Produktdetails
- Verlag: Kunstmann
- ISBN-13: 9783888976414
- ISBN-10: 3888976413
- Artikelnr.: 27932287
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2011Mach's einfach selbst
Keri Smith ruft zum schöpferischen Ungehorsam auf
Spätestens im Kindergarten ist es so weit, meistens aber schon früher: Du darfst dies nicht. Mach doch bitte das nicht. Und: Geh doch ordentlich mit Büchern um! Das heißt: auf gar keinen Fall reinkritzeln, bloß keine Süßigkeiten draufkleckern, keine Eselsohren machen und um Himmels willen nicht im Regen liegenlassen. Sprich: Büchern soll man das Leben mit ihnen auf gar keinen Fall ansehen, das besagen alle Handlungsanweisungen für den richtigen Umgang mit Büchern. Aber was ist schon richtig? Und wenn unklar ist, was richtig ist, was bitte schön ist dann falsch?
Mit "Mach dieses Buch fertig" von Keri Smith jedenfalls darf der Leser all das mit einem Buch tun, was bisher verboten war. Keri Smith gibt zum Beispiel die Anweisung, in eine Seite Löcher zu bohren, eine andere in Farbe zu ertränken, das Buch mit unter die Dusche zu nehmen, mit ihm an einer Leine Gassi zu gehen, mit ihm im Bett zu schlafen, um dann darüber zu schreiben, wie es war.
Hier darf der Leser sich austoben. "Erschaffen ist zerstören" steht ganz am Anfang des Buches. Und: "Du wirst zu Handlungen aufgefordert, die dir möglicherweise mehr als fragwürdig erscheinen. Vielleicht trauerst du dem perfekten Zustand nach, in dem sich dieses Buch ursprünglich befand. Es könnte sein, dass du plötzlich überall schöpferische Zerstörung entdeckst. Möglicherweise macht es dein Leben spannender." Das Schöne daran: Es geht nicht um ein Resultat, sondern um den Prozess des Krakelns, Nass-Machens und Eintunkens. Keri Smith gibt Handlungsanweisungen, die Dinge um ihrer selbst willen zu tun. "Mach dieses Buch fertig" ist ein Selbsterfahrungstrip für Leute, die sonst keine Selbsterfahrungsbücher lesen. Damit ähnelt es dem Blog von Keri Smith. Er heißt "Wish Jar" und rangiert irgendwo zwischen partizipativem Kunstprojekt und Tagebuch. Die amerikanische Autorin und Illustratorin bezeichnet sich selbst als Guerrilla-Artist - wobei sie unter Guerrilla-Art Kunst in der Öffentlichkeit versteht, die anonym bleibt. "Mach dieses Buch fertig" ist hingegen weder per se Teil des öffentlichen Raums, noch ist es anonym - aber es ist eben auch nicht allein das Werk von Keri Smith. Stattdessen lebt die Arbeit von der Ko-Produzentenschaft des Lesers. Der Konsument wird selbst aktiv.
In den Vereinigten Staaten erschien "Wreck this Journal" schon 2007 und avancierte mit über 250 000 verkauften Exemplaren schnell zu einem Bestseller. 2009 erschien in Deutschland mit "Kein Buch" ein Selbermach-Buch, das dem von Keri Smith stark ähnelt. Nun kommt aber auch das Original auf Deutsch heraus. Auf Facebook und anderen Social-Community-Seiten kann man längst sehen, was Leser schon alles mit Keri Smiths "Mach dieses Buch fertig" gemacht haben.
Und Sie, liebe Leser, können übrigens auch gleich loslegen! Damit wir uns verstehen: Nein, Sie müssen nicht erst das Buch kaufen, durchblättern, überlegen, eine Idee entwickeln, sie wieder verwerfen, noch schnell einen Kaffee trinken, dabei einen neuen Einfall haben und über den erst mal mit einem Freund am Telefon sprechen. Nein, all dies hat zwar auch mit Selbermachen zu tun, vor allem aber mit: Drückebergertum. Lieber Leser, Sie können gleich anfangen mit dieser Zeitungsseite. Sie können sie mit Wasserfarben anmalen, Ihren eigenen Text mit rosa Nagellack aufpinseln, geraffte Strukturen mit Tesa kleben, aus einer Kartoffel einen Stempel schnitzen und die Zeitungsseite damit bedrucken. Es gibt zig Möglichkeiten. Genauso verhält es sich mit "Mach dieses Buch fertig". Aber der Titel lügt. Ums Fertigwerden geht es gar nicht. Fertig ist man nie, selbstverständlich auch nicht mit diesem Buch.
CHRISTINA HOFFMANN
Keri Smith: "Mach dieses Buch fertig".
Aus dem Englischen von Heike Bräutigam. Kunstmann Verlag, München 2010. 192 S., br., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Keri Smith ruft zum schöpferischen Ungehorsam auf
Spätestens im Kindergarten ist es so weit, meistens aber schon früher: Du darfst dies nicht. Mach doch bitte das nicht. Und: Geh doch ordentlich mit Büchern um! Das heißt: auf gar keinen Fall reinkritzeln, bloß keine Süßigkeiten draufkleckern, keine Eselsohren machen und um Himmels willen nicht im Regen liegenlassen. Sprich: Büchern soll man das Leben mit ihnen auf gar keinen Fall ansehen, das besagen alle Handlungsanweisungen für den richtigen Umgang mit Büchern. Aber was ist schon richtig? Und wenn unklar ist, was richtig ist, was bitte schön ist dann falsch?
Mit "Mach dieses Buch fertig" von Keri Smith jedenfalls darf der Leser all das mit einem Buch tun, was bisher verboten war. Keri Smith gibt zum Beispiel die Anweisung, in eine Seite Löcher zu bohren, eine andere in Farbe zu ertränken, das Buch mit unter die Dusche zu nehmen, mit ihm an einer Leine Gassi zu gehen, mit ihm im Bett zu schlafen, um dann darüber zu schreiben, wie es war.
Hier darf der Leser sich austoben. "Erschaffen ist zerstören" steht ganz am Anfang des Buches. Und: "Du wirst zu Handlungen aufgefordert, die dir möglicherweise mehr als fragwürdig erscheinen. Vielleicht trauerst du dem perfekten Zustand nach, in dem sich dieses Buch ursprünglich befand. Es könnte sein, dass du plötzlich überall schöpferische Zerstörung entdeckst. Möglicherweise macht es dein Leben spannender." Das Schöne daran: Es geht nicht um ein Resultat, sondern um den Prozess des Krakelns, Nass-Machens und Eintunkens. Keri Smith gibt Handlungsanweisungen, die Dinge um ihrer selbst willen zu tun. "Mach dieses Buch fertig" ist ein Selbsterfahrungstrip für Leute, die sonst keine Selbsterfahrungsbücher lesen. Damit ähnelt es dem Blog von Keri Smith. Er heißt "Wish Jar" und rangiert irgendwo zwischen partizipativem Kunstprojekt und Tagebuch. Die amerikanische Autorin und Illustratorin bezeichnet sich selbst als Guerrilla-Artist - wobei sie unter Guerrilla-Art Kunst in der Öffentlichkeit versteht, die anonym bleibt. "Mach dieses Buch fertig" ist hingegen weder per se Teil des öffentlichen Raums, noch ist es anonym - aber es ist eben auch nicht allein das Werk von Keri Smith. Stattdessen lebt die Arbeit von der Ko-Produzentenschaft des Lesers. Der Konsument wird selbst aktiv.
In den Vereinigten Staaten erschien "Wreck this Journal" schon 2007 und avancierte mit über 250 000 verkauften Exemplaren schnell zu einem Bestseller. 2009 erschien in Deutschland mit "Kein Buch" ein Selbermach-Buch, das dem von Keri Smith stark ähnelt. Nun kommt aber auch das Original auf Deutsch heraus. Auf Facebook und anderen Social-Community-Seiten kann man längst sehen, was Leser schon alles mit Keri Smiths "Mach dieses Buch fertig" gemacht haben.
Und Sie, liebe Leser, können übrigens auch gleich loslegen! Damit wir uns verstehen: Nein, Sie müssen nicht erst das Buch kaufen, durchblättern, überlegen, eine Idee entwickeln, sie wieder verwerfen, noch schnell einen Kaffee trinken, dabei einen neuen Einfall haben und über den erst mal mit einem Freund am Telefon sprechen. Nein, all dies hat zwar auch mit Selbermachen zu tun, vor allem aber mit: Drückebergertum. Lieber Leser, Sie können gleich anfangen mit dieser Zeitungsseite. Sie können sie mit Wasserfarben anmalen, Ihren eigenen Text mit rosa Nagellack aufpinseln, geraffte Strukturen mit Tesa kleben, aus einer Kartoffel einen Stempel schnitzen und die Zeitungsseite damit bedrucken. Es gibt zig Möglichkeiten. Genauso verhält es sich mit "Mach dieses Buch fertig". Aber der Titel lügt. Ums Fertigwerden geht es gar nicht. Fertig ist man nie, selbstverständlich auch nicht mit diesem Buch.
CHRISTINA HOFFMANN
Keri Smith: "Mach dieses Buch fertig".
Aus dem Englischen von Heike Bräutigam. Kunstmann Verlag, München 2010. 192 S., br., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Bei Keri Smiths Bestseller "Wreck this Journal", der nun auf deutsch vorliegt, handelt es sich um eine Anstiftung zu systematischen Verletzung althergebrachter Regeln der Buchaufbewahrung und -pflege, berichtet Christina Hoffmann. Zerlöchern, bemalen, zerschneiden und bekleckern solle man das Werk - der schöpferischen Freiheit bezüglich der Mittel der Buchzerstörung seien hier keine Grenzen gesetzt. Hervorhebenswert findet die Rezensentin, dass es um den jeweiligen Prozess gehe und nicht um irgendein Ergebnis. "Um ihrer selbst willen" solle der Leser besagte Handlungen ausführen, wodurch Smiths Buch zu einem "Selbsterfahrungstrip" werde. Den zu kreativen Höchstleistungen angespornten Leser des Buches erhebt Hoffmann schließlich in den Rang eines Koproduzenten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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