frage-Antwort-Spiel ein Vortasten und Berühren, ein Nachfassen und Wiederzurückziehen. Chris Rodley ist vorsichtig genug, nicht zu drängeln, sondern nachzugeben. Und Lynch ist aufmerksam genug, keine Wege zu öffnen, die er nicht begehen möchte.

David Lynch ist alles andere als indifferent; aber er mag die Unentschiedenheit als Option auf das Unbekannte. Er behauptet von sich, er gehe in Finsternis und Verwirrung, und dabei verwirrt er seine Zuschauer, treibt manchen Kritiker zu düsteren Äußerungen und wird von Deutungen nicht eingeholt. "Es gibt Wörter, und es gibt Geschichten, und mit dem Film kann man Dinge erzählen, die man mit Worten nicht erzählen kann. Das ist die wunderbare Sprache des Kinos. Es hat etwas mit Zeit und Simultanität zu tun und all den Regeln der Malerei." Die von ihm erfundenen Stimmungen aus Bild, Klang und Sprache waren bisher immer mehr als die Worte, die sie evozierten. Das ist sein Markenzeichen. Das Unbegreifliche ist der Anstoß. EBERHARD RATHGEB

David Lynch: "Lynch über Lynch". Hrsg. von Chris Rodley. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Marion Kagerer. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 1998. 353 S., br., Abb., 39,- DM.

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