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Produktdetails
  • Menschen, Medien, Märkte
  • Verlag: DVA
  • 2000.
  • Seitenzahl: 196
  • Deutsch
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 387g
  • ISBN-13: 9783421053626
  • ISBN-10: 3421053626
  • Artikelnr.: 08632555
Autorenporträt
Saskia Sassen, geboren 1949, ist Professorin für Soziologie an der Columbia University. Ihre Bücher sind in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden. Für ihr Werk hat sie zahlreiche Preise erhalten, u.a. 2013 den Prinz-von-Asturien-Preis für Sozialwissenschaften. Sie ist Mitglied im Club of Rome und wurde von dem politischen Magazin "Foreign Policy" in die Top-100-Liste Globaler Denker aufgenommen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.12.2000

Der kleine Mann und das World Wide Web
Die Globalisierung schreitet voran – und überrollt jene, die sie erst möglich machen
SASKIA SASSEN: Machtbeben – Wohin führt die Globalisierung? Deutsche Verlagsanstalt, München 2000. 196 Seiten, 39,80 Mark.
„Es gibt keine vollständig virtualisierte Firma und keine vollständig digitalisierte Industrie. Selbst die avanciertesten Informationsindustrien wie die Finanzwelt sind nur teilweise auf elektronischem Rauch errichtet. ” – Was Saskia Sassen hier formuliert, ist die banale und wenig beachtete Wirklichkeit des „World Wide Web”. Auch der „Cyberspace” braucht den realen Raum. Eine Tatsache, welche die Unternehmen der „New Economy” mit einem Problem konfrontiert, das jeder Internetbesucher kennt, der eine der zahlreichen Verkaufsplattformen für Bücher oder CDs benutzt: Ein Mausklick sucht, findet und bestellt die gewünschte Ware. Und dann? Dann muss das Produkt aus dem Lager geholt, verpackt und zum Käufer transportiert werden – nachdem sie produziert wurde. Zwischen der virtuellen Bestellung und ihrer Verwirklichung liegen Tage und Welten.
Das Buch versammelt acht Aufsätze Sassens, welche die wirtschaftliche Globalisierung unter dem Aspekt des realen Raums und nicht der Virtualität analysieren. Sassen, die Soziologie an der Universität von Chicago lehrt und Gastprofessorin an der Londoner „School of Economics” ist, erkennt in der Stadt den Knotenpunkt der Globalisierung. Zwar überschreite die Globalisierung die Grenzen der Staaten, dennoch bleibe sie weiter auf bestimmte Räume angewiesen: auf die hoch entwickelten Finanzzentren. Dort nimmt Sassen die Bewohner ins Visier und betreibt einen Perspektivenwechsel, der vor allem ein Paradigmenwechsel ist. Denn bislang sei Globalisierung „meist als Gegenüberstellung von ,national‘ und ,global‘”, als Internationalisierung des Kapitals und der Kapitalbewegungen aufgefasst worden. Der Funktionsträger der „New Economy” aber, der Arbeiter, werde bei den Diskussionen um die Globalisierung bislang kaum beachtet. Die Bedeutung der Aufsätze Sassens liegt – zumindest auf den ersten Blick – weniger in dem, was sie schreibt, als vielmehr in der Tatsache, dass sie sich mit diesem Thema beschäftigt. Denn tatsächlich handelt der globale Diskurs vom „Cash Flow”, aber selten vom Arbeiter. Provokativ kehrt Sassen diesen gewohnten Diskurs jetzt um und reanimiert die vergessene Einsicht, dass auch die „New Economy” auf banale Tätigkeiten angewiesen bleibt – den Lagerarbeiter wie die Schreibkraft. Durch diese Herangehensweise gelangt sie zu einer neuen Bewertung bekannter Probleme wie etwa der Immigration von Arbeitssuchenden oder der Diffusion staatlicher Macht angesichts des globalen Marktes.
Längst hat man sich mit der Feststellung abgefunden, dass die „Grenzen der Belastbarkeit” erreicht sind und Einwanderung an sich unerwünscht ist – mit Ausnahme hoch qualifizierter Fachkräfte, die für ein paar Jahre als Gäste einreisen dürfen. Gegen diese Überzeugung betont Sassen, dass die Einwanderung von Arbeitskräften die notwendige Folge der Globalisierung ist: Die Unternehmen bräuchten nicht nur Manager, sondern zunehmend billige Arbeitskräfte. Die „Transnationalisierung der Arbeit” identifiziert sie als gleichwertiges Gegenstück zur „Transnationalisierung des Kapitals” und mehr noch: als Funktionsbedingung der globalen Wirtschaft.
Hier zeigt sich die Stärke des Buches. Die Autorin legt den komplexen Zusammenhang zwischen der Einwanderung von Arbeitskräften und der Veränderung der Wirtschaftsstruktur offen. Die Globalisierung schafft neue Märkte und Konkurrenten. Immer mehr Unternehmen lagerten daher einen Teil der Produktion in den „informellen Sektor” aus, wo Arbeitnehmer jenseits des gesetzlichen Rahmens beschäftigt werden, um so Kosten zu sparen. Die „Informalisierung der Wirtschaft” sei eine Möglichkeit der Unternehmen, so Sassen, auf den wachsenden Konkurrenzdruck zu reagieren. Sie setze aber Arbeitnehmer voraus, die bereit sind, im rechtsfreien Raum zu arbeiten: zumeist unqualifizierte Ausländer. Saskia Sassen führt den Industrienationen ihre Abhängigkeit von der Immigration vor, während sie die „Wirtschaftsimmigranten” vom Stigma befreit, lediglich Bittsteller aus armen Ländern zu sein. Soweit die Theorie.
Sassen aber vergisst auch nicht die Praxis. Zu den Paradoxien der Globalisierung gehöre es, dass hoch dotierte Manager selbstverständlich in den unterschiedlichsten Ländern arbeiten oder Firmen ihre Sitze nach dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit und nicht nach der Nationalität auswählen. Wenn aber die Arbeitnehmer den Arbeitsmärkten folgten, so die Autorin, gelte dies als „unerwünschter Prozess”. Eine Auffassung, die im Bereich des Rechtsschutzes seine Entsprechung habe: Während man weltweit die Grenzen für die globale Wirtschaft öffne, blieben die Bürgerrechte auf der Strecke: „Wir riskieren es, von multinationalen Konzernen regiert zu werden, die nur dem Weltmarkt gegenüber verantwortlich sind. ”
Zum politischen Alltag aber gehört es längst, dass sich die Politik den Bedingungen der Wirtschaft beugt. Sassen plädiert darum für eine staatliche Regulierung der globalen Wirtschaft. Und sie zeigt, dass der Staat seinen Einfluss geltend machen kann: im Bereich der Infrastruktur – „womit genauso die Glasfaserkabel in Bürokomplexen wie hoch qualifizierte Arbeitskräfte gemeint sind”. Diese Infrastruktur, die eben nicht von A nach B verpflanzt werden könne, biete dem Staat die Möglichkeit, regulierend einzugreifen. Sassens Botschaft lautet: Der Staat ist nicht machtlos, obwohl die meisten Theoretiker der Globalisierung vom Gegenteil ausgehen. In ihren Aufsätzen gelingt es Sassen, griffige Beschreibungen der zentralen Problemfelder zu formulieren und mögliche Lösungen anzudenken. Ihre Aufsätze sind nur Fingerzeige, keine ausgearbeiteten „Gebrauchsanweisungen”. Gerade darum lohnt sich ihre Lektüre – insbesondere für jene, die an die Allmacht der Globalisierung glauben.
ANDREAS BOCK
Dürfen Inder mit Kindern ins Einwanderungsland Deutschland? Oder bleiben sie doch besser, wo die Arbeitskosten niedriger sind und sie im Notfall keine Sozialhilfe kosten?
Foto:AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rundum angetan zeigt sich Andreas Bock von diesen acht Aufsätzen der Autorin. Es gefällt ihm, wie Sassen deutlich aufzeigt, dass auch die "New Economy" auf die reale Welt angewiesen ist: auf Logistik, Lagerarbeiter und Sekretärinnen beispielsweise. Und trotz der Grenzüberschreitungen durch Globalisierung, so seien "hoch entwickelte Finanzzentren" nach wie vor unabdingbar. Bock findet es gleichermaßen ungewöhnlich wie interessant, dass Sassen hier eine "Perspektivenwechsel" vornimmt, der "vor allem ein Paradigmenwechsel" ist. So weise sie auf die Paradoxien hin, dass Firmensitze zwar in die verschiedensten Länder verlagert werden, Wirtschaftsimmigration jedoch weitgehend abgelehnt wird. Als eine große Stärke des Buchs wertet Bock die Ausführungen der Autorin zu den Zusammenhängen zwischen Einwanderung und Veränderungen in der Wirtschaft. Etwa dort, wo sie auf die Auslagerung von Produktionsprozessen zu sprechen kommt, bei der kostensparend "Arbeitnehmer jenseits des gesetzlichen Rahmens beschäftigt werden". Zwar bietet das Buch keine "Gebrauchsanweisungen" für die Politik, so Bock. Doch die konzentrierte Beschreibung wichtiger Problemfelder und Hinweise auf Lösungsmöglichkeiten machen das Buch seiner Ansicht nach zu einer lohnenden Lektüre.

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