Am Beginn des dritten Jahrtausends muß die Maxime nationaler Realpolitik - nationale Interessen müssen national verfolgt werden - ersetzt werden durch die Maxime kosmopolitischer Realpolitik: 'Unsere Politik ist um so nationaler und erfolgreicher, je kosmopolitischer sie ist.' Dieses Buch durchleuchtet die globalen Machtspiele zwischen Weltwirtschaft, Staaten und zivilgesellschaftlichen Bewegungen im Hinblick auf die provokante These: Im Zeitalter globaler Krisen und Risiken führt die Politik der 'goldenen Handschellen', die Schaffung eines dichten Netzes transnationaler Abhängigkeiten, zur Rückgewinnung nationaler Unabhängigkeit - auch und gerade gegenüber der hochmobilen Weltwirtschaft.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2005 Wirtschaftsbuch
Zum Thema
Becks Allianzen
Ulrich Beck: Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter. Neue weltpolitische Ökonomie, Edition Zweite Moderne, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2002, 15,00 Euro.
Der Soziologe Ulrich Beck fordert Allianzen und Bündnisse zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Eine globale Balance der Kräfte, die auch Unternehmen mehr Engagement abverlangt.
Frontberichte
Naomi Klein: Über Zäune und Mauern. Berichte von der Globalisierungsfront. Campus-Verlag, Frankfurt 2003, 17,90 Euro.
Die wichtigsten Zeitungsartikel der derzeit bekanntesten Antiglobalisierungsaktivistin.
Frieden als Geschäft
Das Bonn International Center for Conversion und die Universität Oxford haben herausgefunden, dass ein Bürgerkrieg durchschnittlich sieben Jahre dauert und 70 Milliarden Dollar kostet. Würde man das Geld vorher in die Wirtschaft des betroffenen Landes investieren, könnten alle Beteiligten später auf eine Milliardendividende zurückgreifen. Frieden ist eine Investition mit hoher Rendite, für das eigene Land, für die Nachbarn, die Weltwirtschaft und auch für die Unternehmen vor Ort.
Das Problem ist nur, dass Frieden in vielen Ländern ohne Unternehmen stattfindet. Behaupten jedenfalls die ZDF-Moderatorin Petra Gerster und der in London lebende Reporter Michael Gleich, der mit einigen Kollegen das Dilemma anschaulich dargestellt hat. An- stelle von Managern und Unternehmern haben Gleich und sein Team deshalb zahlreiche zivile Friedensmacher, Einzelkämpfer und Initiativen besucht. Daraus sind aufwendige Bildreportagen aus allen Teilen der Welt entstanden.
Zum Beispiel aus Kolumbien. Pater Giovani vermittelt dort in einem Kirchsprengel bei Medellin unter Lebensgefahr bei Entführungen. Und davon gibt es jede Menge, denn Guerillas und Paramilitärs finanzieren sich überwiegend durch Lösegelder. In Kolumbien soll es durchschnittlich acht Entführungen pro Tag geben. Meistens haben die Entführer jedoch völlig überzogene Vorstellungen davon, was die Familie des Opfers bezahlen kann. Hier moderiert Pater Giovani zwischen den Parteien, immer mit dem Risiko, dass dem Entführten etwas angetan wird. Überdies betreut er Gemeinden, die sich zu „Friedenszonen” erklärt haben. Dort hilft er, dass die Landwirtschaft auf die Füße kommt. Seine Begründung: „Nur wenn die Campesinos wirtschaftlich stärker werden, können sie ihre Unabhängigkeit bewahren.”
Gleich und seine Autoren heben vor allem die Managementleistung der zivilen Friedensmacher hervor. Friedensarbeit bedeutet konkrete Anwendung von Managementwissen. Mit Networking, Change Management, strategischer Führung, widrigen Marktbedingungen oder Konzentration aufs Kerngeschäft. Kein Wunder also, dass der pragmatische Erfolg heute vielfach über der ideologischen Verbohrtheit von früher steht. „Das unterscheidet Friedensmacher heute von den Friedensbewegten von vor 30 Jahren: Es geht um Erfolg, um gut gemacht statt gut gemeint”, sagt Michael Gleich, der vor Jahren dieses globale publizistische Projekt unter dem Namen „Peace counts” ins Leben gerufen hat.
Ein Projekt, das vor allem auch auf einem anderen journalistischen Verständnis basiert, wie er etwas pathetisch hervorhebt: „Wir wollten einen Gegenpol zu anderen Medien setzen, die überwiegend schlechte Nachrichten verbreiten. Wenn man Jugendliche zu eigenem Engagement ermutigen will, muss man auch aufzeigen, dass es anfassbare Beispiele gibt.” Was die Beteiligung der Wirtschaft betrifft, ist der Ausblick des Buches eher ernüchternd. Das Bewusstsein, dass sich Konzerne friedenspolitisch engagieren, werde meist erst bei schmerzvolleren Erfahrungen einsetzen. Friedensökonomie, wie sie Gerster und Gleich verstehen, setzt hingegen weit vorher an.
Peter Felixberger
Petra Gerster / Michael Gleich: Die Friedensmacher.
Hanser Verlag, München 2005,
248 Seiten und
CD-Rom, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Becks Allianzen
Ulrich Beck: Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter. Neue weltpolitische Ökonomie, Edition Zweite Moderne, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2002, 15,00 Euro.
Der Soziologe Ulrich Beck fordert Allianzen und Bündnisse zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Eine globale Balance der Kräfte, die auch Unternehmen mehr Engagement abverlangt.
Frontberichte
Naomi Klein: Über Zäune und Mauern. Berichte von der Globalisierungsfront. Campus-Verlag, Frankfurt 2003, 17,90 Euro.
Die wichtigsten Zeitungsartikel der derzeit bekanntesten Antiglobalisierungsaktivistin.
Frieden als Geschäft
Das Bonn International Center for Conversion und die Universität Oxford haben herausgefunden, dass ein Bürgerkrieg durchschnittlich sieben Jahre dauert und 70 Milliarden Dollar kostet. Würde man das Geld vorher in die Wirtschaft des betroffenen Landes investieren, könnten alle Beteiligten später auf eine Milliardendividende zurückgreifen. Frieden ist eine Investition mit hoher Rendite, für das eigene Land, für die Nachbarn, die Weltwirtschaft und auch für die Unternehmen vor Ort.
Das Problem ist nur, dass Frieden in vielen Ländern ohne Unternehmen stattfindet. Behaupten jedenfalls die ZDF-Moderatorin Petra Gerster und der in London lebende Reporter Michael Gleich, der mit einigen Kollegen das Dilemma anschaulich dargestellt hat. An- stelle von Managern und Unternehmern haben Gleich und sein Team deshalb zahlreiche zivile Friedensmacher, Einzelkämpfer und Initiativen besucht. Daraus sind aufwendige Bildreportagen aus allen Teilen der Welt entstanden.
Zum Beispiel aus Kolumbien. Pater Giovani vermittelt dort in einem Kirchsprengel bei Medellin unter Lebensgefahr bei Entführungen. Und davon gibt es jede Menge, denn Guerillas und Paramilitärs finanzieren sich überwiegend durch Lösegelder. In Kolumbien soll es durchschnittlich acht Entführungen pro Tag geben. Meistens haben die Entführer jedoch völlig überzogene Vorstellungen davon, was die Familie des Opfers bezahlen kann. Hier moderiert Pater Giovani zwischen den Parteien, immer mit dem Risiko, dass dem Entführten etwas angetan wird. Überdies betreut er Gemeinden, die sich zu „Friedenszonen” erklärt haben. Dort hilft er, dass die Landwirtschaft auf die Füße kommt. Seine Begründung: „Nur wenn die Campesinos wirtschaftlich stärker werden, können sie ihre Unabhängigkeit bewahren.”
Gleich und seine Autoren heben vor allem die Managementleistung der zivilen Friedensmacher hervor. Friedensarbeit bedeutet konkrete Anwendung von Managementwissen. Mit Networking, Change Management, strategischer Führung, widrigen Marktbedingungen oder Konzentration aufs Kerngeschäft. Kein Wunder also, dass der pragmatische Erfolg heute vielfach über der ideologischen Verbohrtheit von früher steht. „Das unterscheidet Friedensmacher heute von den Friedensbewegten von vor 30 Jahren: Es geht um Erfolg, um gut gemacht statt gut gemeint”, sagt Michael Gleich, der vor Jahren dieses globale publizistische Projekt unter dem Namen „Peace counts” ins Leben gerufen hat.
Ein Projekt, das vor allem auch auf einem anderen journalistischen Verständnis basiert, wie er etwas pathetisch hervorhebt: „Wir wollten einen Gegenpol zu anderen Medien setzen, die überwiegend schlechte Nachrichten verbreiten. Wenn man Jugendliche zu eigenem Engagement ermutigen will, muss man auch aufzeigen, dass es anfassbare Beispiele gibt.” Was die Beteiligung der Wirtschaft betrifft, ist der Ausblick des Buches eher ernüchternd. Das Bewusstsein, dass sich Konzerne friedenspolitisch engagieren, werde meist erst bei schmerzvolleren Erfahrungen einsetzen. Friedensökonomie, wie sie Gerster und Gleich verstehen, setzt hingegen weit vorher an.
Peter Felixberger
Petra Gerster / Michael Gleich: Die Friedensmacher.
Hanser Verlag, München 2005,
248 Seiten und
CD-Rom, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Viel Hellsichtiges erkennt Rezensent Volker Heins in dem neuen Buch des Münchner Soziologen Ulrich Beck, das sich dem Gestaltwandel des Politischen im globalen Zeitalter widmet. Zugrunde liege ihm die Einsicht, dass nicht länger das Schachspiel mit seinen klaren Fronten und hierarchisch angeordneten Figuren das globale Machtgefüge kennzeichne, sondern das chinesische Spiel Go, auf dessen Brett die Ränder und Ecken ebenso entscheidend sind wie das Zentrum, die Verbindungslinien wichtiger als die Felder. Amerikanische Verteidigungsplaner wissen das übrigens schon länger. Auffällig findet Heins daher, dass Beck in diesem Buch zu den klassischen Themen und Autoren der politischen Theorie zurückkehre, zu Machiavelli und Hobbes, wobei sich der Machiavellismus bei Beck immer noch mit politischer Romantik verbinde. Das alles scheint dem Rezensenten ganz interessant, für völlig überzogen hält er allerdings den von Beck betriebenen Globalisierungshype sowie die Ankündigung, hier werde der Grundstein für eine "Neue Kritische Theorie" gelegt. "Das Buch", urteilt er deshalb kurzum, "wird die Leser beeindrucken, irritieren, aber auch enttäuschen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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