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Nach ihrem Machtverlust und den Finanzskandalen steht die CDU vor ihrer schwersten Bundestagswahl. Ähnlich wie schon Adenauer hatte auch Helmut Kohl die Union zwar zu einer erfolgreichen Partei aufgebaut, sie aber zerrüttet hinterlassen. Frank Bösch betrachtet die aktuellen Herausforderungen der CDU im Zusammenhang mit ihrer wechselvollen Parteigeschichte. Die tagespolitischen Meldungen lassen leicht vergessen, wie sehr Parteien durch ihre lange Geschichte geprägt sind. Diese pointierte Überblicksdarstellung bietet Hintergrundinformationen zu aktuellen Diskussionen. Sie zeigt, welche…mehr

Produktbeschreibung
Nach ihrem Machtverlust und den Finanzskandalen steht die CDU vor ihrer schwersten Bundestagswahl. Ähnlich wie schon Adenauer hatte auch Helmut Kohl die Union zwar zu einer erfolgreichen Partei aufgebaut, sie aber zerrüttet hinterlassen. Frank Bösch betrachtet die aktuellen Herausforderungen der CDU im Zusammenhang mit ihrer wechselvollen Parteigeschichte.
Die tagespolitischen Meldungen lassen leicht vergessen, wie sehr Parteien durch ihre lange Geschichte geprägt sind. Diese pointierte Überblicksdarstellung bietet Hintergrundinformationen zu aktuellen Diskussionen. Sie zeigt, welche Reformpotentiale die CDU bislang aufwies und wo ihre Beharrungskräfte liegen. Die zum Teil dramatischen Veränderungen der Parteiführung, ihrer Organisation und Finanzen werden dabei ebenso untersucht wie der Wandel ihrer Politik, ihrer Programmatik und ihrer Wählerschaft. Damit gibt dieses Buch erstmals einen parteiunabhängigen Gesamtüberblick über nahezu sechs Jahrzehnte CDU-Geschichte.
Autorenporträt
Frank Bösch, geboren 1969, ist Professor für Deutsche und Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam und Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2002

Als Enkel Helmut aufbrauste
Mit kleinen Fehlern: Geschichte der CDU von Adenauer bis Kohl

Frank Bösch: Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2002. 240 Seiten, 19,90 Euro.

Wie bereits vor einem Vierteljahrhundert Alf Mintzel mit seiner "Geschichte der CSU", so versteht sich auch Frank Bösch als vom Gegenstand seiner Materie unabhängiger Monograph einer politischen Partei. Der im Vorjahr erschienenen Studie "Die Adenauer-CDU" läßt er nun seine "Geschichte der CDU" folgen. Hierbei wird der chronologische Verlauf immer wieder durch eine reichhaltige thematische Binnengliederung durchbrochen.

Zu Beginn gönnt der Parteiforscher sich und seinen Lesern eine Konzession an das Szenisch-Unterhaltsame. Er erzählt ein Histörchen - so amüsant, wie es nur in der Realität erfunden werden kann. Als Helmut Kohl 1964 im Alter von 34 Jahren zum ersten Mal an einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes teilnahm, da geriet der Enkel mit dem Urvater hart aneinander. "Geradezu aufbrausend" - so Bösch - fuhr er Adenauer ins Wort. Er forderte "eine offene Diskussion" wie auch die Einstellung der Querschüsse des Altkanzlers gegen den ungeliebten Nachfolger Ludwig Erhard. Wie Bösch weiterhin darlegt, erwies sich Kohl auch in den folgenden Jahren und selbst noch in der ersten Zeit nach seiner 1973 erfolgten Wahl zum CDU-Bundesvorsitzenden als mutiger Reformer, und er umgab sich mit kritischen Köpfen wie Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler. Hingegen schränkte Kohl in seinen späten Jahren die offene Diskussion, die er als junger Politiker angemahnt hatte, immer mehr ein, und um sich herum duldete er fast nur noch Jasager. Diesen Gegensatz zwischen dem jungen und dem alten Kohl versteht Autor Bösch ausgezeichnet herauszuarbeiten: "Helmut Kohls Leben verkörperte damit zwei Seiten der CDU-Geschichte. Er stand sowohl für das Reformpotenzial seiner Partei als auch für die große Beharrungskraft langlebiger Traditionen."

Dies gilt auch für das undurchsichtige Finanzgebaren. Das unter Adenauer entwickelte und später fortgesetzte System der Geldwäsche wurde noch von dem frühen Finanzierungskritiker Kohl übernommen. Erst Ende der neunziger Jahre - nach dem Rücktritt Kohls und dem Bekanntwerden der Schwarzgeldkonten - erhielt die CDU, so Autor Bösch, die vom Grundgesetz und vom Bundesverfassungsgericht geforderte Transparenz der Finanzverfassung.

Dankenswerterweise räumt Bösch mit einigen Geschichtslegenden auf. So weist er nach, daß die heutige Glorifizierung Ludwig Erhards als Vorkämpfer der Sozialen Marktwirtschaft nicht ganz der Realität entspricht. Der langjährige Wirtschaftsminister vertrat eher eine Marktwirtschaft pur, während Konrad Adenauer - häufig zusammen mit dem Arbeitnehmer-Flügel - die soziale Korrektur vornahm. Diese Würdigung des ersten Bundeskanzlers als Sozialpolitiker ist sicherlich zutreffend.

Im Gegensatz zu Böschs Meinung verstand es Adenauer auch, im Jahre 1957 ein einheitliches Votum der CDU/CSU-Fraktion bei der Rentenreform durchzusetzen. Unzutreffend ist Böschs Meinung, daß zu Adenauers engstem Beraterkreis nur Katholiken zählten. Der als "wirtschaftspolitischer Berater" vorgestellte Kölner Bankier und Bundestagsabgeordnete Robert Pferdmenges - der einzige Politiker übrigens, dem der greise Kanzler das "Du" anbot - war evangelisch-reformierter Presbyter.

Durch eine Reihe von Beispielen vermag Bösch zu erläutern, wie politische Meinungsverschiedenheiten durch den konfessionellen Gegensatz zwischen der katholischen Mehrheit und der protestantischen Minderheit bedingt waren. Allerdings übersieht er, daß in den fünfziger Jahren neben Katholiken auch evangelisch-konservative Kreise die Bekenntnisschule gegenüber der Gemeinschaftsschule favorisierten. Andererseits betont Bösch zu Recht die unterschiedliche soziale Bandbreite: Die Katholiken besaßen stets einen nicht zu übersehenden Gewerkschaftsflügel, die Protestanten in der CDU waren meist einseitig mittelständisch bis großbürgerlich geprägt. Unklar bleibt, ob diese Sozialprofile nicht doch durch die deutsche Einheit ein wenig korrigiert wurden.

Kein Thema für den Verfasser ist die Mitarbeit von Juden, Muslimen und Konfessionslosen, ebensowenig die beachtliche CDU-Resonanz innerhalb einer mehrheitlich nichtchristlichen Bevölkerung der neuen Bundesländer. Kenner der CDU-Geschichte werden in der vorliegenden Studie den einen oder anderen Namen vermissen: wie etwa Robert Tillmanns, der 1945 bis 1948 an der Seite Jakob Kaisers gegen die Gleichschaltung seiner Partei in der Sowjetischen Besatzungszone ankämpfte, später unter Adenauer als Bundesminister fungierte und dessen Stellvertreter im Vorsitz der Bundes-CDU war. Zudem fehlen einige namhafte CDU-Gewerkschaftler. Doch trotz dieser Versäumnisse werden sich künftige Veröffentlichungen an dieser Parteigeschichte messen lassen müssen.

GISELHER SCHMIDT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Den Namen Frank Bösch, Göttinger Historiker, Jahrgang 1969, "wird man sich merken müssen", ist Warnfried Dettling überzeugt. Der Autor zeige "ganz ohne pädagogischen Zeigefinger, wie man aus der Geschichte lernen" könne, schwärmt der Rezensent. Ohne Zweifel habe Bösch hier eine solide wissenschaftliche Untersuchung über die Geschichte der CDU vorgelegt, so Dettling. Seine Sprache sei locker, aber stets sachlich, sein "jugendliches Alter" komme ihm zugute, weil er so viel unverkrampfte Distanz zum Gegenstand einhalten könne. In seiner Studie schreibe der Autor der CDU eine erstaunliche Integrationskraft zu, die kaum eine andere Partei zu leisten vermöge. Sowohl am rechten Rand als auch in der Mitte wisse sie die Wähler zu binden, allerdings habe auch sie mit dem Vertrauensverlust der Wähler in Politiker und Parteien zu kämpfen. In welche Richtung sich die "antisozialistische Sammlungspartei" (Bösch) entwickeln werde, diese Antwort bleibe der Autor dem Leser schuldig. Dafür aber biete er, so der Rezensent, eine brillante Bestandsaufnahme.

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